Guenzburger Zeitung

Kein Kölsch mehr für Merkel

Die bekannte Berliner Kneipe „Ständige Vertretung“verhängt ein Hausverbot gegen die Kanzlerin und andere Spitzenpol­itiker. Aus Ärger über deren Corona-Kurs

- VON DANIEL WIRSCHING

Berlin Wo Politik gemacht wird, gibt es auch Kneipen. Da gibt es die berühmten Hinterzimm­er. Da gibt es mehr oder minder vertraulic­he Treffen von Politikern untereinan­der oder von Politikern mit Journalist­en. Ist ja auch netter, sich bei einem Glas Wein oder Bier und einem guten Essen zu treffen, als in einem der 18-Quadratmet­er-StandardAb­geordneten­büros im Berliner Regierungs­viertel.

Die Berliner Politiker-Kneipen, -Cafés und -Restaurant­s haben es dabei selbst zu einem gewissen Ruhm gebracht, sind Teil geworden von Film und (Pop-)Literatur. Und natürlich von ungezählte­n Zeitungsar­tikeln. Allen voran das Borchardt, das Café Einstein – und die Ständige Vertretung. Die macht gerade Schlagzeil­en, weil sie gegen Spitzenpol­itiker ein Hausverbot verhängt hat. Später mehr dazu.

Die Politiker-Lokalitäte­n jedenfalls wurden zu irgendwie legendären außerparla­mentarisch­en Orten, dienen in Berichten als Kulisse oder sprechende­s Detail. Wie kürzlich in einem Stück über den CDU-Parteivors­itz-Kandidaten Friedrich Merz.

Mit dem trafen sich einer oder mehrere Journalist­en der Süddeutsch­en Zeitung – ausgerechn­et – im Berliner Restaurant Machiavell­i. Nachdem Merz sich über „Teile des Parteiesta­blishments“öffentlich aufgeregt hatte, die ihn als CDUChef angeblich verhindern wollen. Ein passendere­r Ort hätte sich kaum finden lassen für ein Gespräch über politische Machtspiel­e: Der Name des einstigen italienisc­hen Philosophe­n Machiavell­i werde, weiß das Online-Lexikon Wikipedia, „heute häufig mit rücksichts­loser Machtpolit­ik unter Ausnutzung aller Mittel verbunden“.

Damit zurück zur Ständigen Vertretung und ihrer Machtpolit­ik. Als Reaktion auf die verordnete Schließung aller Gaststätte­n ab diesem Montag möchte die Berliner Politiker-Kneipe, die auch als „StäV“bekannt ist, Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und weiteren Spitzenpol­itikern kein Kölsch mehr ausschenke­n und kein Eisbein mehr servieren. Auf wen das nun schlimmere Auswirkung­en haben wird, sei dahingeste­llt. Die erneute Zwangsschl­ießung sei eine Katastroph­e für die Gastronomi­e, sagte Geschäftsf­ührer Jörn Peter Brinkmann am Samstag zur Begründung und warf der Bundesregi­erung bei ihrer Corona-Politik Aktionismu­s vor.

In einem Video auf Facebook erklärten er und sein Partner Jan Philipp Bubinger, die Politik habe die Zeit seit April nicht genutzt, um das Land auf eine zweite Corona-Welle vorzuberei­ten. Die StäV, die 1997 von zwei Bonner Gastwirten in Berlin gegründet wurde, habe dagegen aufwendig Vorsorge getroffen, um ihre Gäste zu schützen. Brinkmann rief seine Kollegen in der Gastronomi­e dazu auf, sich dem Hausverbot gegen die Politiker anzuschlie­ßen.

Sein Bann trifft auch Bayerns Ministerpr­äsidenten Markus Söder von der CSU. Ob dem allerdings wirklich so an Kölsch und Eisbein gelegen ist? (mit dpa)

 ?? Fotos: Pedersen, dpa ?? Die Kneipe neben dem Berliner Bahnhof Friedrichs­traße wurde 1997 von Bonner Gastwirten in Berlin gegründet. Merkel und Scholz waren bereits zu Gast.
Fotos: Pedersen, dpa Die Kneipe neben dem Berliner Bahnhof Friedrichs­traße wurde 1997 von Bonner Gastwirten in Berlin gegründet. Merkel und Scholz waren bereits zu Gast.
 ??  ?? Jörn Peter Brinkmann und Jan Philipp Bubinger (rechts) führen die „StäV“.
Jörn Peter Brinkmann und Jan Philipp Bubinger (rechts) führen die „StäV“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany