60 Jahre Meister
Der Leipheimer Friseur Eugen Christoph hat heute vor genau sechs Jahrzehnten seine Meisterprüfung bestanden. Was sich in dem Beruf verändert hat und woran er sich gern erinnert
Leipheim Eugen Christoph hat im Laufe seines mittlerweile 82-jährigen Lebens viele kuriose Gegenstände gesammelt. So viele, dass er neben seinem Friseursalon in Leipheim ein kleines Museum eingerichtet hat. Dort kann man alte Wickler bestaunen, mit denen man vor vielen Jahren Dauerwellen gelegt hat, Kämme und kleine Eier aus Elfenbein, mit denen im 18. Jahrhundert Läuse gefangen wurden. Doch heute geht es nicht um die Sammelleidenschaft des Wahl-Leipheimers, sondern um ein besonders Jubiläum. Denn vor 60 Jahren hat der Friseur in Würzburg seine Meisterprüfung abgelegt. Er erzählt, was sich seitdem alles verändert hat und worauf er gerne zurückblickt.
Der 82-Jährige ist am 19. Oktober 1938 in München geboren. Kurz danach zogen seine Eltern mit ihm und seinen beiden älteren Geschwistern in die Nähe von Bad Kissingen in Franken. Wegen der ständigen Bombenalarme in München, wie Christoph erklärt.
Nach seinem Schulabschluss wollte Christoph zunächst eigentlich Uhrmacher werden, doch es gab keine freien Ausbildungsstellen in der Umgebung. Also bewarb er sich auf eine Ausbildung zum Friseur und trat damit in die Fußstapfen seines Vaters. Etwa 50 Kilometer von seinem Heimatort entfernt bekam er 1952 eine Lehrstelle. Entlohnt wurde er mit Kost und Logis bei seinem Meister, Geld bekam er keines, obwohl ihm pro Woche 50 Pfennig zugestanden hätten. Zwei Jahre später, als 16-Jähriger, lernte er seine heutige Frau Else kennen. „Meine erste und einzige Liebe“, wie er heute sagt. 1955 beendete er seine Ausbildung, ging dann für kurze Zeit nach Bonn, wo er als Gehilfe bei einem Friseurmeister arbeitete, kam dann jedoch wieder zurück nach Franken. Am 6. Oktober 1960 legte Christoph erfolgreich seine Meisterprüfung ab – vor genau 60 Jahren. Wird das gefeiert? Er winkt ab. „Ich feiere keine Jubiläen. Das Letzte, was ich groß gefeiert habe, war mein 50. Geburtstag.“
Trotzdem blickt er gern auf alte Zeiten zurück. Damals seien die Arbeitszeiten noch deutlich länger gewesen als heute. So arbeitete er samstags bis Mitternacht. „Da sind dann die Männer aus den Wirtschaften gekommen und haben sich rasieren und mit Kölnisch Wasser einsprühen lassen. Damit sie mit der Frau daheim gut Wetter machen können“, erzählt Christoph und lacht. Auch die Zeit in den Achtzi
gern und Neunzigern, als die Soldaten noch regelmäßig vom Flugplatz in Leipheim und aus der Kaserne in Günzburg in seinen Laden gekommen seien, sei ihm besonders positiv in Erinnerung geblieben.
Dass Christoph nach Leipheim kam, war Zufall. 1961 eröffnete er seinen ersten eigenen Friseursalon in Bernheim in Franken, wollte jedoch bald etwas Größeres. Er inserierte in Fachzeitschriften und fand das Friseurgeschäft in Leipheim. 1964 eröffnete er dann sein Geschäft „Christoph der Friseur“.
„Das war der größte Ort, in dem ich etwas gefunden habe. Und noch dazu ein Haus mit Garten, ich hatte ja zu der Zeit schon Kinder“, erklärt er. Drei Kinder und fünf Enkel hat er insgesamt. Seit August ist Christoph außerdem Urgroßvater. Nur seine älteste Tochter ist ebenfalls Friseurin geworden und betreibt ein
Geschäft in Nürnberg. Und auch seine Frau, eigentlich gelernte Buchbinderin, fing in Leipheim bei ihrem Mann eine Ausbildung an und legte ihre Meisterprüfung in Augsburg ab.
Seit einer Schulterverletzung vor mehreren Jahren kann die heute 80-Jährige ihren Beruf nicht mehr ausüben. Doch Christoph selbst steht mit seinen 82 Jahren immer noch jeden Freitag und Samstag in seinem Laden und bedient seine Kunden.
Auch sein Friseursalon in Leipheim ist von der Pandemie getroffen worden. Eine solche Krise habe er noch nicht erlebt, sagt Christoph. „In der ersten Woche habe ich meine Angestellten in den Urlaub geschickt und dann kam die Kurzarbeit.“Als das Geschäft im Mai wieder öffnen durfte, sei dann das andere Extrem gekommen. Viele Leute wollten nach der sechswöchigen Pause dringend wieder einen Haarschnitt, Christoph hatte fast doppelt so viel Umsatz wie sonst. Lange hätte man einen solchen Zustand nicht ertragen können, nicht einmal zum Essen sei man vor lauter Arbeit noch gekommen. „Ich habe aber auch einige Kunden verloren, die sich geweigert haben, einen Mundschutz zu tragen.“Doch Vorschrift ist Vorschrift.
Aktuell arbeiten insgesamt vier Angestellte bei „Christoph der Friseur“. In guten Zeiten waren es auch schon zwölf. „Niemand will heute noch Friseur werden“, sagt der Meister schulterzuckend. Darum könne er seinen Laden auch niemandem übergeben. „Ich sage zu meinen Angestellten immer, ich arbeite, bis ich hundert bin“, erzählt er und lacht.