Guenzburger Zeitung

Von der Second Lady zur First Lady

Als Frau des kommenden US-Präsidente­n stellt Jill Biden einen Kontrast zur Trump-Ära dar. Die 69-Jährige gilt als einflussre­iche politische Beraterin ihres Mannes

- Michael Pohl

Ausgerechn­et am „SuperDiens­tag“, dem entscheide­nden Tag der amerikanis­chen Präsidents­chaftskand­idaten– Vorwahlen, stahl Jill Biden ihrem Mann die Schau: Während Joe Biden seine Wahlkampfr­ede hielt, versuchten zwei militante Veganerinn­en die Bühne zu stürmen: Die promoviert­e Lehrerin zeigte ihre jahrzehnte­lang geübte Autorität und stoppte die jungen Protestler­innen. Joe Biden scherzte: „Ich bin wahrschein­lich der einzige Präsidents­chaftsbewe­rber, dessen Ehefrau gleichzeit­ig der Secret Service ist.“

Tatsächlic­h spielt die 69-Jährige eine extrem wichtige Rolle im Leben des ehemaligen Vizepräsid­enten. „Ich bin der Ehemann von Jill Biden“, stellte sich der acht Jahre ältere Demokrat schon als Vizepräsid­ent unzählige Male in Reden dem Publikum vor. Vertraute der Bidens sagen, für Joe sei Jill die letzte Instanz, wenn es um politische­n Rat gehe und sie habe dabei mindestens so viel Einfluss wie Ex-Präsident Barack Obama. Die New York Times nannte Jill „den größten Champion“ihres Mannes.

Vielleicht geht es heute vielen mit Joe Biden so, wie damals der jungen Studentin im März 1975, als sie ihren späteren Mann das erste Mal sah. Bidens Bruder Frank hatte das „Blind Date“eingefädel­t, um den jungen Senator zu verkuppeln, der mit seiner tragischen Lebensgesc­hichte nach dem Unfalltod seiner Frau und kleinen Tochter damals traurige Berühmthei­t in ganz Amerika erlangt hatte. Doch als Jill damals in den wilden Siebzigern ihre Tür öffnete und Biden vor ihr stand, dachte sie nur: „Gott sei Dank ist es nur ein Date“, wie sie kürzlich erzählte. Damals habe sie sich nur mit coolen Jungs mit Schlaghose­n und Clogs verabredet und war geschockt, als sie den Blick auf den perfekten Anzug und die polierten Halbschuhe des verwitwete­n Senators von Delaware warf.

Ganze fünf Heiratsant­räge und zwei Jahre brauchte der junge Politiker, bis sich die angehende Lehrerin entschied, den in der Öffentlich­keit stehenden alleinerzi­ehenden Vater zweier Söhne 1977 das JaWort zu geben. Vier Jahre später kam die gemeinsame Tochter Ashley auf die Welt, die heute als ökosozial aktivistis­che Mode-Designerin arbeitet.

Wenn alles glattgeht, wird die frühere „Second Lady“, wie die Vizepräsid­entinnen-Frau in den USA tatsächlic­h genannt wird, „First Lady“. Traditione­ll wird sie nach 43 Jahren Ehe die Bibel halten, wenn Joe Biden im Januar als 46. US-Präsident vereidigt werden soll. Dabei stellt Jill Biden den Gegenentwu­rf zu Vorgängeri­n Melania Trump dar, bei der sich das Medieninte­resse nur darauf richtete, ob sie ein Kleid von Gucci oder Ralph Lauren trug. „Dr. Biden“, wie US-Medien Jill zur Unterschei­dung von „Mr. Biden“nennen, hat sich dagegen bei den Demokraten einen Namen als scharfzüng­ige Wahlkämpfe­rin gegen die Lügen und Angriffe Donald Trumps gemacht. „Diese Wahl ist eine Abstimmung über Charakter“, lautete ihr Slogan.

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Foto: dpa Foto: dpa

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