CoronaTests: Firma Ritter schafft noch mehr Jobs
Das Unternehmen aus Schwabmünchen stellt Kunststoffteile her, mit denen medizinische Untersuchungen auf das Virus gemacht werden. Die Nachfrage ist weltweit derart groß, dass die Zahl der Arbeitsplätze sprunghaft steigt
Schwabmünchen Eigentlich wollten sie nur zehn bis 15 zusätzliche Fachkräfte fest einstellen. Nun sind es seit Mai gut 90 geworden. Die Firma Ritter in Schwabmünchen südlich von Augsburg schafft kräftig Arbeitsplätze, während immer mehr Industrieunternehmen in der Region deutlich Stellen abbauen.
Dass die Verantwortlichen des schwäbischen KunststofftechnikSpezialisten derart viele neue Jobs aufbauen, hängt vor allem mit der weltweit weiter steigenden Nachfrage nach Produkten zusammen, mit denen Corona-Tests in großen Mengen und daher automatisiert gemacht werden können. Die für die Untersuchungen notwendigen Verbrauchsmaterialien, mit denen sich Testflüssigkeiten von Behälter zu Behälter transportieren lassen, stellen nach Darstellung des Unternehmens weltweit nicht viele Firmen in dieser Qualität her.
Ralf Ritter, dem die Firma mit seinem Bruder Frank gehört, sagt: „Weltweit werden Testkapazitäten weiter massiv ausgebaut. Davon profitieren wir in hohem Maße. Die Nachfrage aus Europa, aber auch den USA und Asien übertrifft unsere Erwartungen.“Selbst in China seien die Produkte „made in Bavaria“enorm gefragt. Labore und medizintechnische Firmen des Riesenreichs würden die Ritter-Materialien einheimischen sogar vorziehen.
Der Ansturm auf das Angebot des Unternehmens ist derart groß, dass die Ritter-Manager noch mehr Personal am stark erweiterten Standort in Schwabmünchen aufbauen. Dort wird nach wie vor kräftig gebaut und eine neue Maschine nach der anderen installiert. Das Unternehmen wurde als systemrelevant eingestuft und kann daher sieben Tage rund um die Uhr produzieren. Ziel von Ralf Ritter und seinen Mitstreitern ist es, die Zahl der fest angestellten Beschäftigten bis Mitte nächsten Jahres von derzeit 385 auf rund 500 zu erhöhen, das käme in etwa einer Verdopplung der Belegschaft innerhalb von zehn Jahren gleich. Dabei dachten die Inhaber des Unternehmens zunächst nicht daran, derart vielen Frauen und Männern einen festen Job zu geben. Sie hofften noch im Mai, Kurzarbeiter aus anderen Betrieben Schwabens würden vorübergehend leihweise zu ihnen wechseln, um das immer größere Maß an Arbeit bewältigen zu können. Doch schnell stellte sich heraus, dass von Arbeitszeitreduzierung betroffene Mitarbeiter lieber in ihren Betrieben bleiben, wo sie ja noch eine sichere Stelle haben und zum Teil von ihrem Arbeitgeber Aufzahlungen auf das Kurzarbeitergeld bekommen. Deshalb holte die Firma Ritter gut 90 Mitarbeiter gleich fest an Bord und profitiert dabei auch vom Stellenabbau in anderen Firmen, wie etwa der Schließung des Wafa-Werkes in Augsburg. Einige Betroffene des auf Spritzguss, Galvanik und Lackierung spezialisierten Autozulieferers fanden in Schwabmünchen eine neue Tätigkeit. Dabei treibt nicht nur der Run auf medizintechnische
Kunststoffteile die Ritter-Umsätze enorm an. Auch Kartuschen des Unternehmens sind in Corona-Zeiten, wo Menschen gerne an und in ihren Häusern werkeln, stark gefragt. In die Kunststoffbehälter werden etwa Silikon- oder AcrylProdukte gefüllt.
Ralf Ritter erinnert sich gerne an das Jahr 1997, als sein Vater noch das Sagen hatte und die Firma an den neuen Standort in Schwabmünchen gezogen ist. Dort wurde zuvor noch vom US-Konzern Kraft Käse produziert. Doch die Amerikaner gaben das schwäbische Werk mit damals rund 350 Mitarbeitern auf.
Kunststoff trat an die Stelle von Käse. Die Ritters versprachen den örtlichen Politikern zu dieser Zeit: „Wir haben zwar erst 128 Beschäftigte, werden aber irgendwann in Schwabmünchen wie zuletzt Kraft 350 Menschen Arbeit geben.“Nun haben die Familienunternehmer ihr Wort gehalten. Dabei lohnt ein Blick auf die Internetseite der Firma. Unter der Rubrik „Karriere“eröffnet sich eine lange Liste mit Stellenangeboten. Hier können sich demnach Elektriker, Personalreferenten, Projektleiter, Mechatroniker, IT-Systemadministratoren, Supply Chain Manager, Zerspanungsmechaniker, Rundschleifer, Werkzeugmechaniker, Maschinendrucker, Siebdrucker, Anlagenmechaniker, aber auch Produktionshelfer Chancen auf eine Stelle ausrechnen. Zudem investiert Ritter massiv in die Automatisierung der Produktion. Die Zahl der Kuka-Roboter wird von einst zwei auf 30 aufgestockt.
In dem Prozess stürmischen Wachstums halten Ralf Ritter, 51, und sein Bruder Frank, 54, an ihrem schon länger gehegten Plan fest, sich immer mehr aus dem operativen, also Tagesgeschäft zurückzuziehen und vom Aufsichtsrat aus die weitere Expansion strategisch zu lenken: „Das haben wir von unserem Vater gelernt, der uns auch, als er 60 wurde, das Ruder überlassen hat.“
Die Ritter-Brüder setzen auf die Innovationskraft der Jugend: „Da kommen ohne Scheuklappen ganz andere Ideen heraus, die wir nicht hätten.“So ist der 37-jährige Johannes Schenk Graf von Stauffenberg schon im Mai 2018, als sich der Boom noch nicht abzeichnete, in die Geschäftsführung eingetreten. Der Nachfahre des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg konnte somit schon in seine Rolle als CEO, also Chef des Unternehmens, hineinwachsen.