Von überschwänglich bis reserviert
Viele Verbündete reagieren erfreut auf den Wechsel im Weißen Haus, Polen und Ungarn jedoch eher verhalten
Wer verstehen will, was dieses Ergebnis für die USA bedeutet, findet Antworten bei CNN-Moderator Van Jones. „Heute ist ein guter Tag. Es ist heute Morgen einfacher, Vater zu sein. Es ist einfacher, deinen Kindern zu sagen, dass Charakter zählt. Dass es zählt, die Wahrheit zu sagen. Dass es zählt, ein guter Mensch zu sein“, sagt der Kommentator unter Tränen.
Van Jones ist schwarz, er war Berater von Barack Obama. Und doch war er nicht von Anfang an ein Trump-Hasser. Nach dessen Antrittsrede im Kongress vor fast vier Jahren gehörte Van Jones zu denen, die daran zu glauben schienen, dass der großspurige, rücksichtslose, aggressive Kandidat Trump sich im
Amt verändern und ein Staatsmann, ein Präsident für alle Amerikaner werden würde. Nun, es kam anders.
Nicht nur in den USA ist die Erleichterung groß, sondern auch bei vielen Verbündeten der Vereinigten Staaten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hofft darauf, dass sich die Beziehungen zwischen Nordamerika und Europa nun wieder verbessern. „Die Führung der USA ist in einer unberechenbaren Welt so wichtig wie eh und je“, sagte er. Trump hatte die Nato in Frage gestellt, Biden hat sich klar zu ihr bekannt. „Während sich die Welt weiter verändert und sich neue Herausforderungen und Möglichkeiten auftun, wird unsere erneuerte Partnerschaft von besonderer Bedeutung sein“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
EU-Ratschef Charles Michel äußerte sich vorsichtiger – wahrscheinlich auch mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Einschätzungen des Wahlergebnisses in den Mitgliedsstaaten. Er verwies darauf, dass der Wahlausgang erst noch durch die Gerichte bestätigt werden müsse. Dennoch gratulierte er Biden und Harris.
Die Gratulation der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo traf vielleicht am besten den Nerv derjenigen Europäer, die auf die Abwahl Trumps gesetzt haben. „Welcome back America!“schrieb sie auf Twitter. Präsident Emmanuel Macron erklärte: „Wir haben viel zu tun, um die heutigen Herausforderungen zu bewältigen. Lasst uns zusammenarbeiten!“
Der polnische Präsident Duda gratulierte Biden lediglich zu seiner „erfolgreichen Präsidentschaftskampagne“. Man warte nun auf die Nominierung durch das Kollegium der Wahlleute, schrieb er. In Polen ist Trump relativ beliebt. Er hat das Land mehrfach besucht und unter anderem die Aufstockung der USTruppen dort zugesagt. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban gratulierte Biden nach Angaben eines Sprecher wie Duda zum erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf: „Zur Bewältigung Ihrer außerordentlich verantwortungsvollen Aufgaben wünsche ich Ihnen gute Gesundheit und fortwährende Erfolge.“Orban hatte sich noch am Freitag in einem Interview die – bislang durch nichts bewiesenen – Anschuldigungen Trumps zu eigen gemacht, wonach das Ergebnis der
US-Wahl auf massivem Wahlbetrug beruhe. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson würdigte die Wahl von Biden und Harris als „historischen Erfolg“. „Die USA sind unser wichtigster Verbündeter“, schrieb er.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der in den vergangenen vier Jahren zu den engsten Verbündeten Trumps gehörte, scheint sich auch mit Biden bereits bestens zu verstehen. „Joe, wir haben seit fast 40 Jahren eine lange und herzliche persönliche Beziehung“, erklärte Netanjahu. Er kenne Biden auch als „großen Freund Israels“und freue sich darauf, mit ihm und Harris zusammenzuarbeiten, „um das besondere Bündnis zwischen den USA und Israel zu vertiefen“, betonte er. (mit dpa)