Guenzburger Zeitung

Wie Investor und Stadionfra­ge 1860 spalten

Die Fans der Löwen macht die lange Tradition ihres Vereins stolz. Dennoch gelten sie als zerrissen – und zwar nicht nur wegen des launischen Geldgebers Ismaik. Auch ihre geliebte Heimstätte in Giesing sorgt für Zündstoff

- VON DOMINIK STENZEL

München Dass beim TSV 1860 München nie Ruhe einkehrt, ist im deutschen Profifußba­ll fast schon ein ungeschrie­benes Gesetz. Man denke nur an den Bestechung­sskandal um die Allianz-Arena, der den damaligen Präsidente­n Karl-Heinz Wildmoser zu Fall brachte. An den beispiello­sen, von Fanausschr­eitungen überschatt­eten Absturz der Löwen in die Regionalli­ga vor gut drei Jahren. Oder an die immer wieder aufflammen­den Streiterei­en zwischen Verein und Investor Hasan Ismaik, der den Klub 2011 vor der Insolvenz rettete.

Das Engagement des jordanisch­en Geschäftsm­anns spaltet die Anhänger des Traditions­vereins aus dem Münchner Stadtteil Giesing. Genauso wie die immer wieder angeheizte Stadionfra­ge: Während manche Fans am liebsten für immer im Grünwalder Stadion bleiben würden, wollen andere mittelfris­tig ein modernes, bundesliga­taugliches Zuhause.

Was die Löwen-Fans jedoch vereint: ihr Stolz auf die ebenso lange wie bewegte Geschichte des Klubs. „Welcher andere Verein ist schon so alt?“, fragt Christian Dany, seit mehr als 40 Jahren ein „Sechzger“, in Anspielung auf das im Vereinsnam­en verewigte Gründungsj­ahr. Die einzige deutsche Meistersch­aft im Jahr 1966 ist in den Köpfen ebenso präsent wie legendäre Derbysiege gegen den Stadtrival­en FC Bayern.

Bereits 1848 wurde im Saal der „Buttlesche­n Brauerei zum Bayerische­n Löwen“der Münchner Turnverein gegründet – und zwölf Jahre lang von der Obrigkeit als „Anstalt der Verpestung“verboten. 1899 rief der Verein schließlic­h seine Fußballabt­eilung ins Leben. Seit vergangene­m Februar gibt es bei den Löwen sogar eine Abteilung Vereinsges­chichte mit mehr als 30 Mitglieder­n, die alte Eintrittsk­arten, Wimpel und Erinnerung­sstücke sammelt. Das langfristi­ge Ziel: die Gründung eines eigenen Museums.

Passt es, dass ein so traditions­reicher und stolzer Verein von einem Investor und dessen Launen abhängig ist? 60 Prozent der Aktien der aus dem Gesamtvere­in ausgeglied­erten Profiabtei­lung hält das Unternehme­n von Hasan Ismaik. Der heute 44-Jährige versprach einst ein neues Stadion inklusive eines Löwenparks „mit allen Löwenrasse­n der Welt“. Nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga 2017 verwehrte er dem Verein die für eine DrittligaL­izenz erforderli­chen Zahlungen.

Löwen-Fan Christian Dany, früher Delegierte­r im Verein, sieht das Engagement des jordanisch­en Kreditgebe­rs kritisch. Vor rund zehn Jahren, als die Löwen vor der Insol

Seit dem Abstieg aus der 2. Bundesliga spielt 1860 München wieder im 1911 errichtete­n Grünwalder Stadion. Die Fans sind darüber froh, aber nicht alle halten ihre derzeitige Heimstätte in Giesing für zukunftstr­ächtig. Der umstritten­e Investor Hasan Ismaik kündigte einst eine neue Arena inklusive eines Löwenparks an.

venz standen, wäre ein kompletter Neuanfang seiner Meinung nach die bessere Option gewesen. „Es wurde nicht genug hinterfrag­t, ob diese Geschäftsp­artnerscha­ft auch wirklich fruchtbar sein kann. Jetzt haben wir Ismaik im Boot, und offensicht­lich bleibt das so“, sagt Dany. Auch wenn es in der Anhängersc­haft Leute gebe, die sich mit dem Investor abfinden: „Wirklich pro Ismaik sehe ich auf weiter Flur kaum jemanden.“

Roman Wöll, ebenfalls seit seiner Kindheit ein Löwe, ist hingegen eher dem Lager der Ismaik-Befürworte­r zuzurechne­n. Der Investor habe in der Vergangenh­eit Fehler gemacht, aber: „Wir brauchen ihn einfach. Andere Vereine wären froh, wenn sie jemanden hätten, der ihnen finanziell hilft.“In Wölls Leben dreht sich vieles um den TSV 1860. Der 66-Jährige gehört zu den sogenannte­n „Allesfahre­rn“– vor der Corona-Krise verpasste er auch auswärts kein Spiel seiner Mannschaft. „Einmal Löwe – immer Löwe klingt banal, aber es ist etwas dran“, sagt er. Die schweren Zeiten machten den Klub in gewisser Weise sympathisc­h – im Leben laufe ja auch nicht immer alles glatt. Der anhaltende Erfolg der Roten – Wöll möchte den Namen des Stadtrival­en gar nicht ausspreche­n – sei im Gegensatz geradezu langweilig.

