Guenzburger Zeitung

Die Schaffers schaffen

- VON JAN‰LUC TREUMANN

Nördlingen Wenn irgendwo mal gerade etwas nicht so läuft wie geplant, dann sind die Schaffers da. So erzählt das Ehepaar, dass der frühere Leiter der Tourismus-Informatio­n und heutige Oberbürger­meister auch mal anruft, wenn eine Begleiteri­n des Volkshochs­chulkurses ausfällt, und fragt, ob sie nicht aushelfen können. Und das tun sie. Diesen Ruf haben sie sich durch ihr Engagement erarbeitet, für das sie die Silberdist­el unserer Zeitung bekommen.

Ein Beispiel für ihren Einsatz ist die Nördlinger Nachbarsch­aftshilfe. Die wurde im Jahr 2015 unter anderem von ihnen gegründet. Von Bekannten wurden sie gefragt, ob sie bereit wären, da mitzumache­n. Und das waren sie. „Da suchen die natürlich Macher und nicht nur Redner, und so kam das zustande“, schildert Susanne Schaffer. Die beiden sind nicht alleine, im Vorstand des Vereins gibt es noch weitere Mitglieder, die helfen. Doch sie beide übernehmen viel: Karl macht die Buchhaltun­g, Susanne koordinier­t aus der eigenen Küche die Einsätze für die Helfer, vermittelt und geht mit zu den ersten Treffen.

Die Nachbarsch­aftshilfe, das ist Fahrdienst, Einkaufshi­lfe oder auch einfach mal Gesellscha­ft leisten. Karl Schaffer erzählt von einer Frau, die sich den Oberschenk­el gebrochen hat und auf den Rollator angewiesen ist. Sie bekommt Physiother­apie vom Arzt verschrieb­en, hat aber keine Möglichkei­t, diese in

Anspruch zu nehmen – ein Taxi kann sie sich nicht leisten, mit dem Rollator kommt sie nicht zum Stadtbus. Da springt jemand von der Nachbarsch­aftshilfe ein. „Wir füllen da Lücken in unserem Sozialsyst­em“, sagt der 57-Jährige.

Dass sich das Ehepaar Schaffer so engagiert, hat einen Grund. Die beiden müssen für ihren Lebensunte­rhalt nicht mehr arbeiten. Karl Schaffer hat im Bereich Private Banking für ein großes deutsches Unternehme­n gearbeitet und sich einmal das Ziel gesetzt, mit 50 nicht mehr arbeiten zu müssen. Mit 48 hatte Karl Schaffer das erreicht.

Er erzählt, dass er während seines Berufslebe­ns lange noch in Nördlingen gewohnt, aber bereits in Aalen und Heidenheim gearbeitet hat: „Ich bin morgens früh aus dem Haus gegangen und abends spät heimgekomm­en. Und am Wochenende habe ich mich um Haus und Eltern gekümmert, das heißt, man hat nie Zeit gehabt, sich für die Stadt ...“– „... und für die Gesellscha­ft einzubring­en“, vollendet Ehefrau Susanne den Satz. Das kommt bei den beiden häufiger vor. Im Jahr 2011 kamen sie nach Nördlingen zurück, zurück in die Heimat. Über diese Zeit sagt Susanne Schaffer: „Wenn man aus dem Berufslebe­n aussteigt, braucht man für sich eine sinnvolle Tätigkeit. Unser Grundanlie­gen war, dass wir bis jetzt Glück im Leben hatten. Wir hatten nie finanziell­e Sorgen. Da will man auch etwas an die Gesellscha­ft zurückgebe­n.“Gerade die Generation zuvor habe ein tolles Lebensumfe­ld geschaffen.

Doch diese Generation gerate jetzt ein bisschen ins Abseits, sagt Susanne Schaffer. Und deswegen

Susanne und Karl Schaffer engagieren sich seit vielen Jahren in Nördlingen. Der Bü‰ cherschran­k ist nur ein Teil ihres Engagement­s.

Mit der Silberdist­el ehrt unsere Redaktion seit vielen Jahren Menschen aus der Region für ihr besonderes bürgerscha­ftliches Engagement. Der Preis besteht aus einer Urkunde und einer kunstvoll in Silber gearbeitet­en Distelblüt­e, die

Auszeichnu­ng wollen sie diesen Menschen auch etwas Gutes tun. Einige nehmen die Nachbarsch­aftshilfe in Anspruch, doch die 45-Jährige glaubt, dass sicher noch mehr Menschen in Nördlingen Unterstütz­ung benötigen.

Diese sollten keine Scheu haben, auf sie zuzukommen.

Die Nachbarsch­aftshilfe ist längst nicht der einzige Bereich, in dem sich die Schaffers engagieren. So haben sie den Freundeskr­eis „Amici dell’arte“, Freunde der Kunst, mitgegründ­et. Ein Freund von ihnen hatte einen Spendenauf­ruf einer Stiftung zur Erhaltung von Denkmälern in Bayern gesehen und die Schaffers drauf angesproch­en. „Wir haben überlegt, was wir tun können.“Im Stadtmuseu­m wurden sie fündig. Eine Altarverzi­erung wurde restaurier­t, außerdem ein historisch­es Buch hergericht­et und ein Epitaph, ein Erinnerung­smal aus dem 17. Jahrhunder­t, restaurier­t. Die Mittel dafür hat der Freundeskr­eis zusammenge­tragen: „Wir haben verschiede­ne Aktionen gemacht. Es hat sich herausgest­ellt, dass der Verkauf von selbst gebackenen Plätzchen und selbst gemachter Marmelade auf dem Weihnachts­markt eine sehr schöne Möglichkei­t ist, Geld zu sammeln“, sagt Karl Schaffer. Seine Ehefrau ergänzt, es sei ihnen wichtig, den Leuten einen Gegenwert zu geben und nicht nur Geld zu sammeln. Die Zutaten stammen aus der Region, die Rezepte von den Eltern. Die Plätzchen kommen gut an bei den Menschen, schon jetzt sei er angesproch­en worden, wann es wieder welche gebe, sagt Karl Schaffer. Doch in diesem Jahr wird es keine geben – Corona. Das Virus hat zudem dafür gesorgt, dass Susanne Schaffer ihre wöchentlic­he Kartelrund­e im Altenheim einstellen musste.

Die Schaffers sagen, dass sie viel Glück im Leben hatten. Doch so ganz stimmt das nicht. Vor zwei Jahren erkrankte Susanne Schaffer an Brustkrebs. „Ich habe versucht, mein Leben so normal wie möglich weiterzule­ben. Rausgeriss­en zu werden aus diesem Kranksein, da hat mir das Ehrenamt wahnsinnig viel gebracht.“

Die Silberdist­el

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Foto: Jan‰Luc Treumann

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