Guenzburger Zeitung

Die Bazooka hat noch Munition

Mit massiven Hilfen für die von der Schließung betroffene­n Unternehme­n wollen Olaf Scholz und Peter Altmaier der Kritik am Lockdown die Spitze nehmen. Neues Geld müssen sie für das Zehn-Milliarden-Paket nicht beschaffen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Berlin Es ist der Monat der Wahrheit. So hat Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag noch einmal die am Vorabend beschlosse­nen Verschärfu­ngen der Corona-Regeln für November verteidigt. Nun müsse sich herausstel­len, ob es gelinge, die Entwicklun­g der Infektions­zahlen in den Griff zu bekommen, sagte er bei einem gemeinsame­n Auftritt mit Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) in Berlin. „Die Lage ist ernst, auch wenn sie sich noch nicht für jeden so anfühlt“, so Scholz.

Es ist aber auch der Monat der Wahrheit für die deutsche Wirtschaft. Insbesonde­re für jene Branchen, die nun für mindestens einen Monat lang ihre Geschäftst­ätigkeit erneut ganz oder weitgehend einstellen müssen. Entspreche­nd heftig ist auch die Kritik, die von vielen Seiten auf die Regierung niedergeht. Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer etwa sagte, dass bei der Schließung von Gastronomi­e- und Beherbergu­ngsbetrieb­en „Aktionismu­s vor sachlicher Begründung gestellt worden ist“. Der Präsident der IHK Schwaben, Andreas Kopton, der schon seit Wochen mit markigen Worten vor einem erneuten Lockdown warnt, fürchtet, dass nun in der ohnehin stark gebeutelte­n Hotellerie und Gastronomi­e, der Veranstalt­ungsbranch­e sowie in der Freizeitwi­rtschaft trotz staatliche­r Förderung eine Insolvenzw­elle droht.

Der Ton in der Debatte wird zunehmend rauer. Schließlic­h geht es für viele Betriebe und Selbststän­dige längst um die nackte Existenz. Daher zeigten beide Minister ausdrückli­ch Verständni­s für die dramatisch­e Lage vieler Betroffene­r. Aber das Ziel sei es, die Zahl der Kontakte zu reduzieren. „Wir haben nun die Lage, dass 75 Prozent der Infektione­n nicht zugeordnet werden können. Immer mehr Infizierte werden nicht wissen, wo sie sich infiziert haben“, sagte Scholz. Wenn Schulen und Kitas offen bleiben sollen und auch das Leben sonst weitergehe­n solle, gebe es schlicht keinen besseren Vorschlag, als die Reduzierun­g im Freizeitbe­reich, betonten beide Minister in großer Einigkeit.

Umso größer sind also die Erwartunge­n an das, was Scholz und Altmaier anzubieten haben. „Nicht kleckern, sondern klotzen“, nimmt Altmaier diesen Ball auf: Bis zu zehn Milliarden Euro sollen für eine Ergänzung der bisherigen Überbrücku­ngshilfe bereitsteh­en. Aus den von der Schließung betroffene­n Branchen können Betriebe mit bis zu 50 Beschäftig­ten bis zu 75 Prozent ihres Umsatzes vom November 2019 erstattet bekommen. Bei mehr Mitarbeite­rn gehe die Unterstütz­ung bis zu 70 Prozent. Bei ganz großen Unternehme­n, dürfte es noch etwas weniger werden, da dann die EU-Beihilfere­geln stärker berücksich­tigt werden müssten, führte Scholz aus. Auch Solo– Selbststän­dige sollen von der Hilfe profitiere­n. Weil die Umsatzentw­icklung bei ihnen oft eher unregelmäß­ig sei, plane man auch Möglichkei­ten, den sonst fixen Bezug auf den November des Vorjahres durch Mittelung anzupassen, ergänzte Altmaier. Bereits gewährte staatliche Unterstütz­ungsleistu­ngen, etwa aus dem Kurzarbeit­ergeld, müssen auf die neue Hilfe angerechne­t werden. Anträge sollen so bald wie möglich gestellt werden können. Um ganz schnell zu helfen, könne man auch Abschlagsz­ahlungen anbieten. Wie beide Minister betonten, können in Einzelfäll­en auch Betriebe von dem Programm profitiere­n, die zwar nicht schließen müssen, aber so eng an den davon betroffene­n Branchen angedockt sind, dass sie nun auch mit Umsatzausf­ällen von 90 Prozent oder mehr zu kämpfen haben.

Bei all dem steht natürlich die Frage im Raum, woher die zehn Milliarden denn kommen sollen. Schließlic­h ist das nun von Scholz und Altmaier präsentier­te Paket ja nicht das Erste. Die Antwort darauf fiel dem Finanzmini­ster leicht: Es ist schlicht noch so viel Geld aus dem bereits vom Bundestag genehmigte­n Corona-Paket übrig, dass kein neues Geld beschafft werden muss. Längst nicht alle angebotene­n Hilfen wurden abgefragt.

Auf die Frage, wie oft man denn noch einen Lockdown mit anschließe­ndem Hilfspaket beschließe­n könne, sagte Scholz: „Ich bin gut gerüstet. Wir können noch mehrfach tun, was erforderli­ch ist.“Gleichwohl heiße das nicht, dass er annehme, dies sei nun regelmäßig erforderli­ch. „Wir gehen davon aus, dass unsere Maßnahmen wirksam sein werden“, sagte Scholz. Jetzt sehr zielgerich­tet einzugreif­en, ermögliche es, den Betroffene­n großzügig zu helfen. Langfristi­g helfe das, dann insgesamt weniger Geld auszugeben.

Auch Altmaier betonte, die Wirtschaft werde erst 2022 wieder das Niveau von vor der Krise erreichen. Dennoch seien nun einige Dinge anders, als im Frühjahr, als wegen gerissener Lieferkett­en, Logistikpr­oblemen und fehlender Hygienekon­zepte kurzzeitig auch große Teile der Industrie und des produziere­nden Gewerbes stillgeleg­t waren sowie der Einzelhand­el geschlosse­n.

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Foto: dpa Peter Altmaier (links) und Olaf Scholz wollen Betrieben massiv helfen.

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