Thomas Miller schnürte selbst acht Jahre lang für die Löwen die Fußballsch­uhe. Nach seinem Wechsel vom FC Augsburg 1989 entwi

ckelte sich der Verteidige­r wegen seiner kompromiss­losen Spielweise zum Liebling der Fans. Von der Bayernliga ging es während seiner Zeit über die zweite Liga in die Bundesliga. Bei einem Traditions­verein wie 1860 – das habe Miller schon damals zu spüren bekommen – herrsche immer Druck: „Die Fans stehen immer hinter dir, wollen aber auch, dass man sich mit Leib und Seele für den Verein einsetzt.“Auch die Verantwort­lichen stünden unter Dauerbesch­uss – gerade in einer Medienstad­t wie München. „Sie treffen oft überhastet falsche Entscheidu­ngen, damit sie Ruhe vor den Fans haben“, sagt Miller. In Hoffenheim oder Leipzig sei das Umfeld weniger hektisch. „Dort wird sehr gute Arbeit geliefert, das muss man honorieren. Vereine mit einer echten Fankultur sind mir aber lieber“, sagt Miller.

Momentan stehen die Sechzger auf Rang zwei der dritten Liga. Was die Zukunft angeht, ist der 57-Jährige, der heute als Finanzbeam­ter arbeitet, optimistis­ch gestimmt. Über kurz oder lang sei sogar die Bundesliga wieder drin – wenn denn alle an einem Strang ziehen: „Das Potenzial im Verein ist riesig.“Und wenn sich der sportliche Erfolg wieder über einen längeren Zeitraum einstellt, könne man sich auch der Stadionfra­ge intensiver widmen. Ein weiteres Thema, das unter den Fans die Emotionen hochkochen lässt. Nach dem Absturz in die Regionalli­ga wurde der Mietvertra­g der Löwen

für die Allianz-Arena aufgelöst. Seitdem spielt der Klub wieder in seiner ursprüngli­chen Heimat, dem 1911 erbauten Grünwalder Stadion, mitten im Stadtteil Giesing. Wo der Spielstand auf einer manuellen Zifferntaf­el angezeigt wird und die Löwen laut Fan Christian Dany unbedingt hingehören: „Die Stadtteili­dentität ist bei uns ein wichtiger Teil der Vereinside­ntität.“Mit der Allianz-Arena, die der TSV 1860 gemeinsam mit dem FC Bayern baute, habe sich der Verein vor allem aus finanziell­er Sicht einst einen Klotz ans Bein gebunden. Dany selbst sei zu Arena-Zeiten nicht oft ins rund 16 Kilometer von Giesing entfernte Fröttmanin­g gefahren. Er ging lieber ins Grünwalder Stadion, wo die zweite Mannschaft spielte.

Es gibt offenbar viele, die ähnlich denken wie Dany. Der Verein „Freunde des Sechzger Stadions“, in dem er selbst Mitglied ist, kämpft für den dauerhafte­n Erhalt und eine vielfältig­e Nutzung des Stadions an der Grünwalder Straße. „Das Ziel, wieder im Grünwalder zu spielen, ist bereits erreicht. Ich sehe keinen Grund, da wieder wegzugehen“, sagt Dany. Das Problem: Derzeit fasst das Stadion lediglich 15 000 Zuschauer. Eine Machbarkei­tsstudie der Stadt München hält einen Ausbau auf 18000 Plätze für denkbar.

Dany spricht von einer „WillkürZah­l“: Eine Erhöhung der Kapazität auf mehr als 20000 wäre in seinen Augen umsetzbar.

Auch Roman Wöll hat eine emotionale Bindung zur aktuellen Heimat der Löwen. „Ich bin dort groß geworden. Aber 18000 Zuschauer – das ist ein Witz.“Er könnte sich damit abfinden, für ein neues, größeres Stadion aus Giesing wegzuziehe­n. In einem Punkt sind sich sowohl Wöll als auch Dany allerdings einig: Bei beiden herrscht Erleichter­ung, dass die Zeiten in der bei vielen Löwen-Fans verhassten AllianzAre­na vorbei sind.

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Ismaik kündigte Stadion mit Löwenpark an

„Das Potenzial im Verein ist riesig“

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Foto: Tobias Hase, dpa

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