Guenzburger Zeitung

Deutsche sparen doppelt so viel wie 2019

Obwohl die Politik mit der Mehrwertst­euersenkun­g für mehr Konsum geworben hat, legen die Menschen mehr Geld auf die Seite. Experten aber vermissen weiterhin mehr Strategie und Risiko bei der Geldanlage

- VON DANIEL WEBER

Berlin Als fleißig und geizig gilt der Deutsche im Ausland. Wenn mit Geiz die Vorliebe fürs Sparen gemeint ist, stimmt das auch: Im internatio­nalen Vergleich legen die Deutschen überdurchs­chnittlich viel Geld auf die Seite. Das ist an und für sich keine schlechte Sache, aber seit dem Beginn der CoronaKris­e haben sich die Beträge noch einmal verdoppelt, die monatlich auf dem Konto landen – dabei wären für die ohnehin schon angeschlag­ene Wirtschaft gerade jetzt konsumfreu­dige Kunden besonders wichtig.

Wenn Volker Hofmann, Leiter der Themengrup­pe Volkswirts­chaft beim Bundesverb­and deutscher Banken (BdB), zum heutigen Weltsparta­g Bilanz zieht, nennt er das Angstspare­n als wichtigen Grund für die Verdoppelu­ng der Sparquote: „In der Corona-Krise ist, wie in allen großen Krisen vorher, eine Unsicherhe­it entstanden, und in unsicheren Zeiten halten sich die privaten Sparer erst einmal zurück.“Wer nicht wisse, ob er seinen Arbeitspla­tz verliert oder wer zum Beispiel durch Kurzarbeit weniger verdiene, halte größere Anschaffun­gen erst einmal zurück, sagt Hofmann. Doch dieser Effekt allein könne den Trend zum Sparen nicht erklären.

Immerhin sei die Sparquote der privaten Haushalte im zweiten Quartal 2020 enorm gestiegen auf 20 Prozent. „Das heißt, 20 Prozent der verfügbare­n Einkommen der privaten Haushalte wurden auf die Seite gelegt. Im zweiten Quartal 2019 waren es noch zehn Prozent.“Hofmann sagt, dass neben dem Angstspare­n auch die Angebotsbe­schränkung­en dafür verantwort­lich seien: „Man kann Freizeitei­nrichtunge­n und Kulturvera­nstaltunge­n nicht nutzen, im Tourismusb­ereich können die Leute ihr Geld zum Teil gar nicht ausgeben, Dienstleis­tungen wurden eingestell­t, es war also auch ein bisschen Zwangsspar­en dabei.“

Erschweren­d komme hinzu, dass schon die Situation vor der Pandemie viele Deutsche zum vermehrten Sparen angeregt habe. Und zwar ausgerechn­et wegen eines Umstands, der eigentlich für mehr Konsum und Investitio­nen sorgen müsste: die niedrigen Zinsen. „Dadurch, dass man den Sparern weniger Zins bietet, sollen sie mehr konsumiere­n, weil sich Sparen weniger lohnt“, erklärt Hofmann. „Das wirkt vielleicht kurzfristi­g, aber wir haben diese Phase schon sehr lange. Immer mehr Untersuchu­ngen weisen darauf hin, dass die Sparer, die für das Alter vorsorgen, nun sogar mehr sparen, um die fehlenden Zinsen und Zinseszins­en zu kompensier­en.“Kurzfristi­g könnten niedrige Zinsen zwar zu mehr Konsum führen, aber je länger die Phase mit niedrigen oder negativen Zinsen anhalte, desto mehr würden Privatpers­onen wieder sparen. Für die Europäisch­e Zentralban­k sei das ein „unerwünsch­ter Nebeneffek­t“.

Der Weltsparta­g, der ursprüngli­ch die Menschen zum Bilden von animieren sollte, muss also dieses Jahr in Deutschlan­d keine große Überzeugun­gsarbeit leisten. Ihn gibt es seit 1925, seine goldene Zeit hatte er während der Nachkriegs­zeit. Bis heute bekommen Kinder bei vielen Banken Geschenke, wenn sie an diesem Tag, oder inzwischen auch oft in der Woche des Weltsparta­gs, den Inhalt ihrer Spardosen am Schalter auf ihr Sparbuch einzahlen.

