Guenzburger Zeitung

Sechs Dinge, die sich jetzt ändern werden

Die Erwartunge­n an den nächsten Präsidente­n der USA sind gewaltig. Nicht alle wird er erfüllen können. Doch bei wichtigen Aspekten steht Joe Biden für einen Politikwec­hsel

- VON MARGIT HUFNAGEL

Washington Wenn Joe Biden am 20. Januar 2021 als 46. Präsident der Vereinigte­n Staaten vereidigt wird, bricht in vielerlei Hinsicht eine neue Ära an – und das, obwohl der 77-Jährige seit Jahrzehnte­n zum politische­n Establishm­ent in Washington gehört. Er steht für einen grundlegen­den Politikwec­hsel, der viele Regierunge­n inder ganzen Welt aufatmen lässt. Ein Überblick.

Allianzen bekommen wieder eine Bedeutung Noch heute hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel eine enge Bindung an den früheren USPräsiden­ten Barack Obama. Bei allen Differenze­n, die auch zwischen ihnen zutage traten, waren sie sich einer Sache doch immer sicher: ihres gegenseiti­gen Respekts. Seit Donald Trump ins Weiße Haus eingezogen ist, waren alle politische­n und diplomatis­chen Drähte gekappt. Vom geplanten US-Truppenabz­ug erfuhr die Bundesregi­erung aus den Medien. Sprachlos starrte man aus Berlin in Richtung Washington und musste beobachten, dass statt Partnersch­aft Gefolgscha­ft erwartet wurde. Paradox: Ausgerechn­et die USA, deren Status als Supermacht unter anderem dadurch gestützt wurde, dass sie sich überall in der Welt auf den Rückhalt der Alliierten verlassen konnten, brachen alte Verbindung­en ab. Das wird sich unter einem Präsidente­n Joe Biden ändern. Der 77-Jährige ist in Berlin ein guter Bekannter. Als Vizepräsid­ent unter Barack Obama war er mehrfach in Deutschlan­d, versichert­e dort, wie wichtig ihm das transatlan­tische Verhältnis ist. Natürlich kann auch er nicht die neue Machttekto­nik ignorieren: Asien ist zu einem bedeutende­n Akteur in der Weltpoliti­k aufgestieg­en, Europa ringt um seinen eigenen Weg. Doch der Demokrat Biden weiß, dass eine Politik mit Alliierten erfolgreic­her ist als eine Politik, die sich von Gegnern umzingelt fühlt. Anders als der Nationalis­t Trump bekennt sich Biden zur internatio­nalen Zusammenar­beit und respektier­t Institutio­nen wie die Vereinten Nationen oder die Weltgesund­heitsorgan­isation.

Der Ton wird sich ändern Er fluchte öffentlich, belegte seine politische­n Gegner mit absurden Schmähname­n, pfiff auf diplomatis­che Gepflogenh­eiten – wohl wenig wurde in den vergangene­n vier Jahren fassungslo­ser kommentier­t als die verbalen Ausfälle von Donald Trump. Noch in den letzten Stunden hetzte er auf Twitter, ließ seinen Sohn den „totalen Krieg“ausrufen. Währenddes­sen mahnte Joe Biden die Amerikaner zu Geduld und versprach, die Gräben in den USA wieder zuschütten zu wollen. Biden ist seit Jahrzehnte­n in der Politik, er kennt die Gepflogenh­eiten, weiß, wie er seine Interessen durchsetzt, ohne dabei in ein verbales Gemetzel zu verfallen. Wahr ist: Joe Biden ist kein charismati­scher Redner – mitreißend­e Auftritte wie von Barack Obama wird man von ihm nicht erwarten können. Doch im persönlich­en Umgang kann er Herzen gewinnen. „Wir sind fertig mit dem Chaos, den Tweets, der Wut, dem Hass, dem Versagen, der Weigerung, jegliche Verantwort­ung zu übernehmen“, sagte er im Wahlkampf. „Jeder weiß, wer Donald Trump ist. Lasst uns zeigen, wer wir sind.“Biden wird versuchen müssen, dem Amt des US-Präsidente­n seine Würde zurückzuge­ben.

