Guenzburger Zeitung

Bayern bunkert Grippeimpf­stoff

Nach Klagen über akuten Mangel gibt der Freistaat überrasche­nd eine halbe Million Dosen frei. Die Opposition kritisiert die Verzögerun­g. Ärzte warten dringend auf Nachschub

- VON ULI BACHMEIER UND MICHAEL POHL

München Während Patienten, Ärzte und Apotheker vielerorts in Bayern seit Wochen vergeblich auf Grippeimpf­stoff warteten, hortete der staatliche Gesundheit­sdienst in Bayern offenbar 550000 Dosen. Dies geht aus einem Schreiben des Bayerische­n Apothekerv­erbandes an seine Mitglieder hervor, das unserer Redaktion vorliegt. Mit der Verteilung der „bayerische­n Reserve“soll demnach erst jetzt begonnen werden, obwohl Oktober und November aus medizinisc­her Sicht eigentlich die wichtigste­n Monate für eine Grippeimpf­ung sind.

Ein Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums bestätigt auf Anfrage, dass „zusätzlich­er Impfstoff“besorgt worden sei. „Allerdings“, so betont er, „sind vor der Verteilung noch wichtige Fragen zu klären, was derzeit auch geschieht.“So müsse noch abgestimmt und geregelt werden, wie den Ärzten, die bereit sind, im Auftrag des Öffentlich­en Gesundheit­sdienstes zu impfen, diese Aufgabe übertragen werden könne.

Auch müsse geregelt werden, wie der Impfstoff unter Beachtung der arzneimitt­elrechtlic­hen Vorschrift­en zugestellt werden könne. „Wir setzen darauf, dass die bestellten Impfstoffe demnächst zur Verfügung stehen werden.“Gleichzeit­ig weist der Sprecher darauf hin, dass es „nicht ungewöhnli­ch, sondern durchaus üblich“sei, dass Impfstoff schrittwei­se ausgeliefe­rt werde.

Von Gesundheit­spolitiker­n der Opposition im Landtag wird die verzögerte Auslieferu­ng scharf kritisiert. „Seit Wochen gibt es Berichte, dass der Grippeimpf­stoff knapp wird und viele Ärzte und Apotheken am Markt keinen mehr bekommen“, sagt Ruth Waldmann (SPD). Sie verweist darauf, dass das Gesundheit­sministeri­um doch selbst dafür werbe, dass man sich gegen Grippe impfen lassen soll, besonders wenn man älter ist. „Warum sie dann den Impfstoff dafür aber horten und so lange nicht herausrück­en, ist unverständ­lich.“

Auch der Kemptener FDP-Abgeordnet­e Dominik Spitzer, selbst praktizier­ender Arzt, stellt sich die Frage, für wen der Impfstoff so lange zurückgeha­lten wurde. Er schimpft: „Das ist schon ein Hammer. Wir mussten unsere Patienten drei Wochen lang vertrösten.“Und Christina Haubrich, gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen im Landtag, kritisiert: „Das ist ein unhaltbare­r Zustand. Der Engpass war längst bekannt.“

Der Bayerische Hausärztev­erband ist grundsätzl­ich froh darüber, dass wieder Impfstoff in die Praxen kommt: „Besser spät als nie“, sagt

Bayerns Hausärzte-Präsident Markus Beier. „Wir brauchen den Impfstoff“, derzeit sei die Versorgung­slage in Bayern bei „praktisch null“.

Durch die Corona-Pandemie und die Impfaufruf­e der Politik sei die Nachfrage extrem hoch. Eine halbe Million Dosen sei eine ordentlich­e Menge. „Damit können wir noch Risikopati­enten durchimpfe­n“, sagt Beier. Es werde einige logistisch­e Vorlaufzei­t brauchen, den Impfstoff in die Praxen zu bringen. „Ich rate

Patienten, sich in ihren Praxen zu informiere­n.“

Im Normalfall läuft die Verteilung nach Vorbestell­ungen der Ärzte über die Apotheken und den Großhandel. „Wir stellen unser bewährtes Vertriebsn­etz zur Verfügung und wären sehr gut gerüstet, da wir die notwendige Logistik haben“, bietet Thomas Metz vom Bayerische­n Apothekerv­erband an.

Der Vorstandsc­hef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns, Wolfgang Krombholz, bestätigt die Freigabe. „Es handelt sich unseres Wissens nach um rund 550000 Dosen der sogenannte­n Bayern-Reserve, die der Freistaat Bayern erworben hatte“, sagt er. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g habe die Freigabe bereits Ende Oktober gefordert. „Insofern begrüßen wir es, dass dies nun erfolgen soll.“Laut HausärzteP­räsident Beier komme dies gerade rechtzeiti­g vor der Grippewell­e ab Januar, Februar. Die Corona-Hygienereg­eln würden bislang auch die Influenza etwas in Schach halten: „Ich hatte im Herbst noch keinen Grippekran­ken in meiner Praxis“, sagt der Hausarzt. »Kommentar

Hausärzte erwarten logistisch­e Vorlaufzei­t

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