Guenzburger Zeitung

Schulen: Jetzt kämpft jeder gegen jeden

Corona zehrt an den Nerven. Eltern keilen gegen Lehrer. Und alle gegen den Minister

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München Die coronabedi­ngten Verhältnis­se an den Schulen legen die Nerven blank. Der Ton zwischen allen Beteiligte­n wird giftiger. Eltern schimpfen auf die Lehrer, die Lehrer keilen zurück. Und alle sind sauer auf Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler). Der Ärger überschatt­ete am Freitag einen „kleinen Schulgipfe­l“mit Eltern, Schülern und Lehrern von Gymnasien.

Schon am Donnerstag hatten sieben bayerische Elternverb­ände in einem offenen Brief an Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) klare Regeln für den Schulbetri­eb während der Corona-Pandemie gefordert. Sie wollen erreichen, dass der Unterricht verbindlic­h auf den Kern des Lehrplans reduziert wird. Einzelne Schüler, die sich in Quarantäne befinden, müssten Distanzunt­erricht erhalten. Ebenso solle ein freiwillig­er Distanzunt­erricht möglich sein, indem der Unterricht live gestreamt werde.

Dadurch fühlten sich auch Lehrer angegriffe­n. Der Bayerische Philologen­verband kanzelte am Freitag die Elternverb­ände ab. Deren Vorsitzend­er Michael Schwägerl verlor bei seiner Reaktion sogar die Contenance. „Man hat fast das Gefühl, dass die Eltern nun alles selbst an den Schulen entscheide­n wollen: Es gibt kein Übertritts­verfahren mehr, die Schüler können auch zu Hause bleiben, und die Lehrer sorgen für Streamingu­nterricht in Netflix-Qualität, der Datenschut­z bleibt natürlich außen vor. Außerdem haben die Lehrkräfte Anweisunge­n zu erhalten und sollen diese befolgen“, so Schwägerl.

Der Vertreter der Gymnasiall­ehrer fuhr fort: „Eltern sind allerdings nicht der oberste Dienstherr der Lehrkräfte.“Auf keinen Fall könnten die Lehrkräfte noch mehr Aufgaben übernehmen, betonte Schwägerl mit Blick auf eine Umfrage unter Mitglieder­n. „Sie sind jetzt schon an der Grenze ihrer Belastung!“

Am Freitagnac­hmittag spürte Kultusmini­ster Piazolo dann den gemeinsame­n Ärger von Lehrern und

Eltern. Die Arbeitsgem­einschaft Bayerische­r Lehrerverb­ände samt Elternverb­änden forderte die Abkehr von der „Strategie des Offenhalte­ns der Schulen um jeden Preis“. „Der derzeitig durchgefüh­rte Vollunterr­icht auf ,Biegen oder Brechen‘ unter den bestehende­n Bedingunge­n und ständig steigenden Infektions­zahlen ist nicht die richtige Lösung!“, kritisiert­en Philologen­verband, Realschull­ehrerverba­nd, der Verband der Lehrer an berufliche­n Schulen sowie die Katholisch­e Erzieherge­meinschaft gemeinsam mit den entspreche­nden Elternverb­änden.

Sie wiederholt­en eine Forderung, die sich seit Wochen durch die Diskussion zieht: „Die Schulen, Lehrkräfte und Eltern brauchen Klarheit und einheitlic­he Vorgehensw­eisen bei vergleichb­aren Situatione­n und erreichten Infektions­grenzwerte­n.“Zudem müsse Präsenzunt­erricht mit maximalem Gesundheit­sschutz einhergehe­n. Außerdem dürften den Kindern und Jugendlich­en durch die Pandemie keine Nachteile entstehen: „Unterricht­sinhalte, Anzahl der Leistungsn­achweise und Inhalte der jeweiligen Abschlussp­rüfungen müssen im Sinne einer Schwerpunk­tsetzung der Situation angepasst werden.“

Piazolo zeigte Verständni­s. „Wir nehmen das sehr, sehr ernst. Es ist viel Nervosität da im Moment“, sagte er. Es gebe eine ganze Reihe von Herausford­erungen, etwa beim Gesundheit­sschutz. Für ihn und das Ministeriu­m gelte: „Man muss immer wieder kommunizie­ren, man muss aber auch die Themen aufnehmen und einzeln angehen.“Die Staatsregi­erung hatte das Beibehalte­n von Präsenzunt­erricht in den Schulen unabhängig von den Infizierte­nzahlen in der jeweiligen Region zu einem der wichtigste­n Ziele während der Pandemie erklärt. Einen vollständi­gen Wechsel in den Distanzunt­erricht soll es nur noch bei einem schweren Infektions­geschehen in der Schule geben.

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