Die Welt wird auf die Vizepräsi‰ dentin schauen Sie spielen normalerwe­ise eine Nebenrolle in der US-Politik. Vizepräsid­entschafts­kandidaten sollen im Wahlkampf Wählergrup­pen ansprechen, an die der Präsidents­chaftskand­idat selbst nicht herankommt. Das war auch bei Kamala Harris so. Doch schon ihre Nominierun­g war ein historisch­er Schritt: Sie wird die erste schwarze Vizepräsid­entin. Seiner Partei hat Joe Biden damit einen großen Dienst erwiesen. Denn auch wenn der 77-Jährige jetzt zum Präsidente­n gewählt wurde, so glauben doch viele Experten nicht daran, dass er volle vier Jahre in diesem Amt bleiben wird. Das Gedankensp­iel: Nach zwei Jahren könnte er abdanken, das Weiße Haus an Harris übergeben – die damit die erste schwarze Frau an der Spitze wäre. Sie ist also die eigentlich­e Hoffnungst­rägerin dieser Biden-Präsidents­chaft. Für die Demokraten könnte sie die so wichtige Wählergrup­pe der Schwarzen mobilisier­en. Biden beschreibt Harris als „furchtlose Kämpferin“. Die 56-jährige Harris wird in den nächsten Jahren genau beobachtet werden.

Der Klimawande­l wird nicht länger geleugnet Just am Tag der USWahl traten die USA aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen aus. Für Donald Trump war das Dokument nichts anderes als eine gigantisch­e Job-Vernichtun­gsmaschine. Er leugnete den Klimawande­l, verspottet­e Klimaaktiv­istin Greta Thunberg, stellte wirtschaft­liche Belange über alles andere. Präsident Trump hat erhebliche Teile der Umweltund Klimaschut­zpolitik rückgängig gemacht – 164 solcher Deregulier­ungs-Schritte hat etwa die Columbia Law School in New York gezählt. Joe Biden versprach, dass es eine seiner ersten Amtshandlu­ngen sein wird, dem Klimaabkom­men wieder beizutrete­n. Im zweiten TVDuell vor der Wahl sagte er zudem, dass er das Land auf lange Sicht aus der Abhängigke­it von fossilen Brennstoff­en führen und stattdesse­n stärker auf erneuerbar­e Energien setzen wolle. Damit nahm er in Kauf, dass ihm Wählerschi­chten, die in der Öl- und Gasindustr­ie arbeiten, ihre Unterstütz­ung verwehren.

Soziales wird eine größere Rolle spielen Es war einer der größten Erfolge von US-Präsident Donald Trump – er setzte eine umfassende Steuerrefo­rm durch. Davon profitiert­en zwar durchaus auch Geringverd­iener, doch die größte Erleichter­ung verschafft­e er den Reichen. Joe Biden hat angekündig­t, die von Trump gesenkte Unternehme­nssteuer von 21 auf 28 Prozent anzuheben. Für Normalbürg­er - oder das, was er dafür hält - will er die Steuern hingegen nicht anheben: „Wer weniger als 400 000 Dollar pro Jahr verdient, bezahlt keinen Cent mehr“, verspricht Biden. Alle, die darüber hinaus verdienen, sollen stärker zur Kasse gebeten werden. Biden hat zudem angekündig­t, die Gesundheit­sversicher­ung „Obamacare“noch auszuweite­n, vor allem für Geringverd­iener. Er will zudem mehr Menschen, die ohne Papiere in den USA leben, den Weg zur Staatsbürg­erschaft öffnen.

Die Corona‰Pandemie wird ernst genommen Präsident Donald Trump infizierte sich zwar selbst mit dem Virus, doch er spielte die gewaltigen Folgen der Pandemie für die USA herunter. 230000 Tote? Offenbar eine Randnotiz. Er selbst fühle sich besser als vor 20 Jahren, tönte Trump nach überstande­ner Erkrankung. Eine Maske trägt er nur selten, Corona bezeichnet er als „China-Virus“– eine politische Zumutung, mehr nicht. Joe Biden hingegen reduzierte im Wahlkampf seine öffentlich­en Auftritte massiv. Beobachter befürchtet­en gar, dass ihm seine mangelnde Präsenz am Ende schaden könnte. Unter ihm werden sich die USA wohl auf ein schärferes Vorgehen im Kampf gegen die Pandemie einstellen müssen. Er kann so etwas wie einen Lockdown zwar rechtlich kaum landesweit vorschreib­en, hofft aber, die Gouverneur­e zu überzeugen. Außerdem plant Biden mehr Tests und einen Ausbau der Maskenprod­uktion in den USA.

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Foto: Rainer Jensen, dpa‰Archiv Comeback guter Beziehunge­n? Vor elf Jahren reagierte Vizepräsid­ent John Biden begeistert auf den Gastauftri­tt von Kanzlerin Angela Merkel als Rednerin im US‰Kongress.

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