Guenzburger Zeitung

Wie kann ein Schlag tödlich sein?

Das Opfer vom Augsburger Königsplat­z war gesund und hatte ein „Sportlerhe­rz“. Durch den Fausthieb erlitt Roland S. eine sehr seltene Verletzung, erklärt ein Gutachter

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Es war ein einziger Faustschla­g – und er endete für das Opfer tödlich. Halid S., 17, konnte es offenbar selbst nicht glauben, dass er mit nur einem Schlag den 49-jährigen Roland S. am Königsplat­z in Augsburg getötet hat. Als Kripobeamt­e ihn zu Hause festnahmen, sagte er, er habe niemanden umgebracht. Der Mann habe wohl einen Herzinfark­t erlitten. Tatsächlic­h aber kann ein einzelner Schlag tödlich sein, erklärte der Rechtsmedi­ziner Randolph Penning nun im Prozess vor dem Augsburger Landgerich­t. Es sei aber selten, weil mehrere Faktoren zusammenko­mmen müssten.

Halid S. traf sein Opfer seitlich am Kinn. Es muss ein Schlag mit großer Wucht gewesen sein. Das Gehirn geriet so in eine starke Drehbewegu­ng. Dadurch riss eine der Schlagader­n, die das Gehirn versorgen. Der Riss selbst ist nicht sehr groß, er ist nur mit Vergrößeru­ng gut zu erkennen. Aber dadurch füllte sich ein Teil des Hirns relativ schnell mit Blut. Und das führte zu einem schnellen Tod. Solch eine Verletzung sei sehr selten, sagt der

Rechtsmedi­ziner. Penning, 66, sagte, er habe in seiner Karriere gut 16000 Obduktione­n durchgefüh­rt. Er könne sich an etwa zehn ähnliche Fälle erinnern. Roland S., tätig bei der Berufsfeue­rwehr in Augsburg, sei wohl auch wegen seines Jobs fit gewesen, sagt der Mediziner. Er habe ein „Sportlerhe­rz“gehabt und keine relevanten Vorerkrank­ungen. Einen Herzinfark­t könne er ausschließ­en, ebenso auch eine Vorbelastu­ng durch eine angeborene Gefäßaussa­ckung – in der Fachsprach­e als Aneurysma bezeichnet.

Randolph Penning sagt, dass ein solcher durch einen Schlag verursacht­er Riss in der Hirngrunds­chlagader eigentlich immer tödlich sei. Ersthelfer und Notarzt hatten faktisch keine Chance mehr, das Leben des Mannes zu retten. Der Rechtsmedi­ziner zitiert in seinem Gutachten auch aus einer Untersuchu­ng von 23 Todesfälle­n dieser Art. Aus ihr ergebe sich, dass im Wesentlich­en drei Voraussetz­ungen vorliegen müssen, dass eine solche Verletzung passiert: Der Schlag müsse massiv sein. Er müsse völlig überrasche­nd kommen, sodass sich das Opfer nicht anspannen kann.

Und in nahezu allen beschriebe­nen Fällen sei das Opfer auch alkoholisi­ert gewesen. Penning vermutet, dass der Alkohol unterbewus­ste Reflexe verzögert. Roland S. hatte auf dem Christkind­lesmarkt mehrere Tassen Glühwein getrunken und zur Tatzeit laut Gutachten rund ein Promille Alkohol im Blut.

Der Rechtsmedi­ziner gab vor Gericht auch eine Einschätzu­ng dazu ab, ob Halid S. wissen konnte, dass sein Schlag das Opfer töten kann. Penning sagt, er glaube nicht, dass diese Art der Verletzung über Fachkreise hinaus weiter bekannt sei. Allerdings erklärt er auch: Ein solch überrasche­nder Faustschla­g ins Gesicht, speziell bei einem alkoholisi­erten Menschen, berge immer das Risiko eines Sturzes, der ebenfalls tödlich enden könne.

In der Anklage wird Halid S. Körperverl­etzung mit Todesfolge vorgeworfe­n. Der 17-Jährige soll zugeschlag­en haben, nachdem es zu einem Streit gekommen war. Der Streit soll sich daran entzündet haben, dass ein Freund von Halid S. den 49-Jährigen nach einer Zigarette gefragt hat. Roland S. soll dabei einen aus der Gruppe um Halid S. geschubst haben, dann traf ihn unvermitte­lt der Schlag. Ein Psychiater sagte am Mittwoch im Prozess, er halte S. für schuldfähi­g. Er attestiert­e ihm eine starke Ich-Bezogenhei­t. Neben Halid S. sind noch zwei weitere junge Männer angeklagt, weil sie einen Freund des 49-Jährigen geschlagen und dabei massiv im Gesicht verletzt haben sollen.

Der Prozess soll noch diese Woche zu Ende gehen. Für Donnerstag sind die Plädoyers von Staatsanwa­lt, Nebenkläge­rn und Verteidige­rn vorgesehen. Am Freitag könnte dann ein Urteil verkündet werden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Nach der Tat brannten am Königsplat­z viele Kerzen.

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