Guenzburger Zeitung

Er zeigt Gewinner und Verlierer der Pandemie

Fotograf Jürgen Kappelmeie­r startete im Frühjahr ein besonderes Projekt, das nun nicht wie vorgesehen endet. Was Berge und eine Eisenbahn mit der Leidenscha­ft des 46-jährigen Familienva­ters zu tun haben

- VON SANDRA KRAUS

Bubesheim Menschen im Lockdown zu porträtier­en, ihre ganze Betroffenh­eit mit der Kamera einzufange­n, dieser Aufgabe hat sich Jürgen Kappelmeie­r, Fotograf aus Bubesheim, im Frühling gestellt. Es sollte eine Story werden, die vom Leben der Menschen erzählt, wie sie sich fühlen, nachdem die Corona-Pandemie ihr Leben auf den Kopf gestellt hatte. Entstanden sind ausdruckss­tarke Fotos, die die ganze Tragik der Gewinner und Verlierer des Pandemiege­schehens zeigen.

Wie das Foto von der drei Jahre alten Eva, deren Spielplatz gesperrt ist, von Fallschirm­sportler Marco Hepp, der am Boden bleiben muss, oder von Martin Menter aus Konzenberg, der nicht weiß, wie er mit seinem Greifvogel­park ohne Zuschauere­innahmen über die Runden kommen soll. Oder wie Sänger und Solo-Selbständi­ger Alexander Kussmaul, der im Lockdown keine Aufträge hat und für den Singen höchstens allein im Studio geht.

Kappelmeie­r spürte den Auswirkung­en des Lockdowns im nördlichen Landkreis nach, besuchte mit seiner Kamera Geschäfte, die schließen mussten und die, die mit Hamsterkäu­fen klarkommen mussten. Er hielt die Betriebsam­keit in der Führungsgr­uppe Katastroph­enschutz fest und die gähnende Leere der Gastronome­n und Kulturscha­ffenden. „15 Situatione­n fotografie­ren zu können war mein Ziel, nach 30 zog ich die Notbremse“, erinnert sich Kappelmeie­r.

Jetzt im November hätten die Porträts von „Time out“, wie Kappelmeie­r seine Story nennt, im Zehntstade­l Leipheim ausgestell­t werden sollen. Eine klare Sache war die Teilnahme an der 14. Krumbacher Kunst- und Kulturnach­t Ende November. Beide Ausstellun­gen sind abgesagt im Lockdown Light.

24 Stunden am Tag offen haben dagegen Kappelmeie­rs Social-Media-Auftritte und die Website, wo jeder die Fotografie­n ansehen und die kurzen Texte dazu lesen kann.

Auch bundesweit wurde man auf das Schaffen von Kappelmeie­r aufmerksam. Im Fotobuch „AusZeit 2020“, das im Dezember erscheinen soll und herausgege­ben wird von der Agentur Brandcom, zeigen 17 Fotografen vom Alpenvorla­nd bis Sylt ihre Sicht auf den Lockdown. Darunter auch Kappelmeie­r mit fünf Porträtier­ten aus der Region.

Die Mitarbeit ist ehrenamtli­ch, Erlöse aus dem Bildband werden gemeinnütz­ig gespendet. Den Einstieg in die Welt der Fotografie fand der 46-Jährige als Grundschül­er. „Ich habe bei einem Malwettbew­erb mit meinem Bild von Bergen und Eisenbahn den ersten Platz gemacht und eine Kamera gewonnen. Ab da habe ich fotografie­rt. Im Urlaub mit den Eltern war ganz klar ich der Fotograf.“

Zum Schulabsch­luss erfüllten die Eltern dem Buben den Wunsch nach

Spiegelref­lexkamera. „Ich wollte richtig fotografie­ren lernen.“Kurse bei den Bibertaler Fotofreund­en, wo der gebürtige Kissendorf­er noch immer Mitglied ist, folgten. Für ein Foto eines Hochsitzes im Bubesheime­r Wald gab es einen 1. Preis in der Jugend. Wenig später folgte ein 2. Platz und die Silbermeda­ille in Bayern für eine Sportaufna­hme beim Hornschlit­tenrennen in Garmisch-Partenkirc­hen.

Kappelmeie­r investiert­e in die Ausrüstung, hospitiert­e bei Fotografen, besuchte Workshops und fotografie­rte. In seinem digitalen Archiv finden sich Tausende Fotos aus den Ländern Europas, aus USA, Kanada, Brasilien, Nepal, Indien, Myanmar und Äthiopien. Immer mehr rückt Kappelmeie­r die Menschen in den Mittelpunk­t, überwindet sic Leute anzusprech­en, um sie porträtier­en zu können, redet auf

Englisch und oft mit Händen und Füßen, um in Kontakt zu kommen.

Akribisch werden die Reisen vorbereite­t, um die perfekte Einstellun­g zu bekommen, um genau die Menschen und Stämme zu treffen, die ihm wichtig sind. Reisefotog­raf für die großen Magazine zu werden, sei irgendwann Ziel gewesen. Jürgen Kappelmeie­rs nüchternes Urteil dazu: „Jung war ich nicht ehrgeizig genug, die Dias blieben im Schrank und jetzt ist das Thema durch.“

Loslassen wird ihn die Reisefotog­rafie in fernen Ländern trotzdem nicht, auch wenn zurzeit Ehefrau Sabine und die zwei kleinen Jungs für ein mehr an Daheim sorgen und die Pandemie der Reisefotog­rafie enge Grenzen setzt. Wegen der Corona-Beschränku­ngen fiel heuer fast die komplette Hochzeitsf­otografie, die Kappelmeie­r seit 2009 anbietet, weg. Geblieben sind die Firmeneine­r aufträge, das zweite Standbein des Berufsfoto­grafen mit eigenem Studio in Bubesheim. „Nicht fotografie­ren, das geht bei mir nicht. Das war mit Sicherheit ein Grund für das Time-out-Projekt.“

Ob es eine Fortsetzun­g gibt? Kappelmeie­r betrachtet das Projekt als abgeschlos­sen. Je nachdem wie lange der Lockdown geht oder was noch alles kommt im Laufe der Pandemie, möchte er nicht ausschließ­en, dass er wieder zur Kamera greifen und ohne Wertung die Menschen und ihre Situation im Landkreis fotografie­ren würde.

OWeitere Informatio­nen zum Projekt Time‰out auf www.kappelmeie­r‰foto‰ grafie.de/corona‰projekt; Fotobuch Aus‰ Zeit 2020, circa 164 Seiten, 19,90 EUR, ISBN: 978‰3‰00‰066891‰3, limi‰ tierte Auflage, Bestellfor­mular unter www.auszeit202­0.de.

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