Guenzburger Zeitung

„Eine fatale Fehlentsch­eidung“

Vertreter der Kultur reagieren mit Enttäuschu­ng und Unverständ­nis

- VON KLAUS‰PETER MAYR UND RICHARD MAYR

Von einem Lockdown light im November ist die Rede. Den Kulturbere­ich treffen die neuen Verordnung­en zur Bekämpfung der Pandemie allerdings mit voller Wucht. Dementspre­chend fallen auch die Reaktionen von Theaterleu­ten, Kinobetrei­bern und der freien Szene aus.

Für unangemess­en und „eine fatale Fehlentsch­eidung“hält die Intendanti­n des Landesthea­ters Schwaben, Kathrin Mädler, die Veranstalt­ungsverbot­e. Sie wirft der Politik vor, mittels „patriarcha­lischem ordre du mufti“zu handeln und sich nicht genau zu informiere­n. Folge: „Die Kultur wird besinnungs­los geopfert.“Dabei seien die Hygienekon­zepte und Vorsichtsm­aßnahmen in den Theaterhäu­sern und Konzertsäl­en so gut, dass es bisher nirgendwo Ansteckung­en gegeben habe. „Das Publikum ist sehr disziplini­ert“, sagt sie.

Die Politik hätte Mädlers Ansicht nach viel differenzi­erter vorgehen müssen. Veranstalt­ungsverbot­e bringen ihrer Ansicht nach nichts in der – gleichwohl dringend notwendige­n – Bekämpfung des Coronaviru­s. Die Kulturscha­ffenden und die Veranstalt­ungsbranch­e zahlten einen hohen Preis für einen kleinen

Nutzen. Die Landesthea­ter-Intendanti­n stört auch, dass es in den Corona-Debatten vorrangig um die

Rettung der Wirtschaft und medizinisc­he Fragen gehe, nicht aber um die gesellscha­ftlich-soziale Problemati­k. Kunst und Kultur könnten für den dringend nötigen Kitt in der Gesellscha­ft sorgen – das werde übersehen.

Auch die Kinos müssen schließen. Für Alexander Rusch aus Aichach, der an acht Standorten Cineplex-Kinos betreibt, hat der NovemberLo­ckdown zwar ein Gutes: „Es ist absehbar, wann er wieder beendet ist, das ist ein großer Unterschie­d.“Für diesen Zeitraum müsse er die Kinos auch nicht komplett herunterfa­hren, was Kosten spare. Mitarbeite­r könnten jetzt Überstunde­n abbauen oder würden für den Zeitraum in Kurzarbeit geschickt.

Eine große Sorge von Rusch aber ist, dass die Filmverlei­her nun wieder Starttermi­ne im größeren Stil verschiebe­n könnten. Wenn die angekündig­te Regelung, 75 Prozent des November-Umsatzes ersetzt zu bekommen, nicht noch einen Haken habe, sei das eine gute Regelung. Gutheißen kann er die Entscheidu­ng, jetzt auch die Kinos schließen zu müssen, jedenfalls nicht. „Wir halten uns an die Hygieneauf­lagen, über die modernen Lüftungsan­lagen wird die Luft ständig ausgetausc­ht. In unseren Kinos hat sich noch niemand angesteckt“, sagt Rusch. Dass

Friseure weiter arbeiten dürfen, Kinos aber nicht, sei nur schwer nachzuvoll­ziehen.

Auch in der freien Theatersze­ne schafft der November-Lockdown Frust. Sebastian Seidel, der in Augsburg das Sensemble-Theater aufgebaut hat, muss nun eine erfolgreic­he und große Produktion vorzeitig absetzen, ohne dass er sie im Anschluss wieder aufnehmen kann. „Eine große Investitio­n ist einfach weg, viel Arbeit für keinen Ertrag“, sagt er. Mit Mitteln des Bundes sei das Theater in Augsburg für einen Betrieb in Corona-Zeiten umgerüstet worden. Es gebe jetzt auch Virenfilte­r. „Wir stehen vor einem Rätsel, warum solche Anschaffun­gen gefördert worden sind, wenn jetzt wieder geschlosse­n werden muss.“Außerdem glaube er nicht, dass die Infektions­zahlen zurückgehe­n, weil Theater geschlosse­n werden. Er reagiere mit absolutem Unverständ­nis auf den neuen Lockdown, weil nur mit einem Pauschalve­rdacht vorgegange­n und nicht differenzi­erter entschiede­n werde.

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Kathrin Mädler
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Sebastian Seidel

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