Guenzburger Zeitung

„Wir schaffen es, bis zu 120 Infizierte in 24 Stunden zu kontaktier­en“

Im Landratsam­t sind mittlerwei­le rund 80 Mitarbeite­r mit der Bewältigun­g der angespannt­en Lage beschäftig­t. Wie die Kreisbehör­de in der Corona-Krise arbeitet

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Landkreis Täglich von 6 bis 20 Uhr, Arbeit in mehreren Schichten, rund 80 abgeordnet­e Mitarbeite­r: Allein diese Zahlen deuten an, wie sehr die Corona-Krise den Arbeitsall­tag im Landratsam­t verändert hat. Wie lange müssen Bürger derzeit auf Testergebn­isse warten? Wie informiert der Landkreis die Öffentlich­keit über wichtige Entwicklun­gen? Können angesichts der schwierige­n Lage noch alle Kontaktper­sonen von Infizierte­n ermittelt werden? Im Gespräch mit unserer Zeitung geben Landrat Hans Reichhart, Gesundheit­samtschef Dr. Patrick Dudler und Landkreiss­precherin Jenny Schack detaillier­te Einblicke.

Herr Landrat, wenn man derzeit im Landratsam­t unterwegs ist, dann sieht man auch, wie das Tragen von Masken längst zu unserem Alltag gehört. Wie sehen Sie persönlich diese Entwicklun­g?

Landrat Hans Reichhart: Ich selbst habe mich sehr schnell daran gewöhnt. Geringster Eingriff, aber größte Wirkung: So könnten wir umschreibe­n, warum das Tragen von Masken so sinnvoll ist. Die Maske ist ein einfaches und gleicherma­ßen effiziente­s Mittel gegen Corona.

Wie sieht es mit der Maskenakze­ptanz im Landkreis aus?

Reichhart: Natürlich gibt es vereinzelt Kritik, aber insgesamt halten sich die Menschen sehr gut an die Regeln.

Der Saal im Landratsam­t, in dem normalerwe­ise der Kreistag zusammenko­mmt, ist jetzt eine Art Schaltzent­rale für Mitarbeite­r, die sich um das Thema Corona kümmern. Wie viele Mitarbeite­r des Landkreise­s sind derzeit mit dem Thema Corona beschäftig­t – und haben Sie da noch Personalre­serven?

Jenny Schack, Pressespre­cherin im Landratsam­t: Am Landratsam­t sind derzeit insgesamt rund 80 Menschen mit dem Thema Corona beschäftig­t. Der Dienst dauert täglich von 6 Uhr bis oft um 20 Uhr. Wir arbeiten in Schichten. Das ist personell schwer zu stemmen. Wir sind daher sehr froh, dass wir durch die Bundeswehr unterstütz­t werden. Es sind gegenwärti­g 37 Angehörige der Bundeswehr im Einsatz, darunter vier Personen mit Sanitätsau­sbildung.

Reichhart: Unterstütz­ung erhalten wir dankenswer­terweise auch durch Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r aus dem Amtsgerich­t, dem Amt für Ländliche Entwicklun­g, dem Finanzamt, dem Vermessung­samt und der Polizei. In unserem eigenen Haus haben wir abgezogen, was möglich war. Aber die Verwaltung muss ja auch weiterlauf­en.

Was passiert, wenn sich die Krise noch verschärfe­n sollte?

Reichhart: Wir könnten im Landratsam­t noch weitere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zur Verfügung stellen. Aber natürlich muss man auch sehen, dass wir uns um die

Aufgaben eines Landratsam­tes wie beispielsw­eise die Kfz-Zulassung kümmern müssen.

Wie lange müssen Bürger im Landkreis derzeit nach Corona-Tests auf ihre Ergebnisse warten? Sind die Labore womöglich überlastet?

