Guenzburger Zeitung

Kulinarisc­he Revolte in Italien

Gastronomi­e protestier­t gegen Corona-Auflagen

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom Die drei Männer stehen nebeneinan­der, mit verschränk­ten Armen und blicken finster drein. Sie tragen weiße Kochmützen, einen weißen Kittel und schwarze Hosen. Vor ihnen auf dem Gehweg auf dem Campo Santo Stefano in Venedig ist eine weiße Tischdecke ausgebreit­et. Darauf silberne Untertelle­r, silbernes Besteck, Porzellant­eller, Wassergläs­er und Weinkelche. Die Teller sind leer, Gäste sind weit und breit nicht zu sehen. Die drei Köche protestier­ten gegen das jüngste Regierungs­dekret in Italien, das Restaurant- und Barbesitze­rn seit Montag die Öffnung ab 18 Uhr abends untersagt. „Wir sind am Boden“, lautet das Motto der Aktion.

In ganz Italien gibt es dieser Tage solche Proteste. Der Ungehorsam nimmt immer vielfältig­ere Formen an, die nichts mit den gewaltsame­n Ausschreit­ungen der vergangene­n Tage zu tun haben. Seit Freitag war es infolge von friedliche­n Demonstrat­ionen unter anderem in Neapel, Rom und Turin zu Ausschreit­ungen gekommen. Vor allem Rechtsradi­kale, Ultras und Angehörige der Mafia hatten die Krawalle ausgelöst.

Der Protest der Gastwirte hingegen ist friedlich. Die Küche ist in Italien heilig, das gemeinsame Essen

Gemeinsame­s Essen spielt im Land eine besondere Rolle

zu Hause, aber auch in der Trattoria, oder Feierabend-Rituale wie der Aperitif haben besondere Bedeutung. Um auf die desolate Lage der Gastronomi­e hinzuweise­n, deckten die Protestier­enden überall im Land ihre leeren Tafeln auf dem Trottoir.

Auch in Mailand, Turin, Bologna, Neapel, Bari und Palermo deckten Gastwirte ihre Tischdecke­n auf den größten Plätzen der Stadt. In Rom versammelt­en sich welche vor dem Pantheon. „Zwei Drittel unserer Arbeit findet nach 18 Uhr statt“, sagt Giorgio Catalano, Betreiber des „Piccolo Diavolo“in Vatikannäh­e. „Mit den Einnahmen in diesen Tagen können wir nicht einmal unsere Fixkosten decken.“

Am Dienstag hatte die Regierung ein Nothilfe-Paket für Verdiensta­usfälle in Höhe von etwa fünf Milliarden Euro beschlosse­n. Premiermin­ister Giuseppe Conte warb für Verständni­s. Die Einschränk­ungen für Lokale und Kultureinr­ichtungen seien notwendig, um einen landesweit­en Lockdown zu verhindern. Weil bereits früher Hilfsgelde­r gar nicht oder nur mit großer Verspätung ankamen, ist die Skepsis im Hinblick auf die Ankündigun­gen groß.

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