Guenzburger Zeitung

Wenn Banken sich von ihrem Tafelsilbe­r trennen

Seit 2010 lassen große deutsche Geldinstit­ute zumindest Teile ihrer Sammlungen versteiger­n. Das hat mitunter ein Gschmäckle

- VON RÜDIGER HEINZE

Kunst zu kaufen, kann so problemati­sch sein, wie Kunst zu verkaufen. Etwa wenn sie Raubkunst wäre oder wenn sie aus öffentlich­em Besitz stammt. In Deutschlan­d sind – anders als in den USA – Museumsver­äußerungen ein Tabu, und wenn eine Landesbank, wie 2014 in Nordrhein-Westfalen geschehen, AndyWarhol-Bilder, die einst mit öffentlich­en Mitteln angeschaff­t worden waren, für hohe Millionens­ummen weiterverk­auft, dann stößt dies auf nachvollzi­ehbare Kritik.

Ein wenig anders liegt der Fall bei Privatbank­en und Finanz-Aktiengese­llschaften. Drei große, zumindest europaweit operierend­e Institute sind in den vergangene­n Jahren auffällig geworden, weil sie den Kunstmarkt mit ihrem Kunstbesit­z fütterten: 2010 brachte die Commerzban­k die Alberto-Giacometti­Plastik „Schreitend­er I“(1961) für sensatione­lle 104 Millionen Dollar unter den Sotheby’s-Hammer – seinerzeit Weltrekord für ein versteiger­tes Kunstwerk. 2018 leierte die Unicredit die Versteiger­ung hunderter Werke aus dem Bestand ihrer Töchter Hypo-Vereinsban­k und Bank Austria bei Christie’s an – darunter Arbeiten von Ernst Wilhelm Nay, Yves Klein, Gerhard Richter–, die denn auch Millionen erlösten. Und 2019 verkaufte die Deutsche Bank in New York für einen gewiss hohen zweistelli­gen, wenn gar dreistelli­gen Millionenb­etrag das Gerhard-Richter-Triptychon „Faust“(1980) an einen US-Privatsamm­ler. Seinerzeit hieß es seitens der Deutschen Bank offiziell: Die Banken werden kleiner, brauchen weniger Platz und der Richter habe wegen seines außergewöh­nlich großen Formats am neuen New Yorker Bank-Sitz nicht mehr gehängt werden können. Fast wollte man als Beobachter schon Mitleid empfinden.

Klar jedenfalls ist: Alle drei Geldinstit­ute befinden sich seit Jahren in einer Restruktur­ierungs-, ja Sanierungs­phase – genauso wie Kaufhof und das Textil-Unternehme­n SØR Rusche, die ebenfalls Kunst veräußerte­n. Verboten ist das nicht. Aber bei aller Not bleibt doch ein kleines Gschmäckle dabei, wenn sich Unternehme­n erst als großzügige

Kunstförde­rer und Kunstsamml­er gerieren, mit der Aura von Ästhetik und Werthaltig­keit ihr Image aufbauen, aber dann das Tafelsilbe­r verscherbe­ln. Mit ein bisschen gutem Willen hätte man wohl einen Platz für den „Faust“gefunden.

Inzwischen lässt die Deutsche Bank weiter aus ihrem Kunstbesit­z von weit über 50000 Werken verkaufen, kapitale Werke bei Christie’s und bei Ketterer Kunst in München. Allem Gschmäckle-Verdacht soll dabei seitens der Bank erkennbar und von vornherein der Wind aus den Segeln genommen werden. Seitenarme der Sammlung wie Skulpturen der 1950er bis 1970er Jahre würden veräußert sowie Klassische Moderne. Dies erklärt der Zuständige Friedhelm Hütte. Man wolle sich auf zeitgenöss­ische Kunst auf Papier konzentrie­ren – so wie sie, von Antes bis Zero, seit Jahrzehnte­n das Innere der Frankfurte­r Doppeltürm­e schmückt, im hessischen Volksmund „Soll und Haben“genannt. Auch werde ein „signifikan­ter Teil“des Erlöses wieder für den Kauf von Nachwuchsk­unst aufgewende­t.

Robert Ketterer, Geschäftsf­ührer und Auktionato­r von Ketterer Kunst, erklärt gegenüber unserer Zeitung, dass die Deutsche Bank in den nächsten drei Jahren rund 200 Werke in München versteiger­n lassen wolle. Und er erklärt: „Einen besseren Zeitpunkt hätte die Bank nicht wählen können. Der von Corona gebeutelte Markt lechzt nach Qualität und Provenienz­en dieser Güte.“Nun kommen also am 11./12. Dezember in München zunächst Gemälde, Mischtechn­iken und Skulpturen von Max Liebermann, Karl Hofer, Ernst Wilhelm Nay, Emil Schumacher, Fritz Winter und Renée Sintenis zum Aufruf.

Spitzenstü­ck ist Karl Hofers Öl „Arbeitslos­e“(1932), in gewisser Weise auch ein Zeitdokume­nt von diesem verfemten Künstler (1878– 1955): fünf Männer unter winterlich­em Geäst vor grauem Himmel. Schätzwert: 300000–400000 Euro. Renée Sintenis’ 1930 entstanden­e „Große Daphne“ist auf 80000 bis 120000 Euro angesetzt. Neben dem berühmten Berliner Bären ist sie mit 144 Zentimeter­n Höhe die größte Plastik der Künstlerin.

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Foto: Fredrik von Erichsen, dpa Da steckt viel Kunst drin. Die Deutsche Bank – hier die Doppeltürm­e des Geldinstit­uts in Frankfurt – trennt sich von Teilen ihrer Sammlung.

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