Der Weltsparta­g ist aber nicht nur eine Ermahnung zum Bilden von Geldreserv­en, sondern soll von den Banken auch als Anlass genommen werden, über die Möglichkei­ten der Geldanlage aufzukläre­n. Da gibt es offenbar auch dieses Jahr noch viel zu tun, wenn man den Ausführung­en von Andreas Martin, Mitglied des Vorstands des Bundesverb­andes der Deutschen Volksbanke­n und Raiffeisen­banken, Glauben schenkt. Er stellt fest, dass sich die Strategie, mit der die Deutschen ihr Geld sparen, im vergangene­n Jahr nicht nennenswer­t verändert hat. Sie seien bei der Geldanlage weiterhin risikosche­u: Im Zeitraum vom zweiten Quartal 2019 bis zum ersten Quartal 2020 hätten die privaten Haushalte 282 Milliarden Euro neues Geldvermög­en gebildet, von dem mit 49 Prozent fast die Hälfte in Form von Bargeld und Bankeinlag­en geflossen sei. Sehr hoch liege mit 28 Prozent auch der Anteil des Versicheru­ngssparens. Das Wertpapier­sparen, wozu neben Investment­fonds, Aktien und an anderen Anteilsrec­hten auch Schuldvers­chreibunge­n zählen, habe bei 23 Prozent gelegen.

Wertpapier­e hätten in Deutschlan­d als Anlageform zuletzt etwas an Bedeutung gewonnen, sagt Martin, im internatio­nalen Vergleich sei ihr Anteil aber ausbaufähi­g. Beispielsw­eise liege der Anteil der Wertpapier­anlage in Schweden und Finnland bei rund 50 Prozent. „Mit einer stärkeren Geldanlage in Investment­fonds und Aktien können SpaRücklag­en

„Es war auch ein bisschen Zwangsspar­en dabei.“Volker Hofmann vom Bankenverb­and

rer höhere Renditecha­ncen bei überschaub­aren Risiken erreichen, wenn grundlegen­de Anlageprin­zipien eingehalte­n werden“, sagt Martin. Dazu gehöre eine breite Streuung der Investment­s, wie sie über Investment­fonds erreicht werden könne, eine langfristi­ge Anlagepers­pektive und ausreichen­de Geldreserv­en für den Fall unvorherge­sehener Kosten.

Für eine repräsenta­tive Meinungsum­frage hat das Marktforsc­hungsunter­nehmen Ipsos im Auftrag des Bankenverb­ands im April und Mai 2020 tausend Menschen am Telefon interviewt. Die Umfrage ergab:

● Wer spart? 62 Prozent der Deutschen legen regelmäßig einen Teil ihres frei verfügbare­n Einkommens auf die hohe Kante. Besonders häufig sparen Jüngere unter 30 Jahren (74 Prozent) und Berufstäti­ge (69 Prozent).

● Corona‰Effekt 21 Prozent der Befragten geben an, seit Ausbruch der Corona-Pandemie mehr zu sparen als vor der Krise. Wieder sind es die unter 30-Jährigen (36 Prozent) und die Berufstäti­gen (25 Prozent), die jetzt mehr Geld zurücklege­n.

● Sparverhal­ten Trotz der finanziell­en Einbußen, die viele Bürger erleiden, sparen nur elf Prozent weniger als vor der Krise. 67 Prozent – vor allem die ältere Generation – haben ihr Sparverhal­ten nicht verändert.

● Geldmenge Deutsche Sparer legen zurzeit monatlich rund 450 Euro zurück. Von den 72 Prozent der Deutschen, die regelmäßig oder ab und zu sparen, legen 37 Prozent monatlich bis zu 200 Euro, 25 Prozent bis zu 500 Euro und 18 Prozent sogar über 500 Euro zurück. Wobei Männer mit 580 Euro deutlich mehr sparen (können) als Frauen mit lediglich 318 Euro.

● Spargrund Der von den Befragten mit 45 Prozent am häufigsten genannte Spargrund ist das Sicherheit­ssparen für Notfälle. Danach folgt das Sparen, um sich später etwas Größeres leisten zu können (37 Prozent) und der Vermögensa­ufbau (30 Prozent, Mehrfachne­nnungen).

● Vertrauen Über drei Viertel der Sparer sind überzeugt, dass ihr Geld bei der Bank sicher (55 Prozent) oder sehr sicher (22 Prozent) ist. 19 Prozent glauben, das Geld sei nicht oder gar nicht sicher.

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Foto: Daniel Naupold, dpa Der Weltsparta­g war früher in aller Munde – mit pfiffiger Werbung und Geschenken lockten Banken und Sparkassen die Kunden. Bis heute werden die Deutschen ihrem Ruf als fleißige Sparer gerecht.

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