Schnell noch Chips hamstern
Es wäre naiv gewesen zu glauben, der Sport könne eine Sonderrolle für sich beanspruchen. Viele hatten es trotzdem getan. Jetzt ist klar, dass auch der Sport in seiner organisierten Form für Wochen komplett abgedreht wird. Parallel zum Großteil des restlichen gesellschaftlichen Lebens begeben sich die tausenden Sportvereine des Landes in den kollektiven Tiefschlaf. Und allenthalben machen sich Machtlosigkeit und Resignation breit. All die Hygienekonzepte – umsonst erdacht.
Wie so viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens klagen auch die Sportler, dass doch sie nicht daran Schuld seien, dass sich die zweite Welle hoch und höher auftürmt. Viele hatten gehofft, die Politik werde mit feinerem Besteck auf die Situation reagieren, als einfach den Stecker zu ziehen. Es kam anders. Der Stecker ist raus.
Nun werden die Wälder also wieder mit schwerfällig dahinrumpelnden Joggern geflutet. Onlinehändler machen mit Gymnastikbällen und Yoga-Matten Rekordumsätze. Die Zugriffszahlen auf Bauch-Beine-Po-Programme im Internet explodieren. Eine Sportnation zieht sich ins Private zurück.
Wohl dem, der ohnehin für einen Marathon trainiert. Dumm für den, der eine Hallensportart betreibt, schlimmstenfalls sogar im Team. Das Wehklagen ist groß.
Dabei sollten all die Hobbykicker, - volleyballer, -handballer, -tischtennisspieler, - schwimmer, -was-auch-immer-Spieler das Positive in dem ganzen Schlamassel sehen. Ein jeder hat nun Zeit, an seinen Schwächen zu arbeiten. Der technisch hochbegabte Mittelfeldstratege zum Beispiel könnte die Pause nutzen, seine läuferischen Fähigkeiten einem Bewegungsradius jenseits des Mittelkreises anzupassen. Der Mittelblocker könnte an der Rumpfstabilität arbeiten. Der Tischtennisspieler an seiner HandAuge-Koordination feilen ...
Alles Mist. Kein Mensch will an seinen Schwächen arbeiten. Keiner hat Bock auf das ganze Alles-wirdgut-Geschwurbel. Mürrisch quälen wir uns durch Waldläufe und Sit-ups und würden am liebsten den ganzen Tag auf kalte Schweinehälften einprügeln. Oder wir setzen uns einfach aufs Sofa und schauen der Plauze beim Wachsen zu. Schnell noch in den Supermarkt, Chips hamstern. Weiß ja keiner, wann wir wieder Sport machen dürfen.