Sex mit 13Jähriger: Angeklagter bekommt Bewährung
Dass der damals 18-Jährige das Mädchen vergewaltigt hat, ist nicht sicher. Trotzdem wird er als Lügner bezeichnet
Günzburg Nein, eine gute Figur hat der Angeklagte vor Gericht wirklich nicht gemacht. Wenn der Richter bei der Urteilsverkündung gar von einer „Märchenstunde“spricht, dann ist in der Verteidigungsstrategie wohl so einiges schief gelaufen. Dass der 18-Jährige, dem die Vergewaltigung einer 13-Jährigen vorgeworfen wurde, dennoch nicht ins Gefängnis muss, hat er einem anderen Umstand zu verdanken.
Bereits am ersten Verhandlungstag hatte Psychologin Prof. Dr. Michaela Pfundmair in ihrem Gutachten dargelegt, warum sie es für möglich hält, dass das Mädchen das Geschehene erst im Nachhinein zu einer Vergewaltigung umgedeutet haben könnte. Zu dem Zeitpunkt hatte der Angeklagte noch, unterstützt durch Zeugenaussagen seines Vaters und Großvaters, darauf beharrt, dass das Mädchen an jenem 7. März 2019 gar nicht bei ihm gewesen sei.
Am zweiten Verhandlungstag kommt die Wende. Erst werden vom Gericht kurze Videoschnipsel vom Handy des Mädchens abgespielt, die den Angeklagten in seiner Wohnung zur Tatzeit zeigen. Im Anschluss räumt er den Besuch der 13-Jährigen im Haus seiner Eltern ein. Auch zum Geschlechtsverkehr sei es gekommen, der Sex sei aber einvernehmlich gewesen, betont der mittlerweile 19 Jahre alte Schüler.
Auch die neue Version seiner Geschichte wirft aber Fragen auf. Warum haben Vater und Großvater ausgesagt, dass niemand im Haus gewesen sei? Warum sagt der Angeklagte, dass die 13-Jährige weniger als eine Stunde bei ihm gewesen sei, wenn die Videos mehr als eineinhalb Stunden nach ihrer Ankunft entstanden sind? Das Gericht tut sich mit seiner Einschätzung sichtlich schwer. Denn der junge Mann steht nicht zum ersten Mal wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vor Gericht. Im Mai vergangenen Jahres – also nach der jetzt angeklagten Tat – ist er bereits zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Damals hatte der Jugendliche Mädchen unter 14 Jahren unter anderem dazu gebracht, ihm Nacktbilder von sich zu schicken. Teilweise hatte er diese Aufnahmen ohne deren Wissen weiterverschickt. Auch sexuelle Aufnahmen von sich selbst hatte er an die juristisch noch als Kinder eingestuften Mädchen geschickt. In einem Fall hatte er sich selbst beim Sex mit einem der Mädchen gefilmt, ein weiteres hatte er gegen deren Willen im Intimbereich berührt.
Entsprechend geht bei den Plädoyers vor allem die Nebenklage mit dem 19-Jährigen hart ins Gericht. Rechtsanwalt Georg Mayer, der den Vater des Opfers vertritt, wirft dem Angeklagten vor, dass er trotz anderslautender Absprachen den Sex geplant und das völlig überforderte Mädchen danach einfach vor die Tür gesetzt habe. Später habe er dann bei der Polizei versucht, sich herauszureden. „Er hat hier durchweg gelogen und seine Familie mit hineingezogen“, poltert Mayer und wirft dem jungen Mann „Arroganz gegenüber dem Opfer und dem Gericht“vor. Aufgrund dieses Verhaltens komme für ihn eine Bewährung nicht in Frage.
Staatsanwaltschaft und auch Verteidiger Dietrich Jaser führen dagegen das Gutachten ins Feld, nachdem nicht auszuschließen sei, dass der eigentliche Sex einvernehmlich gewesen sein könnte. Der Gewaltaspekt sei nicht nachweisbar, so die Staatsanwältin. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes stehe aber sehr wohl fest, zumal sie dem Angeklagten nicht abnimmt, dass er nicht wusste, dass das Mädchen erst 13 Jahre alt war. Die Staatsanwältin beantragt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung, der Verteidiger plädiert, unter Einbeziehung des vorherigen Urteils bei einem Jahr und sechs Monaten zu bleiben.
Letztlich schließt sich das Jugendschöffengericht um Amtsgerichtsdirektor Walter Henle der Forderung der Staatsanwaltschaft an. Das Opfer sei zwar glaubhaft, so Henle. Das Gericht sei aber nicht zweifelsfrei überzeugt, dass es wirklich eine Vergewaltigung gegeben hat. „Der Angeklagte ist in unserem Strafsystem der einzige, der zu jeder Zeit lügen darf. Was wirklich passiert ist, konnten wir nicht klären.“
Da der Schüler demnächst Abitur machen will und bei seiner Familie in einem stabilen Umfeld lebt, könnte man die Strafe noch einmal zur Bewährung aussetzen, so Henle weiter. Dennoch wählt der Richter deutliche Worte. „Sie haben ein völlig falsches Frauenbild. Ihnen fehlt jegliche Empathie gegenüber dem Opfer.“Zuvor hatte sich der 19-Jährige nur auf Ermunterung Henles zu einer halbherzigen Entschuldigung durchgerungen.
Das Gericht erlegt ihm die Fortführung seiner Sexualtherapie auf, die er bereits seit seiner ersten Verurteilung macht. Im Gefängnis, so Henle, sei die Maßnahme nicht im nötigen Maße möglich gewesen. Zudem muss der 19-Jährige 160 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. „Wenn Sie nicht an sich arbeiten und ihr Frauenbild nicht ändern, wird es früher oder später wieder zu einem Übergriff kommen“, sagt Henle. Dann drohe die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts. Zudem könne auf die Familie des Angeklagten ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage zukommen.