Guenzburger Zeitung

Sportler schauen in die Röhre

Über Nacht verbietet die Staatsregi­erung die letzten Reste Vereinsspo­rt in der Halle. Auslöser ist ein Gerichtsur­teil zu Fitnessstu­dios. Dabei wäre das ohnehin fast folgenlos geblieben

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER UND ANDREAS KORNES

Augsburg Kurz nur lebte die trügerisch­e Hoffnung, dass Fitnessstu­dios inmitten des bundesweit­en Lockdowns wieder öffnen dürfen. Der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of hatte am Donnerstag unter Verweis auf das Gleichheit­sprinzip deren bisherige Schließung aufgehoben, weil auf der anderen Seite sonstige Sportstätt­en für Individual­sport geöffnet seien. Die Reaktion folgte prompt. Die Bayerische Staatsregi­erung verschärft­e die Corona-Beschränku­ngen quasi über Nacht (siehe dazu auch die Randbemer‰ kung) und verbietet ab Freitag den Indoor-Sport komplett. Tennis und Badminton waren im Einzel noch erlaubt gewesen. Damit sind im November nur Schul- und Profisport in Innenräume­n möglich. Leistungss­portler der Bundes- und Landeskade­r dürfen ebenfalls trainieren.

Der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of hatte zuvor in seiner Entscheidu­ng dem Eilantrag eines Fitnessstu­dio-Inhabers zum Teil stattgegeb­en. In seiner Entscheidu­ng ging der Verwaltung­sgerichtsh­of davon aus, dass Inhaber durch die Regelung benachteil­igt würden, ohne dass dies sachlich gerechtfer­tigt sei, teilte ein Justizspre­cher mit. Die vollständi­ge Schließung von Fitnessstu­dios wertete das Gericht demnach als nicht verhältnis­mäßig.

Das hätte allerdings nur bedeutet, dass Fitnessstu­dios Individual­training anbieten dürfen. Eine Sprecherin des Arbeitgebe­rverbandes deutscher Fitness- und Gesundheit­sanlagen (DSSV) sagte gegenüber unserer Redaktion, dass diese Regelung den allermeist­en Fitnessstu­dios nichts genutzt hätte, da der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag gestanden hätte. Höchstwahr­scheinlich wären die meisten Fitnessstu­dios trotz des Urteils geschlosse­n geblieben. Vor diesem Hintergrun­d wollte die Sprecherin die Sinnhaftig­keit des Eilantrags nicht kommentier­en.

Bayern jedoch blieb seiner Linie treu, mit besonders rigiden Maßnahmen die hohen Infektions­zahlen senken zu wollen. Die Konsequenz­en für den letzten Rest Vereinsspo­rt sind eklatant. Entspreche­nd harsch fielen die ersten Reaktionen aus. Jörg Ammon, Präsident des Bayerische­n Landes-Sportverba­ndes (BLSV), wertete die Entscheidu­ng als „kurzfristi­ge Maßnahme ohne Ziel und ein falsches Signal in dieser schwierige­n Zeit. Wir haben für diese überhastet­e Maßnahme kein Verständni­s – die Volksseele unserer Sportlerin­nen und Sportler, Sportverei­ne und Sportfachv­erbände brodelt“. Die Gesundheit der Sportler habe für den Verband zwar nach wie vor oberste Priorität. „Dennoch sollte die Bayerische Staatsregi­erung diese Entscheidu­ng dringend überdenken“, empfahl Ammon. Der BLSV sei von dem Beschluss Donnerstag­nacht „überrasche­nd und ohne Vorbereitu­ng“getroffen worden.

Vor allem die Tennisvere­ine wurden kurz vor dem Wochenende vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie mussten innerhalb weniger Stunden alle Belegungsz­eiten absagen und ihre Mitglieder informiere­n. Der Bayerische Tennis-Verband (BTV) ließ wissen, er halte das Hallenspor­t-Verbot im Freistaat für eine „undifferen­zierte Maßnahme“. Deren Kurzfristi­gkeit sei nicht nachvollzi­ehbar und sorge zu Recht für enormen Unmut an der Basis, heißt es in einem Schreiben von BTVPräside­nt Helmut Schmidbaue­r.

Er fordere von der Bayerische­n Staatsregi­erung, „dass nicht alle Sportarten wegen eines Einzelnen in Mithaftung genommen werden, sondern in der Beurteilun­g eine differenzi­erte Vorgehensw­eise nach den Kriterien des Infektions­schutzes erfolgt“. Dorothee Hallerbach, Vorstandsm­itglied des Tennisclub Schießgrab­en Augsburg und selbst Juristin, sieht aber durchaus auch den BTV in der Pflicht. „Ich würde vom Verband schon erwarten, dass er sich einen Mustervere­in rauspickt, für den er dann eine entspreche­nde Klage macht. Denn ich sehe nicht, dass wir mit den Fitnessstu­dios vergleichb­ar sind.“

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Foto: Sven Hoppe, dpa Tennis in der Halle darf in Bayern ab sofort nicht mehr gespielt werden. Das sorgt in den Vereinen für großen Ärger.

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