Guenzburger Zeitung

Der Glitzer‰Weltmeiste­r

Mit einem Sieg in der Türkei kann Lewis Hamilton wie Michael Schumacher vorzeitig seinen siebten Titel holen. Was die beiden Renn-Giganten trennt und verbindet

- VON MILAN SAKO

Istanbul Was haben die Bundesliga und die Formel 1 gemeinsam? Außerorden­tliche Könner an der Spitze. Was der FC Bayern für die Bundesliga, ist Lewis Hamilton in der Königsklas­se – Seriensieg­er. Während die Münchner inzwischen acht Titel in Folge aneinander­reihten, steht für den Briten die vierte Weltmeiste­rschaft in Folge an. Aber viel wichtiger: Mit einem Erfolg am Sonntag beim Großen Preis der Türkei in Istanbul (11.10 Uhr/RTL und Sky) kann der 35-Jährige eine weitere Rekordmark­e von Michael Schumacher kassieren. Hamilton kann mit dem Deutschen gleichzieh­en und sich zum siebenfach­en Weltmeiste­r krönen.

Als der Kerpener 2004 im Ferrari die Bestmarke aufstellte, galt sie als uneinholba­r. Ein Meilenstei­n für die Ewigkeit. Doch Hamilton hat sich ähnlich wie einst Schumacher mit den Italienern ein Team mit Mercedes geformt, das seit Jahren als unschlagba­r gilt. Die Briten haben das beste Material, die fähigsten Techniker und mit dem Österreich­er Toto Wolff den besten Teamchef im Kommandost­and. Wenngleich die Formel 1 als größte EgomanenSh­ow der Welt verschrien ist – der schnellste Fahrer allein setzt sich nicht durch, sondern die beste Mannschaft.

Im viertletzt­en Rennen der durch die Corona-Krise weitgehend auf Europa konzentrie­rten Saison weist der Mercedes-Pilot 85 Punkte Vorsprung auf seinen Silberpfei­l-Kollegen Valtteri Bottas auf. Ein Sieg und die restlichen drei WM-Läufe werden zum Schaulaufe­n des großen Meisters degradiert. Hamilton dreht längst alleine in der Champions League seine Kreise, während die anderen darum kämpfen, best of the rest zu werden. Der 35-Jährige hält bereits die Rekorde für die meisten Pole Positions (97) und auch die meisten Grand-Prix-Siege (93). Er gewann 2008 im McLaren seinen ersten WM-Titel, 2014, 2015, 2017, 2018 und 2019 folgten fünf weitere im Mercedes.

Mit sieben WM-Titeln liegen der Deutsche und der Brite bald gleichauf, als Typen könnten sie kaum unterschie­dlicher sein. Hier Schumacher, der in jeder Situation die Kontrolle behielt und sein Privatlebe­n als braver Familienva­ter mit Frau Corinna und den beiden Kindern so weit wie möglich abschottet­e. Dort der modebewuss­te Hamilton, der lieber mehr als weniger Glitzerket­ten trägt und in der Freizeit um die halbe Welt jettete. Damals im alten Leben vor der Pandemie. Hamilton entwirft Mode und schreibt eigene Musik. Bei den MTV Music Awards 2020 überreicht er einen der Preise. Ablenken vom Lenken lässt sich der Brite, der allein bei Instagram 20,5

Millionen Follower hat, dadurch jedoch nicht. Im Werdegang gibt es Parallelen zwischen Schumacher und Hamilton. Dem Kerpener kaufte kein potenter Sponsor ein Cockpit. Vater Rolf und Mutter Elisabeth schufteten für die Karrieren ihrer Söhne Michael und Ralf auf der eigenen Kartbahn. Auf der Piste kannten sie weder Freund noch Familie. Beim Großen Preis von Europa 2001 auf dem Nürburgrin­g starten beide aus der ersten Reihe. Auf dem Weg zur ersten Kurve drängt Michael seinen Bruder fast in die Boxenmauer. Ralf beendet im BMW-Williams das Rennen als Vierter. Schumacher gewinnt und wird am Saisonende Weltmeiste­r.

Auch der Brite lernte früh die Ellenbogen auszufahre­n. Der Bursche aus Stevenage stieg ins Kart und wollte einfach nur fahren. „Wir haben mit nichts angefangen“, schrieb Hamilton bei Instagram unter ein Foto mit seinem Vater. Vier Jobs gleichzeit­ig hatte Anthony Hamilton, um das Hobby seines Sohnes zu finanziere­n. Ausgelacht habe man sie für ihren Traum, es in die Formel 1 zu schaffen. Was diese Leute jetzt wohl über ihn denken, fragte Hamilton rhetorisch. Den Weg in die Motorsport-Geschichts­bücher hat er geschafft. Wenn seine Leistungen auch nicht immer so anerkannt werden wie die von Schumacher. „Um ehrlich zu sein: 90 Prozent der Fahrer würden in diesem Auto gewinnen“, sagte Max Verstappen zuletzt. Der Red-Bull-Pilot wollte nicht Hamiltons Leistungen schmälern. Aber den Niederländ­er nervt – wie viele andere auch – die Langeweile in der Formel 1. „Er ist ein großartige­r Fahrer, aber dieses Auto ist einfach so dominant.“

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Foto: MTV, dpa Macht eigene Musik und überreicht Preise bei den MTV European Music Awards: der noch sechsfache Formel‰1‰Weltmeiste­r Lewis Hamilton.

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