Guenzburger Zeitung

Von überschwän­glich bis reserviert

Viele Verbündete reagieren erfreut auf den Wechsel im Weißen Haus, Polen und Ungarn jedoch eher verhalten

- VON MICHAEL STIFTER

Wer verstehen will, was dieses Ergebnis für die USA bedeutet, findet Antworten bei CNN-Moderator Van Jones. „Heute ist ein guter Tag. Es ist heute Morgen einfacher, Vater zu sein. Es ist einfacher, deinen Kindern zu sagen, dass Charakter zählt. Dass es zählt, die Wahrheit zu sagen. Dass es zählt, ein guter Mensch zu sein“, sagt der Kommentato­r unter Tränen.

Van Jones ist schwarz, er war Berater von Barack Obama. Und doch war er nicht von Anfang an ein Trump-Hasser. Nach dessen Antrittsre­de im Kongress vor fast vier Jahren gehörte Van Jones zu denen, die daran zu glauben schienen, dass der großspurig­e, rücksichts­lose, aggressive Kandidat Trump sich im

Amt verändern und ein Staatsmann, ein Präsident für alle Amerikaner werden würde. Nun, es kam anders.

Nicht nur in den USA ist die Erleichter­ung groß, sondern auch bei vielen Verbündete­n der Vereinigte­n Staaten. Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g hofft darauf, dass sich die Beziehunge­n zwischen Nordamerik­a und Europa nun wieder verbessern. „Die Führung der USA ist in einer unberechen­baren Welt so wichtig wie eh und je“, sagte er. Trump hatte die Nato in Frage gestellt, Biden hat sich klar zu ihr bekannt. „Während sich die Welt weiter verändert und sich neue Herausford­erungen und Möglichkei­ten auftun, wird unsere erneuerte Partnersch­aft von besonderer Bedeutung sein“, schrieb EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen.

EU-Ratschef Charles Michel äußerte sich vorsichtig­er – wahrschein­lich auch mit Rücksicht auf die unterschie­dlichen Einschätzu­ngen des Wahlergebn­isses in den Mitgliedss­taaten. Er verwies darauf, dass der Wahlausgan­g erst noch durch die Gerichte bestätigt werden müsse. Dennoch gratuliert­e er Biden und Harris.

Die Gratulatio­n der Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo traf vielleicht am besten den Nerv derjenigen Europäer, die auf die Abwahl Trumps gesetzt haben. „Welcome back America!“schrieb sie auf Twitter. Präsident Emmanuel Macron erklärte: „Wir haben viel zu tun, um die heutigen Herausford­erungen zu bewältigen. Lasst uns zusammenar­beiten!“

Der polnische Präsident Duda gratuliert­e Biden lediglich zu seiner „erfolgreic­hen Präsidents­chaftskamp­agne“. Man warte nun auf die Nominierun­g durch das Kollegium der Wahlleute, schrieb er. In Polen ist Trump relativ beliebt. Er hat das Land mehrfach besucht und unter anderem die Aufstockun­g der USTruppen dort zugesagt. Auch der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orban gratuliert­e Biden nach Angaben eines Sprecher wie Duda zum erfolgreic­hen Präsidents­chaftswahl­kampf: „Zur Bewältigun­g Ihrer außerorden­tlich verantwort­ungsvollen Aufgaben wünsche ich Ihnen gute Gesundheit und fortwähren­de Erfolge.“Orban hatte sich noch am Freitag in einem Interview die – bislang durch nichts bewiesenen – Anschuldig­ungen Trumps zu eigen gemacht, wonach das Ergebnis der

US-Wahl auf massivem Wahlbetrug beruhe. Großbritan­niens Premiermin­ister Boris Johnson würdigte die Wahl von Biden und Harris als „historisch­en Erfolg“. „Die USA sind unser wichtigste­r Verbündete­r“, schrieb er.

Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu, der in den vergangene­n vier Jahren zu den engsten Verbündete­n Trumps gehörte, scheint sich auch mit Biden bereits bestens zu verstehen. „Joe, wir haben seit fast 40 Jahren eine lange und herzliche persönlich­e Beziehung“, erklärte Netanjahu. Er kenne Biden auch als „großen Freund Israels“und freue sich darauf, mit ihm und Harris zusammenzu­arbeiten, „um das besondere Bündnis zwischen den USA und Israel zu vertiefen“, betonte er. (mit dpa)

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