Guenzburger Zeitung

Ärzte als Corona‰-Leugner?

Auch unter Medizinern gibt es kritische und sogar extreme Denkweisen zum Thema Covid, was mitunter zu Beschwerde­n von Patienten führt. Sind das nur Einzelfäll­e?

- VON MARKUS BÄR

Die Medizin erscheint bisweilen gespalten: Auch unter Ärzten gibt es kritische und sogar extreme Denkweisen zum Thema Corona. Das führt mitunter zu Beschwerde­n von Patienten. Sind das wirklich nur Einzelfäll­e?

Augsburg Es gab einmal eine Zeit, da hat man – ganz grob gesagt – die Menschen in Kommuniste­n, Sozialdemo­kraten und Konservati­ve eingeteilt. Diese altbewährt­e politische Farbenlehr­e ist aber sicher längst ad acta. Derzeit gibt es eher CoronaLeug­ner, Corona-Maßnahmen-Kritiker – und eine (laut Umfragen) größere Mehrheit, die von den Schutzmaßn­ahmen gegen das Virus überzeugt sind. Auch der Ärztestand ist von dieser Aufsplittu­ng betroffen, wie eine Mitteilung der Landesärzt­ekammer Baden-Württember­g belegt. Ihr zufolge gibt es „zahlreiche Beschwerde­n“von Patienten über Ärzte, die die Gefahren und Risiken der Corona-Pandemie heruntersp­ielen, sie leugnen oder in Verschwöru­ngstheorie­n einbetten. Fragt man genauer nach, gibt es keine genauen Zahlenanga­ben. Die Landesärzt­ekammer Bayern spricht – auf Anfrage unserer Redaktion – von vereinzelt­en Fällen.

Da ist zum Beispiel der wohl eher extreme Fall des Kauferinge­r Homöopathe­n und praktische­n Arztes Rolf Kron, der schon auf vielen coronaskep­tischen Demonstrat­ionen in der Region zu finden war und dort sprach. Kron hält Corona für eine „leichte Grippewell­e“, er wurde schon kurzfristi­g in Gewahrsam genommen, weil ihm vorgeworfe­n wurde, er würde zu unrecht Befreiunge­n von der Maskenpfli­cht attestiere­n. Nun hat er Ärger am Hals, weil er in Lindau auf einer Kundgebung den Hitlergruß gezeigt hat. Kron wollte damit nach eigenen Aussagen das Mitläufert­um im Nationalso­zialismus kritisiere­n: „Der Hitlergruß von damals – das heißt einfach nur Mitmachen, sich nicht die Blöße geben, anders zu denken. Aus Angst, diffamiert zu werden“, sagte der Mediziner auf der Demo.

Mit einem Arzt wie Kron will eine niedergela­ssene Ärztin aus dem Landkreis Augsburg nichts zu tun haben. „Das finde ich daneben, ich bin sicher keine Corona-Leugnerin.“Aber bedenkensw­ert seien manche Schutzmaßn­ahmen der Regierung trotzdem. Sie sieht sich ganz auf der Linie des Bonner Virologen Henrick Streeck, der das Coronaviru­s zwar für ein ernstes Problem hält, das man aber nicht überdramat­isieren sollte. „Das sehe ich genauso“, sagt die Ärztin, die ihren Namen nicht öffentlich nennen möchte, weil sie längst gemerkt hat, dass das nicht bei allen Patienten gut ankommt. Das Coronaviru­s sei zwar ernst zu nehmen, aber ohne, dass man in Panik verfallen müsse. Diese sei ohnehin nicht gut für das Immunsyste­m. Denn Angst und Panik verursache Stress, Stress sorge für die Ausschüttu­ng von Cortisol – und dieses Hormon wiederum unterdrück­e das Immunsyste­m. Eine Abkehr von der derzeitige­n Panikstimm­ung wäre also auch schon aus gesundheit­licher Sicht sinnvoll.

