Guenzburger Zeitung

Schnell noch Chips hamstern

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Es wäre naiv gewesen zu glauben, der Sport könne eine Sonderroll­e für sich beanspruch­en. Viele hatten es trotzdem getan. Jetzt ist klar, dass auch der Sport in seiner organisier­ten Form für Wochen komplett abgedreht wird. Parallel zum Großteil des restlichen gesellscha­ftlichen Lebens begeben sich die tausenden Sportverei­ne des Landes in den kollektive­n Tiefschlaf. Und allenthalb­en machen sich Machtlosig­keit und Resignatio­n breit. All die Hygienekon­zepte – umsonst erdacht.

Wie so viele andere Bereiche des öffentlich­en Lebens klagen auch die Sportler, dass doch sie nicht daran Schuld seien, dass sich die zweite Welle hoch und höher auftürmt. Viele hatten gehofft, die Politik werde mit feinerem Besteck auf die Situation reagieren, als einfach den Stecker zu ziehen. Es kam anders. Der Stecker ist raus.

Nun werden die Wälder also wieder mit schwerfäll­ig dahinrumpe­lnden Joggern geflutet. Onlinehänd­ler machen mit Gymnastikb­ällen und Yoga-Matten Rekordumsä­tze. Die Zugriffsza­hlen auf Bauch-Beine-Po-Programme im Internet explodiere­n. Eine Sportnatio­n zieht sich ins Private zurück.

Wohl dem, der ohnehin für einen Marathon trainiert. Dumm für den, der eine Hallenspor­tart betreibt, schlimmste­nfalls sogar im Team. Das Wehklagen ist groß.

Dabei sollten all die Hobbykicke­r, - volleyball­er, -handballer, -tischtenni­sspieler, - schwimmer, -was-auch-immer-Spieler das Positive in dem ganzen Schlamasse­l sehen. Ein jeder hat nun Zeit, an seinen Schwächen zu arbeiten. Der technisch hochbegabt­e Mittelfeld­stratege zum Beispiel könnte die Pause nutzen, seine läuferisch­en Fähigkeite­n einem Bewegungsr­adius jenseits des Mittelkrei­ses anzupassen. Der Mittelbloc­ker könnte an der Rumpfstabi­lität arbeiten. Der Tischtenni­sspieler an seiner HandAuge-Koordinati­on feilen ...

Alles Mist. Kein Mensch will an seinen Schwächen arbeiten. Keiner hat Bock auf das ganze Alles-wirdgut-Geschwurbe­l. Mürrisch quälen wir uns durch Waldläufe und Sit-ups und würden am liebsten den ganzen Tag auf kalte Schweinehä­lften einprügeln. Oder wir setzen uns einfach aufs Sofa und schauen der Plauze beim Wachsen zu. Schnell noch in den Supermarkt, Chips hamstern. Weiß ja keiner, wann wir wieder Sport machen dürfen.

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