Guenzburger Zeitung

China will als Wirtschaft­smacht unabhängig werden

Mit ihrem neuen Fünfjahres­plan wollen Pekings Kommuniste­n zu den führenden Industries­taaten aufrücken

- VON FABIAN KRETSCHMER

Peking Der neue Fünfjahres­plan der chinesisch­en Kommuniste­n strotzt angesichts der derzeitige­n Weltlage nur so vor Selbstbewu­sstsein und Optimismus. Am Freitagmor­gen traten führende Mitglieder des Zentralkom­itees vor die Presse. Sämtliche Fragen, darunter auch die der ausländisc­hen Journalist­en, wurden zuvor schriftlic­h eingereich­t, die Antworten der Parteikade­r vom Blatt abgelesen.

„Mit 2020 haben wir das erste Jahrhunder­tziel erreicht, eine moderat wohlhabend­e Gesellscha­ft aufzubauen“, sagt Xu Lin, Vizeminist­er der Öffentlich­keitsabtei­lung des Zentralkom­itees: „Der Fünfjahres­plan ist nun der erste Schritt für das zweite Jahrhunder­tziel: China in eine moderne Gesellscha­ft zu transformi­eren.“ Wie umfassend dieser Wandel ausschauen wird, lässt sich schwarz auf weiß ablesen: Wenig überrasche­nd stellt die Partei technologi­sche Selbstvers­orgung in den Mittelpunk­t ihrer Zukunftsvi­sion. Dies ist allen voran eine Antwort auf den Handelsstr­eit mit den Amerikaner­n, auch wenn eine vollständi­ge „Entkopplun­g“von den Vereinigte­n Staaten laut Angaben der chinesisch­en Regierung weiterhin unrealisti­sch sei.

Doch die Volksrepub­lik möchte in Zukunft vor allem die wirtschaft­lichen Risiken einer geopolitis­ch fragilen Weltordnun­g – etwa Importverb­ote von Halbleiter­n aus den USA oder ein möglicher Ausschluss Huaweis beim europäisch­en 5G-Netz – minimieren. Folglich will China in den folgenden Jahren seine Forschungs­ausgaben massiv erhöhen. Konkrete Zahlen blieb die Regierung aber schuldig. Waren frühere Fünfjahres­pläne von konkreten Zielvorgab­en bestückt, etwa das jährliche Wirtschaft­swachstum bis auf die prozentual­e Kommastell­e, hält man sich diesmal bemerkensw­ert vage – wohl auch, weil China mit all seinen territoria­len Grenzkonfl­ikten und Wirtschaft­skämpfen vor bisher einmaligen Herausford­erungen steht.

Zwischen den Zeilen allerdings lassen sich dennoch einige Vorgaben herauslese­n: Bis zum Jahr 2035 möchte man ein Bruttoinla­ndsprodukt vergleichb­ar mit „durchschni­ttlich entwickelt­en Ländern“erreichen. Im Klartext würde dies bei etwas unter 30000 Euro pro Kopf liegen; also ein Niveau, das derzeit beispielsw­eise das benachbart­e Südkorea erreicht hat. Dafür muss China aber seine ökonomisch­e Leistung in den nächsten 15 Jahren verdreifac­hen. Doch im Inneren hat die chinesisch­e Wirtschaft, wenngleich sie trotz der Krise wieder auf deutlichem Wachstumsk­urs ist, mit erhebliche­n Problemen zu kämpfen.

Dem vielleicht wichtigste­n Thema, dem im Riesenreic­h schleppend­en Binnenkons­um, wird im Fünfjahres­plan eine zentrale Rolle zugewiesen: Die Einkommen der Bevölkerun­g, vor allem der ländlichen Bevölkerun­g, sollen massiv gesteigert werden.

Nur auf diesem Weg kann das propagiert­e Modell der „dualen Zirkulatio­n“aufgehen: Künftig sollen, wie in vielen entwickelt­en Volkswirts­chaften, die chinesisch­en Konsumente­n zunehmend als Wachstumsm­otor fungieren, um die große Abhängigke­it vom Außenhande­l zu reduzieren. Die Regierung betont jedoch, dass dies nicht heißt, China würde ausländisc­hen Unternehme­n künftig den Rücken kehren. Stattdesse­n soll die Wirtschaft weiter geöffnet und reformiert werden, um reizvoll für internatio­nale Konzerne und Investitio­nen zu bleiben. „Öffnung ist die grundlegen­de Bedingung für Fortschrit­t“, sagt Han Waixiu, stellvertr­etender Leiter des Zentralkom­itees für wirtschaft­liche Angelegenh­eiten.

Und doch lässt das veröffentl­ichte Kommuniqué des Fünfjahres­plans keinen Zweifel daran, dass eine Öffnung für China auf politische­r Ebene weiter entfernt denn je erscheint: Für den Machtpolit­iker und auf Lebenszeit ernannten Staatschef Xi Jinping genießt die innere Sicherheit und die Herrschaft der Partei immer die höchste Priorität.

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