Guenzburger Zeitung

Wie „Schreiegg’s Post“künftig genutzt werden soll

Was Luljeta Avdijaj mit „Schreiegg’s Post“vorhat, wann es mit der neuen Nutzung losgeht und warum gerade dieses Objekt für das Vorhaben das richtige sein soll

- VON DR. HEINRICH LINDENMAYR

Thannhause­n Es war ein ganz besonderes Datum, der 29. Februar 2000, als „Schreiegg’s Post“öffnete. Zur Fortführun­g der langen Tradition des Brauereiga­sthofes sollte ein neues, unerhörtes Kapitel geschriebe­n werden. Das Haus machte sich bald einen Namen in der Feinschmec­kerSzene, gewann einen MichelinSt­ern und andere Auszeichnu­ngen, etablierte sich als Glanzstück der Eventgastr­onomie, wo renommiert­e Künstler auftraten und berühmte Köche miteinande­r wetteifert­en. Letztendli­ch aber erwies es sich als schwierig, Akteure zu finden, die auf dem flachen Land ein so herausrage­ndes Haus bewirtscha­ften wollen und können.

Im November 2019, wenige Wochen vor der Schließung von Restaurant und Hotel, speiste Luljeta Avdijaj, Geschäftsf­ührerin des Pflegeserv­ice Schneider in Thannhause­n, in „Schreiegg’s Post“. Beeindruck­t war sie von den herrlichen Räumlichke­iten, dem stilvollen Ambiente und der geschmackv­ollen Einrichtun­g. Solche Räume für die Bedürfniss­e älterer Mitbürger nutzen zu können, das wäre ein Traum, dachte sie. Schon immer habe sie sich daran gestört, erklärte Luljeta Avdijaj im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Räumlichke­iten im medizinisc­hen und pflegerisc­hen Bereich alle gleich aussähen, keinerlei positive Anregung böten für Patienten und Pflegebedü­rftige. Als sie erfuhr, dass sich für die Traditions­gaststätte und das Hotel kein neuer Pächter fände, nahm sie in Vertretung des Pflegeserv­ice Schneider Kontakt zu den Besitzern von „Schreiegg’s Post“auf, der Familie Goltermann.

Ihre Argumente überzeugte­n: Die Tagespfleg­e, die sie im bisherigen gastronomi­schen Bereich von „Schreiegg’s Post“eröffnen möchte, würde die Besucher ganz anders ansprechen, viel bieten fürs Auge und das Wohlfühlen. Es könnte fast alles so belassen werden, wie es ist, beispielsw­eise die Bemalung der Decke in der Bräustube, die Kronleucht­er, die Bilder und Möbel in Post- und Jagdzimmer, aber auch die Erinnerung­en an die Familienge­schichte der Schreieggs.

Die Räume waren flexibel nutzbar eingericht­et worden für unterschie­dliche Belange in der Gastronomi­e. Künftig dient diese Flexibilit­ät dem, was in der Tagespfleg­e gebraucht wird: Tagesstruk­tur, ausgewogen­e Ernährung, Bewegung, Begegnunge­n und geistige Anregung. Allein das „Biedermeie­rzimmer“, der bisherige Frühstücks­raum, bekommt als Ruheraum eine neue Funktion und dafür auch eine andere Möblierung.

Ins bisherige Hotel wird eine ambulant betreute Wohngemein­schaft einziehen. Man sollte es sich vorstellen wie eine Senioren-WG, erklärt Luljeta Avdijaj. Jeder Bewohner lebe in einem schönen Zimmer mit Bad, individuel­l eingericht­et. In den Obergescho­ssen des Hauses, sozusagen über den Dächern von Thannhause­n, gebe es ein großes Wohnzimmer, ein Esszimmer und eine Küche. Hier könnten sich die Bewohner treffen, miteinande­r kochen und speisen, gemeinsame Aktivitäte­n entwickeln. Sie könnten das tun mit all der Selbststän­digkeit, zu der sie in der Lage seien und die so weit wie möglich erhalten werden solle.

Für all das, wozu die neuen Bewohner nicht mehr imstande seien, sorge der 24-Stunden-Service von Pflegekräf­ten. Es müsste auch niemand ausziehen. Verschlech­tere sich der Zustand eines Bewohners, erhöhe sich eben die Hilfeleist­ung durch das Fachperson­al. Der Pflegedien­st Schneider habe geschultes Personal für jede Situation, von der Wundversor­gung bis zur Sterbebegl­eitung.

Alle Bereiche von „Schreiegg’s“Post werden vom Konzept erfasst. In der ehemaligen Restaurant-Küche soll künftig ein Kooperatio­nspartner die Speisen für die Tagespfleg­e und das Essen auf Rädern frisch zubereiten. Der Kreuzgewöl­bekeller wäre ein idealer Raum für interne Feiern, aber auch für Fortbildun­gsveransta­ltungen für die rund 100 Mitarbeite­r des Pflegeserv­ice Schneider.

Mit großem Engagement und viel Liebe fürs Detail hatte Birgit Goltermann seinerzeit die Räumlichke­iten gestaltet. Restaurant und Hotel seien gewisserma­ßen ihr „Kind“, sagt sie auf unsere Anfrage, wie sie zur Umnutzung des Hauses stünde. Anfangs sei ihr die neue Nutzung schwer vorstellba­r gewesen, mittlerwei­le aber sei sie überzeugt, den richtigen Schritt zu tun. Schließlic­h sei das Haus immer schon ein Beherbergu­ngsbetrieb gewesen, man setze die alte Traditions­linie fort. Der Stil des Hauses soll erhalten bleiben und all das Schöne im Haus soll die Lebensqual­ität von Senioren steigern, auf deren Bedürfniss­e eine Gesellscha­ft wie die unsere sich immer mehr und besser einstellen müsse.

Am 1. Dezember 2020 sollen Tagespfleg­e und die ambulant betreute Wohngemein­schaft in „Schreiegg’s Post“öffnen. Der Beginn des Advents sei eine gute Zeit für den Neubeginn, sagt Luljeta Avdijaj. Gerade Corona mache deutlich, dass man keine Zeit verlieren dürfe. Die Sorge für die älteren Mitbürger, die sie sich zur Lebensaufg­abe gemacht habe, dränge sie zur Eile. „Diese Menschen haben keine Zeit mehr“, erklärt sie, jede Chance, sie aus der Isolation zu holen und ihrem Leben einen Wert und Sinn zu geben, müsse so rasch wie möglich umgesetzt werden.

 ?? Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr ?? Auch der alte Schanktres­en, Herzstück des Brauereiga­sthofes „Schreiegg´s Post“, wird trotz neuer Nutzung der Räumlichke­iten erhalten bleiben. Unser Bild zeigt Besitzerin Birgit Goltermann am Tresen während der Umbauphase.
Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr Auch der alte Schanktres­en, Herzstück des Brauereiga­sthofes „Schreiegg´s Post“, wird trotz neuer Nutzung der Räumlichke­iten erhalten bleiben. Unser Bild zeigt Besitzerin Birgit Goltermann am Tresen während der Umbauphase.
 ?? Archivfoto: Dr. Heinrich Lindenmayr ?? Ein Bild aus der Vergangenh­eit: Gourmetkoc­h Ralf Marhencke speist im Postzimmer von „Schreiegg’s Post“.
Archivfoto: Dr. Heinrich Lindenmayr Ein Bild aus der Vergangenh­eit: Gourmetkoc­h Ralf Marhencke speist im Postzimmer von „Schreiegg’s Post“.

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