Bayern verschärft Corona-Vorschriften
Deutschland zählt mit 6638 Neuinfektionen so viele wie noch nie an einem Tag. Ministerpräsident Markus Söder ist mit den Beschlüssen im Bund unzufrieden – und legt nach
München Damit auch wirklich jeder versteht, worum es ihm geht, lässt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Europakarte zeigen: Der helle Fleck in der Mitte ist Deutschland, drumherum ist alles rot bis dunkelrot. Überall in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, so lautet Söders Botschaft, ist die Corona-Pandemie schon längst wieder außer Kontrolle geraten. Besonders schlimm sei es in Tschechien. Und im Salzburger Land etwa gebe es bereits wieder lokale Lockdowns. „Die Lage ist ernst und sie wird jeden Tag ernster“, sagt Söder auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in München. „Die Zahlen explodieren in ganz Europa.“
Die Demonstration wirkt wie eine trotzige Reaktion auf die Beschlüsse vom Vorabend in Berlin. Die Ministerpräsidenten konnten sich bei ihrer Konferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zwar auf eine gemeinsame Grundlinie einigen. Sie gingen aber längst nicht so weit, wie Söder und Merkel eigentlich wollten – und erst recht nicht so weit wie der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler. Angesichts von 6638 Neuinfektionen an einem Tag schließt er selbst eine Abriegelung von Risikogebieten nicht mehr aus. „Inzwischen kann ich mir vorstellen, dass solche Maßnahmen durchgeführt würden“, sagte Wieler.
Söder macht aus seiner Unzufriedenheit mit dem mühsam erreichten Kompromiss im Bund keinen Hehl:
Markus Söder
„Ich bin mir nicht sicher, ob mit den Maßnahmen von gestern es uns gelingt, vor die Welle zu kommen.“Dennoch begrüße die Staatsregierung, dass zumindest eine gewisse Einheitlichkeit erzielt worden sei. „Die Grundinstrumente sind die unserigen und damit gut“, sagt Söder. Um wieder „vor die Welle“zu kommen und einen weitreichenden Lockdown zu verhindern, habe das bayerische Kabinett beschlossen, über die Bundesregelungen hinauszugehen. Spätestens ab Samstag sollen die neuen Vorgaben greifen und zunächst für vier Wochen gelten. Am meisten schärft der Freistaat bei privaten Feiern nach. Überschreitet eine Region den Wert von 35 Infektionen pro 100000 Bewohner binnen einer Woche, dürfen sich nur noch zehn Personen zu privaten Feiern treffen – egal, ob sie drinnen oder draußen stattfinden.
Überschreitet ein Hotspot den Inzidenzwert von 50 Infektionen pro 100000 Einwohner, sind Zusammenkünfte von nur mehr fünf Leuten oder zwei Hausständen erlaubt. Das sind halb so viele Personen, wie der Bund vorschlägt. Professionelle Großveranstaltungen, Messen etwa, sollen erlaubt bleiben – ein Zugeständnis an die bayerische Wirtschaft. Die Gastronomie trifft das neue Regelwerk trotzdem hart. Bei einer durchschnittlichen Infektionsrate von 50 Fällen gilt die Sperrstunde nun schon um 22 statt bisher um 23 Uhr, an Tankstellen und öffentlichen Plätzen herrscht dann Alkoholverbot. Auch bei der Maskenpflicht müssen Menschen in Bayern
„Die Lage ist ernst und sie wird jeden Tag ernster.“
mit strengeren Regeln leben. Bei einem Inzidenzwert von 35 Fällen ist der Mundschutz laut Söder auf „stark frequentierten Plätzen“, im Büro fernab des eigenen Schreibtisches, an Hochschulen, im Kino oder Theater und für Schüler ab der 5. Klasse im Unterricht Pflicht. Bei mehr als 50 Fällen müssen auch Grundschüler den ganzen Schultag einen Mund-Nasen-Schutz tragen, ebenso Kinder im Hort.
In Augsburg, wo der kritische Wert von 50 Infektionen seit Tagen gerissen wird, hatte die Stadtspitze einen Großteil der neuen Maßnahmen schon vorab eingeführt. So wurde ein Maskengebot für einen genau definierten Innenstadtbereich verhängt. Was unter „stark frequentierten Plätzen“zu verstehen ist, soll weiter vor Ort entschieden werden.
Eine Bewertung der Regeln nimmt Rudi Wais im Leitartikel vor. Weshalb die Infektionszahlen steigen und ob das umstrittene Beherbergungsverbot Bestand hat, lesen Sie in der Politik. Was Söders rot gefärbte Landkarte im Detail zeigt, steht auf Panorama.