Guenzburger Zeitung

Ferbers Fauxpas

Der Abgeordnet­e Markus Ferber klagt in einer Rede drüber, dass er mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln ins EU-Parlament fahren muss. Was dahinterst­eckt und warum sich der Chef der schwäbisch­en CSU missversta­nden fühlt

- VON STEPHANIE SARTOR

Brüssel Es dauert nicht lange, bis die Worte von Markus Ferber in die Welt hinausgezw­itschert werden. Bis sie sich multiplizi­eren, im Netz hundertfac­h geteilt und erzürnt kommentier­t werden. Die Worte, um die es in dieser Geschichte geht, fallen im Plenum des Europäisch­en Parlaments in Brüssel. Markus Ferber, EU-Abgeordnet­er und Vorsitzend­er der schwäbisch­en CSU, kritisiert in einer Rede den Parlaments­präsidente­n. Dabei sticht vor allem eine Passage hervor: „Sie haben Privilegie­n, Sie haben einen Fahrer, wir müssen hier Public Transport benutzen! Ist das der Schutz, den Sie uns angedeihen lassen?“Das sitzt.

Twitter läuft – es war nicht anders zu erwarten – angesichts dieses Ferber’schen Fauxpas heiß. Martin Sonneborn, der Chef der Satirepart­ei „Die Partei“, schreibt in einem

Tweet: „Markus Ferber, dessen Praktikant­innen zum Teil am Stadtrand campten, weil der bestsituie­rte CSU-Mann ihnen wenig bis nichts bezahlte, leidet darunter, dass er im Lockdown den öffentlich­en Nahverkehr benutzen muss und kein Tagegeld erhält.“

Ferber indes sieht sich gewollt missversta­nden. Einige seiner Aussagen seien aus dem Zusammenha­ng gerissen worden. Er räumt aber auch ein: „Das hat sich emotional aufgeschau­kelt und das bedaure ich. Meine Wortwahl war unglücklic­h, meine Schwerpunk­tsetzung nicht ideal. In der Sache bleibe ich aber bei meiner Kritik an EP-Präsident Sassoli.“

Was Ferber mit dieser grundsätzl­ichen Kritik meint: Seiner Ansicht nach müsse das Europäisch­e Parlament auch in Krisenzeit­en wie der Corona-Pandemie handlungsf­ähig sein. Die faktische Schließung des Europäisch­en Parlaments durch die

Absage nahezu aller Präsenz-Sitzungen und Ausschüsse durch Parlaments­präsident David Sassoli sei nicht hinnehmbar und behindere die Arbeit massiv, meint Ferber. „Meine Kritik an der Entscheidu­ng des Parlaments­präsidente­n fällt auch deswegen so harsch aus, weil dieser es versäumt hat, in den vergangene­n acht Monaten die Arbeitsfäh­igkeit des Parlaments auf digitalem Wege sicherzust­ellen. Noch immer haben wir beispielsw­eise keine funktionie­renden Lösungen für die fehlerfrei­e Durchführu­ng von Ausschusss­itzungen aus der Ferne. Ein Parlament, das durch seinen offizielle­n Vertreter aufgelöst wird, verliert seine Legitimitä­t“, erklärt Ferber auf seiner Internetse­ite. Als Präsident des Europäisch­en Parlaments müsse sich Sassoli dafür einsetzen, die Arbeit der Abgeordnet­en zu ermögliche­n und nicht zu behindern, so Ferber weiter. „Deshalb brauchen wir umgehend wieder Präsenzsit­zungen, die durch ein funktionie­rendes Hygiene- und Testkonzep­t ermöglicht werden können.“

Dann ist da aber auch noch die Sache mit dem Geld. Ferber hatte in seiner Rede an die Adresse des Parlaments­präsidente­n nämlich auch gesagt: „Sie bekommen selbstvers­tändlich jeden Tag die Tagegelder, wir bekommen sie nicht.“Der Hintergrun­d ist der: Das EU-Parlament zahlt Abgeordnet­en eine Pauschalve­rgütung von 323 Euro für jeden Arbeitstag. Voraussetz­ung ist, dass man sich in die Anwesenhei­tsliste einträgt. Diese Listen werden nun aber nicht mehr ausgelegt, weil nur noch wenige Abgeordnet­e überhaupt Zutritt haben. „Wir Abgeordnet­e verzichten darauf, dann sollte das Herr Sassoli auch“, sagt Ferber im Gespräch mit unserer Redaktion.

Auf Twitter stößt das alles auf wenig Verständni­s. Stattdesse­n gibt es zuweilen Spott. Ein User etwa kommentier­t hämisch, Ferber würde nun wohl nur knapp am Existenzmi­nimum vorbeischr­ammen.

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Archivfoto: Ralf Lienert Markus Ferber erntet Kritik und Spott für eine Rede.

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