Guenzburger Zeitung

Frust im Wirtshaus

Restaurant­s, Bars und Kneipen müssen vier Wochen lang für Gäste geschlosse­n bleiben. Viele Betreiber finden die Beschränku­ngen ungerecht. Zwei Betroffene erzählen

- VON MARIA HEINRICH UND STEFAN STAHL

Wertingen/Augsburg Die Nachricht traf Josef Stark wie ein „Schlag in den Magen“, erzählt der Gastronom aus Wertingen (Kreis Dillingen). „Es hat sich angefühlt wie ein schlimmes Déjà-vu, wie damals im Frühjahr, als wegen Corona das ganze Leben runtergefa­hren wurde.“Seit Mittwochab­end steht nun fest: Wieder muss er sein Lokal, den Landgastho­f Stark, schließen. Wieder darf er nur To-go-Bestellung­en anbieten, vier Wochen lang, den ganzen November über. So haben es am Mittwochab­end die Bundeskanz­lerin und die Ministerpr­äsidenten der Länder beschlosse­n. „Seither steht das Telefon nicht mehr still, alle Reservieru­ngen wurden abgesagt, ich habe noch am Abend die Karte für Mitnehm-Gerichte online gestellt“, sagt der 47-Jährige. „Aber ich bin frustriert. Die Gastronomi­e hat es im Frühjahr schon hart getroffen. Die Ersten, die schließen mussten, die Letzten, die öffnen durften – und jetzt wieder.“

Wie ihm geht es aktuell vielen Restaurant­inhabern, Barbetreib­ern und Kneipenbes­itzern in Bayern. Dass die Gastronomi­e ab kommendem Montag weitgehend dicht ist – mit Ausnahme von Kantinen – und in Augsburg sogar schon ab Freitagabe­nd, sorgt für Unmut, Sorge und Wut in der Branche. So zum Beiauch bei den Münchner Innenstadt­wirten, die sich „fassungslo­s und bestürzt“äußerten. „Selbst das Robert-Koch-Institut sieht die Infektions­gefahr in der Gastronomi­e bei lediglich 0,5 Prozent“, sagt Gregor Lemke, Vorsitzend­er des Vereins der Münchner Innenstadt­wirte, am Donnerstag. Auch Angela Inselkamme­r, Präsidenti­n des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes, zeigt Unverständ­nis. Die gelernte Hotelfachf­rau beklagte gegenüber unserer Redaktion: „Das kommt zumindest für den November einem Berufsverb­ot für uns gleich.“Ähnlich problemati­sch sieht die Situation auch Josef Ellgass von der Vereinigun­g Land-Zunge aus dem Allgäu, einem Zusammensc­hluss aus Gastronome­n, die sich für regionale Vermarktun­g starkmache­n. Er sagt: „Diese Entscheidu­ng trifft uns wirtschaft­lich, aber auch emotional sehr hart. Nach dem, was wir in den vergangene­n Monaten alles geleistet haben, werden wir jetzt wieder vollkommen ausgebrems­t. Das demoralisi­ert die gesamte Branche.“

Was er meint, kann Josef Stark aus Wertingen gut nachvollzi­ehen: „Wir Gastronome­n haben in den vergangene­n Monaten unsere Hausaufgab­en gemacht. Haben dokumentie­rt, desinfizie­rt, Abstände eingehalte­n, Masken getragen. Manche haben richtig viel Geld investiert und Plexiglass­cheiben, Luftfilter­anlagen oder Heizpilze gekauft.“

Wut, Frustratio­n, Sorge – eine Gemengelag­e an Gefühlen, die auch Anita Babic vom Augsburger Lokal „Il Gabbiano“verstehen kann. Für sie war der Beschluss „noch mal eine ganz schön harte Nummer“. Bis zum letzten Tag hatte sie gehofft, dass es nicht noch einmal dazu komspiel men würde, dass sie ihr Lokal schließen müsse. „Natürlich finde ich die Entscheidu­ng ungerecht. Aber wenn es mit den vier Wochen getan ist und die Zahlen wieder gesunken sind, muss ich mich damit eben abfinden.“

Einen Lichtblick gibt es aber, auf den die Augsburger Gastronomi­n hofft. So hat der Bund angekündig­t, für die von den temporären Schließung­en betroffene­n Unternehme­n – und dazu zählen auch Gastronome­n und Hoteliers – eine außerorden­tliche Wirtschaft­shilfe zu gewähren, um sie für finanziell­e Ausfälle zu entschädig­en. Der Erstattung­sbetrag beträgt 75 Prozent des entspreche­nden Umsatzes des Vorjahresm­onats. „Das wäre super, wenn das so tatsächlic­h bei uns ankommt. Ich glaube, damit wäre vielen geholfen – auch damit keiner ganz schließen muss.“Josef Stark dagegen steht den versproche­nen Hilfen skeptisch gegenüber: „Das glaube ich erst, wenn das Geld bei mir auf dem Konto ist und ich es auch nicht wieder zurückzahl­en muss, so wie damals bei den Soforthilf­en.“

Trotz der Umstände wollen beide Gastronome­n versuchen, optimistis­ch zu bleiben. Anita Babic sagt: „Wenn es nur vier Wochen sind, werden wir das wirtschaft­lich irgendwie hinkriegen. Hauptsache, die Zahlen gehen runter und wir dürfen am 1. Dezember wieder öffnen.“(mit dpa)

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Foto: Angelika Warmuth, dpa Ab Montag heißt es in allen Lokalen in Deutschlan­d: Stühle rauf, kein Zutritt mehr für Gäste. Der Bund hat beschlosse­n, dass die Gastronomi­e wegen der Corona‰Pandemie vier Wochen schließen muss. Viele Betreiber sind fassungslo­s wegen der Entscheidu­ng.
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Archivfoto­s: Berthold Veh, Annette Zoepf Trotz der widrigen Corona‰Umstände versuchen sie, positiv in die Zukunft zu blicken: Gastronom Josef Stark aus Wertingen und Anita Babic, Inhaberin des „Il Gabbiano“in Augsburg.
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