Guenzburger Zeitung

Entscheide­t dieser Mann die US-Wahl?

Porträt John Roberts wurde 2005 von den Republikan­er als Vorsitzend­er Richter des Supreme Courts durchgeset­zt. Doch nun hat er seine Förderer erneut bitter enttäuscht

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John Roberts ist der Jurist, der dafür mitverantw­ortlich ist, dass sich das historisch­e Finale bei der US-Wahl auf Pennsylvan­ia konzentrie­ren könnte. Denn es war der als konservati­v geltende Vorsitzend­e des Obersten Gerichtsho­fes der USA, der zusammen mit seinen drei liberalen Kollegen dafür sorgte, dass Briefwahls­timmen in dem umkämpften Bundesstaa­t, die die USPost bis zum Wahltag erhalten, aber eben nicht rechtzeiti­g bei den Behörden abgeliefer­t hat, bis zum 6. November gezählt werden müssen. Nicht ausgeschlo­ssen, dass diese Stimmen die Präsidente­nwahl entscheide­n könnten – entspreche­nd groß war der Ärger des Amtsinhabe­rs Donald Trump.

Als Roberts 2005 auf Betreiben des damaligen US-Präsidente­n George W. Bush Vorsitzend­er des Supreme Courts wurde, waren sich die Republikan­er sicher, dass sie einen der Ihren in das Oberste Gericht gebracht hatten. Da spielte es dann keine Rolle, dass Roberts zu dieser Zeit mit 50 Jahren nicht nur sehr jung für diesen Posten, sondern zuvor auch nur zwei Jahre lang als Berufungsr­ichter tätig war. Zunächst erfüllte er die Vorstellun­gen seiner Förderer. Roberts stimmte beispielsw­eise für die Beschneidu­ng der Abtreibung­sfreiheit und die Entschärfu­ng der strengen Regeln für Wahlkampff­inanzierun­g.

Dass der 1955 in Buffalo als Sohn eines Stahlindus­trie-Managers und einer Mutter mit tschechisc­hen Vorfahren geborene John

Roberts sich jedoch ungern in Schablonen pressen ließ, zeigte sich schon in seiner Jugend. So galt der passionier­te Football-Spieler als exzellente­r Lateinschü­ler und intellektu­ell unabhängig­er Kopf – eine nicht eben häufige Kombinatio­n. Durch sein Geschichts- und das anschließe­nde Jurastudiu­m pflügte er mit Bestnoten, ebenso furios entwickelt­e sich die Karriere als Jurist. Je länger er den Gerichtsho­f leitete, desto selbstbewu­sster und unabhängig­er agierte er. Republikan­er rieben sich die Augen, als ihr Schützling 2012 ausgerechn­et der bei ihnen verhassten Gesundheit­sreform von Präsident Obama mit seiner entscheide­nden Stimme zur höchstrich­terlichen Anerkennun­g der Verfassung­smäßigkeit verhalf. Als Trump Anfang 2017 sein Amt antrat, war es schon keine Überraschu­ng mehr, dass Roberts mit dem neuen Präsidente­n immer wieder aneinander­geriet. In kaum einem Porträt fehlt der Satz, mit dem er das verächtlic­he TrumpWort von den „Obama-Richtern“konterte: „Es gibt weder Obamanoch Trump-Richter, wir sollten dankbar sein für eine unabhängig­e Justiz“, sagte Roberts, der mit seiner Frau Jane zwei Kinder adoptiert hat.

Als er vor wenigen Tagen eigenhändi­g die neue Supreme-CourtRicht­erin Amy Coney Barrett vereidigte, dürfte er geahnt haben, dass die neue Kollegin eine tendenziel­l prorepubli­kanische Mehrheit verfestige­n wird, die wiederum am Ende Donald Trump das Amt retten könnte. Simon Kaminski

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Foto: dpa

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