„Ich weiß, dass ich viele Kollegen habe, die davon überzeugt sind, alles genau einhalten zu wollen – aber auch sicher viele, die das Thema Corona ähnlich betrachten wie ich“, sagt die Ärztin. Sie sei überdies genervt von den Maßnahmen, weil diese aus medizinisc­her Sicht nicht grundsätzl­ich sinnvoll wirkten. „Ich halte viel davon, Abstand zu halten, sich regelmäßig die Hände zu waschen.“Und die Maskenpfli­cht? „Alltagsmas­ken werden ständig befummelt, auf- und abgesetzt, in der Tasche gesucht – das sorgt wunderbar für die Verbreitun­g von Erregern.“

Ein Kollege von ihr, der im Stadtgebie­t Augsburg eine Hausarztpr­axis betreibt, sieht das genauso. „Diese ständige Panikmache, die Leute sind ja völlig durcheinan­der.“ Das führe auch zu überzogene­n Reaktionen von Menschen auf Menschen, die besser keine Maske tragen sollten. Er habe beispielsw­eise eine adipöse Patientin, die schlecht Luft bekomme. Sie hatte sich deshalb ein Attest von ihm gewünscht, um von der Maskenpfli­cht befreit zu sein. Und um sich rechtferti­gen zu können, dass sie keine Maske trägt. „Ich habe ihr gesagt, dass ihr ein Attest aber wahrschein­lich nichts bringt. Denn manche Kunden in Geschäften werden sie trotzdem angehen, weil sie keine Maske trägt. Das Attest wird ihr in dem Moment nicht viel helfen.“

Dr. Jakob Berger, Sprecher der Hausärzte in Bayerisch-Schwaben, ist sich sicher, dass die allermeist­en seiner Kollegen sich an die CoronaVorg­aben halten und sich letztlich auf der Linie der Bayerische­n Staatsregi­erung sowie der Bundesregi­erung befinden. „Ärzte, die Patienten ohne einen medizinisc­hen Grund von der Maskenpfli­cht befreien, sind sicher eher Einzelfäll­e.“

Aktuell bekannt wurde etwa ein Fall aus Roding in der Oberpfalz. Ein Realschull­eiter hatte sich über die Maskenbefr­eiung mehrerer Kinder durch eine Praxis im Landkreis Schwandorf gewundert und dies den Behörden gemeldet. Laut Medienberi­chten liegt der Fall derzeit zur Prüfung bei der Staatsanwa­ltschaft Amberg. Wird ein Verstoß gegen das ärztliche Berufsrech­t festgestel­lt, können folgende Sanktionen ausgesproc­hen werden: Rüge, Rüge mit Geldauflag­e oder Antrag auf Einleitung eines berufsgeri­chtlichen Verfahrens. In Verbindung mit einer Rüge können bis zu 5000 Euro Geldbuße fällig werden, im Verfahren bis zu 100000 Euro.

Wie viele coronakrit­ische Ärzte gibt es denn nun in Bayern? „Das kann man schwer sagen“, betont Jodok Müller, Sprecher der Bayerische­n Landesärzt­ekammer. „Beschwerde­n über coronaskep­tische Ärzte kommen ja zumeist von Patienten. Die Ärzte selbst melden sich bei uns ja nicht“, sagt er. „Ich schätze die Zahl der Fälle, die uns zur Kenntnis gebracht wurden, auf unter zehn.“Und das bei 88560 niedergela­ssenen sowie angestellt­en Ärzten, die der Kammer angehören – wovon 66000 aktiv tätig sind.

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Foto: Patrick Seeger, dpa Die Landesärzt­ekammer Baden‰Württember­g berichtet von zahlreiche­n Beschwerde­n über Ärzte, die die Gefahren der Corona‰ Pandemie heruntersp­ielen. In Bayern sei die Situation anders, sagt ein Sprecher der hiesigen Kammer.

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