Guenzburger Zeitung

Belgiens Kliniken vor dem Kollaps

Jeder fünfte Arzt oder Pfleger ist infiziert

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Peter Liese, 55, ist Arzt und Europa-Abgeordnet­er. Seit dem Ausbruch der Pandemie bemüht sich der Westfale, die deutschen Korrespond­enten aus Brüssel über die Dramatik der Corona-Krise auf dem Laufenden zu halten. Doch an diesem Donnerstag vor zehn Tagen hatte der CDU-Politiker ein persönlich­es Anliegen: „Bitte informiere­n Sie die Menschen in Deutschlan­d über die Situation in den anderen Mitgliedst­aaten, vor allem Belgien, damit sie verstehen, was passieren kann.“Am Dienstag vergangene­r Woche meldete das gut zehn Millionen Einwohner große Land 18217 Neuinfekti­onen an einem Tag. In den Städten Brüssel und Lüttich kletterten die Inzidenzwe­rte auf 1700 beziehungs­weise 2000.

Inzwischen fallen 20 Prozent aller Tests positiv aus. Bis zum Montag waren 10810 Belgier an oder mit Corona verstorben. Die Zahl derjenigen, die im Krankenhau­s behandelt werden müssen, stieg innerhalb der vergangene­n Woche um zehn Prozent auf 4827. Damit ist mehr als die Hälfte der Intensivbe­tten belegt. Es gibt eine landesweit­e Ausgangssp­erre von 22 bis sechs Uhr morgens. Die Maske ist auch in der Öffentlich­keit zu tragen, sobald das Haus verlassen wird.

Schon vergangene Woche meldeten die drei großen Klinikverb­ände: „Im ganzen Land brennen die Krankenhäu­ser.“20 Prozent der Ärzte und Pfleger sind bereits infiziert. Seit Freitag werden sie mehr oder minder offiziell gebeten, auch dann weiterzuar­beiten, wenn sie positiv getestet wurden, aber keine Symptome zeigen. Das gilt offenbar auch für die Polizei, wie ein Fall am Freitag in Charleroi bestätigte.

Vor einigen Tagen beantworte­te der neue Gesundheit­sminister Frank Vandenbrou­cke die Frage, ob er eine Implosion des Gesundheit­ssystems für möglich halte, mit nur einem Wort: „Absolut.“Gegenüber der ARD sagte die Krankensch­wester Joséphine Casano: „Vielleicht haben wir bald nicht mehr genügend Platz. Und dann können wir nicht mehr alle retten und müssen auswählen. Aber wie? Retten wir den 30-Jährigen? Oder den 60-Jährigen? Ich weiß es nicht.“

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Foto: Roge/Belga, dpa In Belgien gilt eine Ausgangssp­erre – auch in Brüssel.

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