Corona: Der Kulturmotor muss weiter laufen
Wie Künstler im Landkreis Günzburg trotz der Pandemie ihr Überleben sichern. Was die Politik während der Krise tun soll
Krumbach Die Coronakrise hat das kulturelle Leben weggefegt. Was zurück bleibt: leere Bühnen, stille Säle und auf sich gestellte Künstler. „Es ist ein Drama für die Branche“, beschreibt der bekannte Krumbacher Künstler Perry Paul die Situation. Dieser verzaubert normalerweise mit Bauchreden, Magie und Humor sein Publikum weltweit. Doch mit den aktuellen Einschränkungen mussten seine Engagements abgesagt werden. Auch für nächstes Jahr sind Buchungen bislang nicht möglich. Im Normalfall würden die Termine für das kommende Jahr jetzt schon zu 80 Prozent stehen, schätzt Perrys Frau Eve.
Insgesamt sei die Lage selbst für langjährige Künstler eine Ausnahmesituation und mit nichts zu vergleichen. Dabei treten nach dem Künstlerpaar zwei große Probleme auf. Durch die abgesagten Vorstellungen sei der Verdienst die letzten sechs Monate ausgeblieben, berichtet Eve. Staatliche Hilfen beziehen sich dabei nur auf die Betriebskosten, die bei den meisten Solokünstlern nicht anfallen würden, und seien kaum eine Hilfe. Glücklicherweise konnten die beiden sich durch ihre Ersparnisse absichern. Perry betont, sie hätten sich bewusst für dieses sensationelle, aber auch unsichere Leben entschieden. Weniger Glück hätten Neueinsteiger ohne finanzielle Rücklagen. Dazu komme die psychische Belastung, nicht mehr auftreten zu können. „Mein Leben ist, auf der Bühne zu stehen“,
Perry. Nach der Zeit ohne Publikum fehle der Kick.
Alexandra Jörg, Sängerin aus Krumbach, musste ebenfalls ihre Auftritte absagen. „Der Drive geht irgendwann verloren“, beschreibt Jörg. Anfangs versuche man noch, die neu gewonnene Zeit zu nutzen, doch sich ein neues Programm auszudenken oder ein Konzert zu planen gebe wenig Sinn. Da sie auch noch nebenbei unterrichte, sei sie finanziell breiter abgesichert.
Der Ballonkünstler und Comedian Tobi van Deisner schätzt, dass die jetzige schwierige Lage für Künstler bis zum Frühjahr anhalten werde. Dabei werden nicht nur Termine abgesagt, sondern auch keine neuen vereinbart. Alternativen, wie eine Online-Show, seien bislang schwer, beteuert der Entertainer. „Der größte Spaß für mich ist, den Leuten eine Freude zu bereiten“, sagt der Künstler, der die Nähe zum Publikum vermisst.
Breit aufgestellt als Multi-Talent in der Kunst- und Kreativbranche ist Hermann Skibbe aus Burgau. Der Komponist, Gitarrist und Sänger, Autor und Veranstalter für Events, der sich auch um die PR dafür kümmert, beklagt zwar, was durch die Corona-Pandemie alles weggefallen ist. So zum Beispiel ein Highlight des Burgauer Kultursommers, bei dem er Mitveranstalter ist. Kabarettist Wolfgang Krebs wäre zusammen mit Schwablantis aufgetreten, doch es konnte nicht mehr stattfinden. Sein Kalender habe 2020 überproportional viele Auftrittstermine gehabt, die alle weggebrochen seien. So hat er sich zwar auf andere Dinge, wie die Produktion von Musikvideos konzentrieren können oder das Einspielen und Abmischen von Musik für das Musical „Ich bin ein Berblinger“in Ulm. So habe er viel zu tun und Filmmusik für verschiedene Fernsehproduktionen bringt ihm als Urheber auch Geld. „Aber man sieht nicht, was für die Auftritte alles im Hintergrund ablaufen musste, wie viel Zeit man für das Erstellen des Programms, das Schreiben der Lieder, die ganze Planung hat investieren müssen und wie viele Leute da noch dranhingen, etwa aus der Technik. Corona bringe den Motor der Kulturund Kreativbranche ins Stottern. „Ich finde, der sollte geölt werden und weiterrattern, bis es nächstes Jahr wieder in die Beschleunigungsphase gehen kann.“Die Kreativschaffenden erwirtschafteten rund drei Prozent des Bruttoinlandproduktes. Es könne nicht sein, dass die Politik des Lanerklärt des der Dichter und Denker in Kauf nehme, dass viele Kulturschaffende finanziell „hops gehen“, nur weil sie keine Lobby hätten. Skibbe erwartet vom Wirtschaftsministerium eigentlich, dass es dafür Sorge trägt, dass kein Bauteil des oben genannten Motors ausfallen müsse. „Kultur ist kein Gedöns, sondern ernst zu nehmender Wirtschaftsfaktor“, sagt der 54-Jährige mit knapp 40 Jahren Bühnenerfahrung.
Die Technikseite repräsentiert Joachim Jaitner. Er hat eine Firma für Veranstaltungstechnik. Anfangs der Coronazeit hatte er noch zwei politische Sitzungen betreuen dürfen, doch der Lockdown hat alle Einnahmequellen, sprich Termine, für ihn abgeschnitten. Hilfen hat er nicht erhalten. Sein Lkw-Führerschein sichert ein Überleben, denn so kann er kleinere Fahreraufträge erhalten. „Aber das ist ja nur ein Bruchteil der Ausfälle“, erzählt er.
Bildhauer Terence Carr aus Günzburg, bekannt durch seine oft bunt bemalten Kettensägen-Skulpturen, sind durch die Pandemie zwei Ausstellungen heuer weggefallen. Er hat Corona-Hilfe beantragt und die auch erhalten. Die müsse aber in der Steuererklärung angegeben werden als Einnahme, erklärt er. Er habe zum Glück viele Aufträge und ein gutes Netzwerk, findet aber die Akquise in der Coronazeit schwieriger als in Zeiten mit engem persönlichen Kontakt zu den Menschen. Weitere Hilfen werde er nicht beantragen, sagte er. Er arbeitet derzeit auf zwei Ausstellungen im nächsten Jahr hin. Ebenso beschäftigt ihn gerade ein Auftrag eines Architekten.