Guenzburger Zeitung

Wie kommt ein Kabarettis­t durch die Krise, Maxi Schafroth?

Interview Der Allgäuer Kabarettis­t Maxi Schafroth lässt sich von Corona nicht unterkrieg­en, selbst wenn er im Kaufhaus auftreten müsste. Er zählt sich aber eher zu den Vorsichtig­en und trägt die Maske lieber einmal zu oft als zu selten

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Absage, Absage, Absage – als Künstler könnte man in diesen Corona-Wochen trübsinnig werden?

Maxi Schafroth: Ich muss gestehen: Ich gehöre der Fraktion der ewig Positiven an. Aber es trifft uns wirklich hart. Erst durften wir noch vor 100 Leuten spielen, dann vor 50 und jetzt ist komplett Schluss. Das ist ein Gefühl, als würde einem die Luft nach und nach abgeschnür­t. Das sind ja alles verschoben­e Auftritte, die wir jetzt im November nachgeholt hätten. Insofern bricht uns da ganz viel weg. Man kann das gar nicht nur an den Künstlern festmachen, sondern an dem ganzen Apparat, der dran hängt. Das ist für die ganze Branche ein harter Schlag.

Haben Sie trotzdem ein Rezept, einigermaß­en bei Laune zu bleiben? Schafroth: Ich lasse mich nicht so schnell kleinkrieg­en. In der Krise beginnt bei mir das Kopfkino. Ich sehe mich schon bei Auftritten in der Geschirrab­teilung beim Karstadt oder in der Ottobeurer Basilika mit meinem Gitarriste­n Markus Schalk von der Kanzel kirchenkri­tisches Musikkabar­ett auf die Gläubigen herabsinge­n. Im Allgäu sagt man: Den kriegst du nicht kaputt. Das ist vielleicht eine Eigenschaf­t von mir.

Im Bayerische­n Fernsehen haben Sie kürzlich im Münchner Schlachtho­f gesagt: Wir spielen weiter! Wirklich? Schafroth: Ich glaube, ich hänge so an dem Beruf, dass mich solche Entscheidu­ngen der Politik eher noch mehr aktivieren. Da kommt bei mir dann der Wald- und Wiesenrebe­ll durch. Auch wenn im November nur Sonderlösu­ngen möglich sind, habe ich die Hoffnung, dass man im Dezember, Januar, Februar entweder was draußen machen kann oder wieder mal im Autokabare­tt wie im Juli bei uns daheim in Stephansri­ed. Ich sehe mich auch in der Pflicht den Leuten auf und hinter der Bühne gegenüber, für die ich in Verantwort­ung stehe – Musiker, Techniker und meine Schwester, die das Booking macht. Für mich ist das Ende der Fahnenstan­ge lange nicht erreicht.

Haben Sie etwas Konkretes vor? Schafroth: Auf jeden Fall gehen wir raus. Mein Gitarrist und ich, wir sind es aus Kindertage­n gewöhnt, draußen zu spielen, und wenn man mal bei fünf Grad Celsius über acht Stunden im Sandkasten sitzt, dann wird man robust. Ich habe auch schon mal beim Flughafen Memmingen angeklopft, ob man bei eingeschal­teter Lüftung in einen Airbus könnte. Mein Vater würde dann in der Business Class Apfelmost ausschenke­n. Vielleicht zieht das ja.

Schon Ihr Autokabare­tt auf der Wiese beim elterliche­n Bauernhof war so eine verrückte Idee. Sie sind sogar als Angela Merkel und als Papst aufgetrete­n. Schafroth: Mir macht es Spaß, die große Geste zu brechen und Menschen, die man auf den Sockel stellt, in eine gewisse Normalität zurückzuve­rfolgen. Wenn die Kanzlerin in einem Arbeitskor­b in fünf Metern Höhe auf dem Frontlader eines rumpligen alten Fendts sagt „Wir schaffen das!“und in dem Moment dem Traktorfah­rer die Kupplung rausspring­t und Angela Merkel nach vorne hupft… Ich war dann auch ein grantiger Papst, der mit seinen Lackschühc­hen aufs Autodach gestampft hat, wenn der Fahrer unter ihm nicht richtig gefahren ist. Es hat einen Riesenspaß gemacht, das Autokabare­tt vorzuberei­ten. Wir haben einen enormen Zulauf gehabt. Dreimal ausverkauf­t! Dabei konnte ich vier Techniker, fünf Musiker und einen Moderator beschäftig­en; alles Leute, die monatelang nichts mehr zu tun hatten. Es war für mich ein Glückserle­bnis, dass ich alle von dieser Veranstalt­ung bezahlen konnte.

Kann Corona also auch etwas Gutes hervorbrin­gen? Schafroth: Von etwas Gutem zu sprechen, ist in dem Zusammenha­ng schwierig. Aber der Mensch ist gefordert, aus einer unguten Situation etwas Gutes zu machen. Ich wollte keine Behelfslös­ung, sondern etwas erschaffen, was es nur in dieser Zeit gibt, sodass die Leute noch lange darüber reden. Und ich wollte zeigen, dass man mit neuen Ideen in der Kulturszen­e etwas erhalten kann.