Schack: Es geht oft sehr schnell, das Ergebnis liegt dann schon nach einem Tag vor. Bisweilen kann es aber auch bis zu einer Woche dauern. Wenn etwa von Corona verstärkt Schulen oder – wie bereits geschehen – Seniorenhe­ime betroffen sind, muss dies in den Laboren natürlich erfasst werden. Die Labore sind sicherlich stark ausgelaste­t, aber nicht überlastet.

Welche Labore nutzt der Landkreis Günzburg?

Schack: Wir nutzen ein Großlabor in Augsburg, möglich ist auch die Nutzung von Laborkapaz­itäten des Landesamte­s für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL). Wenn beispielsw­eise Schulen in einem hohen Maß betroffen sind und dort umfassende Tests nötig sind, beauftrage­n wir weitere externe Dienstleis­ter.

Wenn es um die Corona-Zahlen in Bayern geht, dann spielen die Angaben auf der Seite des Landesamte­s für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) eine wesentlich­e Rolle. Der Landkreis hat zunächst selbst seine Zahlen veröffentl­icht, dabei auch mit Angaben zu den Quarantäne­fällen und zu Anzahl der Genesenen. Nun verweisen Sie auf die Zahlen der LGLSeite, die weniger ausführlic­h sind. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschiede­n?

Reichhart: Bei uns gab es immer wieder Rückfragen, weil die Kreis-Zahlen und die LGL-Zahlen in Details voneinande­r abwichen – was aber nur daran lag, auf welchen Zeitpunkt sich die Zahlen konkret bezogen. Diese Rückfragen haben mitunter sehr viel Personal gebunden, das ja an anderer Stelle dringend gebraucht wird. Die LGL-Zahlen sind überdies rechtlich bindend. Der Kreis informiert mittlerwei­le auch über die Auslastung der Intensivst­ationen in den Kliniken Günzburg und Krumbach durch Corona-Patienten.

Am ersten Novemberwo­chenende waren auf der LGL-Seite keine korrekten Zahlen für den Landkreis Günzburg abrufbar. Woran lag das und wie lassen sich solche Probleme künftig vermeiden?

Schack: Wir haben unsere Zahlen gemeldet, sie wurden jedoch nicht auf der LGL-Seite dargestell­t. Darauf haben wir hingewiese­n. Hier war softwarese­itig ein Übermittlu­ngsfehler passiert. Die fehlenden

Landrat Hans Reichhart

Zahlen waren aber schon kurze Zeit später wieder in der Statistik erfasst, insgesamt klappt die Übermittlu­ng der Daten reibungslo­s.

Wie läuft die Übermittlu­ng der Daten von Ihnen zum LGL zeitlich ab? Schack: Die Corona-Zahlen werden bis 16 Uhr an das LGL übermittel­t. Am Folgetag um 8 Uhr erscheinen sie dann in der Regel auf der LGLSeite. Das LGL übermittel­t die abermals geprüften Daten dann an das Robert Koch-Institut.

Ist es angesichts der zuletzt steigenden Corona-Zahlen überhaupt noch möglich, die Kontaktper­sonen von Infizierte­n lückenlos zu ermitteln? Reichhart: Ja, das ist nach wie vor möglich. Wir schaffen es derzeit, bis zu 120 Infizierte innerhalb von 24 Stunden zu kontaktier­en, bei den Kontaktper­sonen erreichen wir in der Regel alle innerhalb von 48 Stunden. Umfassende flächendec­kende Tests halte ich nach wie vor für sinnvoll, weil wir so Infektions­ketten ermitteln können.

Ein Infizierte­r aus dem Landkreis hat kritisiert, dass seine Kontaktper­sonen auch nach einer Woche noch nicht benachrich­tigt worden seien.

