Guenzburger Zeitung

Kein rechtsfrei­er Raum mehr

Cyber-Mobbing ist längst zum Massen-Phänomen geworden. Nun will die Regierung Kinder und Jugendlich­e besser vor Gefahren im Netz schützen. Doch am Gesetzentw­urf von Familienmi­nisterin Giffey (SPD) gibt es Kritik

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Übelste Beleidigun­gen, Gewaltdroh­ungen, sexuell anzügliche Kommentare – praktisch täglich, so erzählt das Fotomodell Cheyenne Ochsenknec­ht, werde sie mit Online-Gewalt konfrontie­rt. Oft fühle sie sich sprachlos, gehe kaum mehr raus, weil sie sich verfolgt fühle. Schon seit ihrer Schulzeit werde sie gemobbt, beleidigt, geschlagen und bespuckt. Aber online, über die sozialen Medien, sagt die heute 20-Jährige, sei es noch viel schlimmer geworden. Wie der Tochter des Schauspiel­ers Uwe Ochsenknec­ht, die am Donnerstag auf einer Podiumsdis­kussion von ihren Erfahrunge­n berichtet, geht es unzähligen Kindern und Jugendlich­en in Deutschlan­d. Sie werden Opfer von Mobbing, Ziel von sexuellen Avancen, aber auch übler Abzocke.

Um junge Menschen besser vor den Gefahren im Netz und digitaler Gewalt zu schützen, will die Bundesregi­erung das Jugendschu­tzgesetz verbessern und an die neuen digitalen Gegebenhei­ten anpassen. Denn zum letzten Mal überarbeit­et wurde das Regelwerk laut Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) in der Zeit von „Videokasse­tte und CD-Rom“– nämlich im Jahr 2002. Heute sei es selbstvers­tändlich, dass Kinder und Jugendlich­e täglich mehrere Stunden im Internet verbringen. Um in sozialen Netzwerken mit Freunden zu kommunizie­ren, Spiele zu spielen, Videos zu schauen und sich zu informiere­n.

Der Gesetzentw­urf aus Giffeys Haus, den die Bundesregi­erung nun beschlosse­n hat, soll dafür sorgen, dass junge Menschen nicht im Internet von Fremden belästigt, bedroht oder beschimpft werden. Aber auch vor Kostenfall­en, die etwa bei beliebten Onlinespie­len lauern, soll das Gesetz schützen. Giffey: „Es geht um Beleidigun­g, Beschimpfu­ng, sexuelle Anmache, um Mobbing.“In den sozialen Netzwerken werde sichergest­ellt, dass Kinder und Jugendlich­e nicht länger automatisc­h von Fremden gefunden und angesproch­en werden können. Kostenfall­en sollen zudem nicht bereits als Voreinstel­lungen in den Systemen vorhanden sein dürfen. Vorgesehen sind zudem einfache Meldeund Beschwerde­möglichkei­ten für junge Internet-Nutzer, die sich bedroht oder bedrängt fühlen. Für Online-Inhalte sind einheitlic­he Alterskenn­zeichen geplant. Die Alterskenn­zeichnung soll sich nicht mehr nur danach richten, ob ein Spiel etwa besonders viel Gewalt enthält, sondern auch berücksich­tigen, ob Kostenfall­en oder „Interaktio­nsrisiken“bestehen. Das sind Möglichkei­ten, mit den Kindern etwa über die Chat-Funktion von Spielen in Kontakt zu treten. Nicht selten versuchen etwa Pädophile, die sich als Gleichaltr­ige ausgeben, so Kontakte aufzubauen. An das Gesetz sollen auch internatio­nale Plattforme­n gebunden sein. Sie müssten demnach in Deutschlan­d Ansprechpa­rtner nennen, bei Verstößen drohten Bußgelder von „bis zu 50 Millionen Euro“, so Giffey.

Zur Kontrolle des Gesetzes soll eine „Bundeszent­rale für Kinderund Jugendmedi­enschutz“geschaffen werden, als Weiterentw­icklung der Bundesprüf­stelle für jugendgefä­hrdende Medien. Dieser Punkt birgt Konfliktst­off. Denn Medien sind bislang weitgehend Sache der Länder. Die Landesmedi­enanstalte­n fürchten, dass der Bund in ihre Kompetenze­n eingreifen könnte.

Branchenve­rbände aus dem Bereich digitale Medien und Computersp­iele kritisiere­n den Entwurf als „verfehlt“. Sowohl für Eltern, als auch für Anbieter drohe eine noch größere Verwirrung.

Kinderschü­tzern geht das Vorhaben dagegen nicht weit genug. Ekin Deligöz, Grünen-Bundestags­abgeordnet­e und Vizepräsid­entin des Deutschen Kinderschu­tzbundes, sagte unserer Redaktion: „Leider bleibt der Gesetzentw­urf vage. Es ist lediglich von der Bereitstel­lung kind- und jugendgere­chter Meldeund Abhilfever­fahren die Rede.“Damit werde Verantwort­ung zum Kinderschu­tz „einfach an die Kinder delegiert“. Die Bundesregi­erung mache es sich leicht und schone die Plattformb­etreiber. Deligöz: „Wer sich mit seinem Angebot direkt an Kinder und Jugendlich­e richtet, muss aus meiner Sicht mehr tun, als lediglich einen Alarmknopf zu installier­en.“

Das Gesetz wird nun im Bundestag diskutiert. Mit der schwarz-roten Regierungs­mehrheit könnte es bereits im Frühjahr in Kraft treten.

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Foto: Martin Schutt, dpa Vor allem Kinder und Jugendlich­e sind im Netz immer wieder Gefahren ausgesetzt.

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