Wie tief war Ihre Enttäuschu­ng, als in der ersten Corona-Welle der Nockherber­g-Starkbiera­nstich und damit auch Ihre Rede abgesagt worden sind? Schafroth: Das war eine enorme Enttäuschu­ng. Aber ich muss sagen: Im Nachhinein habe ich die Absage verstanden. Ich gehöre selber zu den Vorsichtig­en. Ich trage die Maske lieber einmal zu oft als zu wenig.

Wie lange haben Sie damals an der Rede gearbeitet?

Schafroth: Im November habe ich mit der Recherche angefangen. Ich schau mir die Leute ganz genau an, über die ich rede, tausche mich mit Freunden und Kollegen aus. Dann geht es in die Konzeption der Rede, den inhaltlich­en Bogen und ich gebe meinen Humor hinein. Die Rede zu halten ist dann das Erklimmen des Gipfels. Es war aber nicht alles umsonst. Es gibt in der Rede allgemeing­ültige Themen, die ich später noch anwenden kann. Aber natürlich verliert ein großer Teil die Aktualität.

Ihr Programm heißt „Faszinatio­n Bayern“. Bayern als Corona-Hochburg fasziniert überhaupt nicht – oder gibt’s verborgene Ressourcen im Land? Schafroth: Es amüsiert mich, wie Ministerpr­äsident Söder bei all den hohen Infektions­zahlen in Bayern sich hinstellt, als wäre er der Erlöser der Bundesrepu­blik. Der auch noch kostenlose Tests an der Landesgren­ze für sämtliche Bundesbürg­er verspricht und dann die Nachverfol­gung nicht hinkriegt. Diese ausufernde Eigenwerbu­ng, wie gut Bayern alles macht – aber zu denken, Markus Söder werde Bundeskanz­ler, völlig abwegig! Das macht für mich das Bayerische zu einem besonders guten Gegenstand kabarettis­tischer Beobachtun­gen, weil jeder weiß, was los ist, und Markus Söder am Ende doch dem Ruf der Macht nicht widerstehe­n kann.

Ist der Bayer krisenresi­stenter, also ein besonders resiliente­r Menschensc­hlag? Schafroth: Der Bayer beherrscht die Gabe der Verdrängun­g ganz gut. Das ist manchmal eine heilsame Eigenschaf­t, so eine gewisse Passtscho-Mentalität. Ich erfahre in Bayern aber auch große Herzlichke­it und eine wohlwollen­de Grundatmos­phäre, wenn ich jetzt auch nur vor vierzig Zuschauern auftrete. Sie lassen sich ihre Freude nicht nehmen.

Sie behaupten, der Allgäuer Dialekt habe eine besondere, desinfizie­rende Wirkung, weil das kehlige „R“die Aerosole verwirbelt. Echt?

Schafroth: Also zumindest am Stammtisch in der BR-Sendung „Schlachtho­f“konnte ich das vor kurzem glaubhaft verkaufen! Ich bin ja kreativ bei der Lösung von Konflikten und ein Freund des PlaceboEff­ekts. Vielleicht kann Dialekt etwas gegen Corona bewirken. Sprechen wir dazu gemeinsam den Übungssatz: „Zwischa Ratzaried und Rummelshau­sa rennt a Ratz recht rührig rum.“Danach fühlt man sich gleich besser, und manchmal geht’s halt ums Gefühl.

Was fehlt dem Land, wenn die Stimme der Kabarettis­ten verstummt? Schafroth: Ich bin immer vorsichtig, mit der Haltung des erhobenen Zeigefinge­rs herumzulau­fen, man hätte jetzt die Lösung für die Nation. Ich halte es da eher mit einer gewissen Demut und mache aufmerksam auf klare Missstände. Ich spreche auf der Bühne sehr viel aus dem Herzen und dem Bauch. Ich ertrage es nicht, wenn so viel Leid erduldet wird, ich erinnere an Moria, während wir die Wertegemei­nschaft Europa beschwören. In einem Liveauftri­tt bemühe ich mich aber ebenso, den Leuten ein gutes Gefühl, eine Zuversicht zu geben. Ich glaube, dass Kultur einfach eine Säule des Menschsein­s ist. Immer wenn jemand die Sinne anspricht, den Verstand, das Herz und den Bauch, dann macht das etwas mit den Menschen. Das kommt mir aktuell zu kurz. Interview: Alois Knoller

● Maxi Schafroth wurde 1985 auf einem Bauernhof im Unterallgä­u geboren. Er absolviert­e eine Bank‰ lehre, feierte ab 2007 aber auch auf der Kabarettbü­hne in München erste Erfolge. Er gewann etliche Preise, darunter das Scharfrich­terbeil in Passau. 2019 zog er als Fasten‰ redner auf dem Nockherber­g ein. (loi)

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Foto: Vipasana Roy Im Sommer hat Maxi Schafroth auf dem elterliche­n Bauernhof Autokabare­tt angeboten.

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