China will als Wirtschaftsmacht unabhängig werden
Mit ihrem neuen Fünfjahresplan wollen Pekings Kommunisten zu den führenden Industriestaaten aufrücken
Peking Der neue Fünfjahresplan der chinesischen Kommunisten strotzt angesichts der derzeitigen Weltlage nur so vor Selbstbewusstsein und Optimismus. Am Freitagmorgen traten führende Mitglieder des Zentralkomitees vor die Presse. Sämtliche Fragen, darunter auch die der ausländischen Journalisten, wurden zuvor schriftlich eingereicht, die Antworten der Parteikader vom Blatt abgelesen.
„Mit 2020 haben wir das erste Jahrhundertziel erreicht, eine moderat wohlhabende Gesellschaft aufzubauen“, sagt Xu Lin, Vizeminister der Öffentlichkeitsabteilung des Zentralkomitees: „Der Fünfjahresplan ist nun der erste Schritt für das zweite Jahrhundertziel: China in eine moderne Gesellschaft zu transformieren.“ Wie umfassend dieser Wandel ausschauen wird, lässt sich schwarz auf weiß ablesen: Wenig überraschend stellt die Partei technologische Selbstversorgung in den Mittelpunkt ihrer Zukunftsvision. Dies ist allen voran eine Antwort auf den Handelsstreit mit den Amerikanern, auch wenn eine vollständige „Entkopplung“von den Vereinigten Staaten laut Angaben der chinesischen Regierung weiterhin unrealistisch sei.
Doch die Volksrepublik möchte in Zukunft vor allem die wirtschaftlichen Risiken einer geopolitisch fragilen Weltordnung – etwa Importverbote von Halbleitern aus den USA oder ein möglicher Ausschluss Huaweis beim europäischen 5G-Netz – minimieren. Folglich will China in den folgenden Jahren seine Forschungsausgaben massiv erhöhen. Konkrete Zahlen blieb die Regierung aber schuldig. Waren frühere Fünfjahrespläne von konkreten Zielvorgaben bestückt, etwa das jährliche Wirtschaftswachstum bis auf die prozentuale Kommastelle, hält man sich diesmal bemerkenswert vage – wohl auch, weil China mit all seinen territorialen Grenzkonflikten und Wirtschaftskämpfen vor bisher einmaligen Herausforderungen steht.
Zwischen den Zeilen allerdings lassen sich dennoch einige Vorgaben herauslesen: Bis zum Jahr 2035 möchte man ein Bruttoinlandsprodukt vergleichbar mit „durchschnittlich entwickelten Ländern“erreichen. Im Klartext würde dies bei etwas unter 30000 Euro pro Kopf liegen; also ein Niveau, das derzeit beispielsweise das benachbarte Südkorea erreicht hat. Dafür muss China aber seine ökonomische Leistung in den nächsten 15 Jahren verdreifachen. Doch im Inneren hat die chinesische Wirtschaft, wenngleich sie trotz der Krise wieder auf deutlichem Wachstumskurs ist, mit erheblichen Problemen zu kämpfen.
Dem vielleicht wichtigsten Thema, dem im Riesenreich schleppenden Binnenkonsum, wird im Fünfjahresplan eine zentrale Rolle zugewiesen: Die Einkommen der Bevölkerung, vor allem der ländlichen Bevölkerung, sollen massiv gesteigert werden.
Nur auf diesem Weg kann das propagierte Modell der „dualen Zirkulation“aufgehen: Künftig sollen, wie in vielen entwickelten Volkswirtschaften, die chinesischen Konsumenten zunehmend als Wachstumsmotor fungieren, um die große Abhängigkeit vom Außenhandel zu reduzieren. Die Regierung betont jedoch, dass dies nicht heißt, China würde ausländischen Unternehmen künftig den Rücken kehren. Stattdessen soll die Wirtschaft weiter geöffnet und reformiert werden, um reizvoll für internationale Konzerne und Investitionen zu bleiben. „Öffnung ist die grundlegende Bedingung für Fortschritt“, sagt Han Waixiu, stellvertretender Leiter des Zentralkomitees für wirtschaftliche Angelegenheiten.
Und doch lässt das veröffentlichte Kommuniqué des Fünfjahresplans keinen Zweifel daran, dass eine Öffnung für China auf politischer Ebene weiter entfernt denn je erscheint: Für den Machtpolitiker und auf Lebenszeit ernannten Staatschef Xi Jinping genießt die innere Sicherheit und die Herrschaft der Partei immer die höchste Priorität.