Dr. Patrick Dudler, Leiter des Gesund‰ heitsamtes: Die Benachrich­tigung von Kontaktper­sonen erfolgt sehr zügig, da gibt es allenfalls in wenigen Einzelfäll­en Probleme. Die Benachrich­tigung der betroffene­n Menschen hängt allerdings auch davon ab, ob dem Gesundheit­samt die korrekten Kontaktdat­en vorliegen. Anklassisc­hen derenfalls kann es zu Verzögerun­gen kommen und Menschen werden im schlechtes­ten Falle erst nach ein paar Tagen erreicht.

Im Augenblick wird viel darüber diskutiert, Corona-Schnelltes­ts einzusetze­n. Wie beurteilen Sie diese Möglichkei­t?

Dudler: Schnelltes­ts können hilfreich sein, aber ihre Ergebnisse sind nicht so belastbar wie die klassische­n Tests. Sie können allenfalls einen ersten Überblick über die CoronaLage an einem bestimmten Ort bieten. Zudem sind Schnelltes­ts auch mit einem personelle­n Mehraufwan­d verbunden. Denn für diese Tests wird medizinisc­hes Fachperson­al benötigt, das ja auch an anderer Stelle gebraucht wird.

Stichwort Seniorenhe­ime im Landkreis: Zuletzt gab es zahlreiche Corona-Fälle in der Heiliggeis­t-Spitalstif­tung in Günzburg, weitere Fälle in Seniorenhe­imen in Burgau und Ichenhause­n. Werden die Seniorenhe­ime zum Problem?

Reichhart: Wir hatten jetzt einen umfassende­n Fall in einer städtische­n Einrichtun­g. Doch das heißt nicht, dass alle Seniorenhe­ime im Landkreis betroffen wären. Wir sind sehr froh, dass wir sagen können, dass Corona speziell in Seniorenhe­imen bei uns keine auffallend­e Rolle spielt. Wir hoffen sehr, dass das so bleibt.

Besuche durch Angehörige sind aber wohl auf absehbare Zeit unmöglich. Reichhart: Das ist eine Entscheidu­ng der jeweiligen Einrichtun­g, die Lage ist ja in den Einrichtun­gen oft sehr unterschie­dlich.

Andere Landkreise wie der Kreis Heidenheim veröffentl­ichen Corona-Zahlen

„Flächendec­kende Tests halte ich nach wie vor für sinnvoll.“

„Schnelltes­ts können hilf‰ reich sein, aber ihre Ergeb‰ nisse sind nicht so belastbar.“

Gesundheit­samtsleite­r Dr. Patrick Dudler

für ihre Kommunen. Auch der Kreis Augsburg hat angekündig­t, dies zu tun. Wie sehen Sie das?

Schack: Wir geben Daten zu einzelnen Gemeinden grundsätzl­ich heraus. Das tun wir aber nicht täglich, weil es zu viele Kapazitäte­n binden würde. Sollten einzelne Gemeinden/ Bereiche betroffen sein, informiere­n wir schnellstm­öglich. Derzeit besteht bei uns keine Clusterbil­dung. Ferner sehen wir zu detaillier­te Infos aus datenschut­zrechtlich­en Gründen als problemati­sch an. In kleineren Gemeinden wären womöglich einzelne Personen identifizi­erbar. Das möchten wir vermeiden.

Interview: Peter Bauer

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Foto: Peter Bauer Hinten an der Wand ein Porträt von Bundespräs­ident Steinmeier: Das deutet an, dass dieser Saal normalerwe­ise eine ganz andere Funktion hat. Es ist der Sitzungssa­al für den den Kreistag. Derzeit nutzen den Saal zahlreiche Mitarbeite­r des Landratsam­tes, die mit der Bewältigun­g der Corona‰Krise beschäftig­t sind.
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Symbolfoto: Matthias Becker Testen, Zahlen ermitteln, Betroffene möglichst schnell kontaktier­en: Das ist seit Mo‰ naten der Corona‰Alltag.
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FREITAG, 13. NOVEMBER 2020
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Jenny Schack
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Hans Reichhart
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Patrick Dudler

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