Schwere Vorwürfe gegen DiscoChefin
Am zweiten Prozesstag gibt eine Steuerfahnderin tiefe Einblicke in ihre Ermittlungen und untermauert die Anschuldigungen gegen die 53-jährige Angeklagte aus dem Kreis Günzburg
Landkreis Tief greifende Einblicke in ihre Ermittlungen hat eine Steuerfahnderin am zweiten Prozesstag am Amtsgericht in Augsburg gegeben. Es geht um Steuerbetrug in Millionenhöhe. Dieser wird einer 53-jährigen Angeklagten aus dem Landkreis Günzburg vorgeworfen. Ihr Verteidiger zweifelte zuletzt die Höhe der vom Finanzamt genannten Summe an (wir berichteten). Die zuständige Steuerfahnderin untermauerte vor dem Schöffengericht nun mittels eines Fehlers, den die Angeklagte gemacht hatte, die Vorwürfe des Finanzamts. Diese wiegen schwer: Als Betreiberin einer Disco im Landkreis Günzburg soll die heute 53-Jährige Steuern in 45 Fällen, davon 15 besonders schwere Fälle, hinterzogen haben.
Über elf Jahre hinweg, von 2007 bis 2018, soll dem Staat ein Schaden in Höhe von 1,9 Millionen Euro entstanden sein. Zudem soll die Angeklagte eine Vielzahl ihrer Angestellten schwarz beschäftigt und so Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 180000 Euro hinterzogen haben. Hier stehen laut Anklage 141 Fälle von Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu Buche. Auf den schwerwiegendsten Vorwurf, die Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall, steht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.
Der Verdacht kam 2017 über eine Betriebsprüferin, der Unregelmäßigkeiten aufgefallen waren, zum Finanzamt. Kurz darauf wurde die Steuerfahndung aktiv. Schon vor der groß angelegten Durchsuchung im Januar 2018, die damals für großes Aufsehen sorgte, hatte die Steuerfahnderin der Disco einen Besuch abgestattet – „undercover“, wie sie nun vor Gericht berichtete. Damals nahm sie das Tanzlokal, das Platz für rund 1000 Gäste bietet und die angrenzende Spielothek unter die Lupe. Die Mitarbeiter an der Bar führten demnach eine sogenannte offene Ladenkasse. Das, so die Beamtin, stellte sich im Rahmen der Ermittlungen als Problem heraus.
„Die Buchführung der Angeklagten war ein großer Kritikpunkt, hier gab es ganz erhebliche Mängel“, sagte die Steuerfahnderin. Das Kassenbuch habe sie lediglich als Exceltabelle geführt, die sie an ihren Steuerberater weitergab. Bei einer Hausdurchsuchung im Rahmen der Razzia fand die Polizei jedoch einige Kalender in der Wohnung der Angeklagten. In diesen hatte sie die Umsätze der Jahre 2014 bis 2017 tageweise dokumentiert. Und die Zahlen unterschieden sich recht deutlich von denen, die sie an die Finanzbehörde gemeldet hatte. „Knapp die Hälfte der Umsätze wurden im Schnitt weggelassen“, lautete das Fazit der Fahnderin.
Auf Grundlage dieser Erkenntnis habe sie folglich auch die Umsätze für die Jahre 2007 bis 2013 berechnet. Für diesen Zeitraum gebe es zwar keine Dokumente, aber die Steuerbehörde habe die von ihr gemeldeten Erlöse mit dem Wareneinsatz und den Aussagen mehrerer Mitarbeiter verglichen und sei zu der Annahme gekommen, dass auch die Angaben aus dieser Zeit falsch seien. Der Rohgewinnaufschlag, mit dem die Behörde die Höhe der hinterzogenen Steuern im Nachhinein berechnet, von knapp 350 Prozent sei deshalb auf den gesamten Zeitraum angewendet worden.
Das kritisierte wiederum Peter Mauss, der Anwalt der 53-Jährigen. Dieser Rohgewinnaufschlag sei zu hoch. Zudem würde er nur auf Schätzungen beruhen, die noch dazu nicht mit den Ergebnissen der Betriebsprüfung übereinstimmten. Nach seinen Berechnungen, die unter anderem ausgegebene Gutscheine und eine Verjährung der Fälle zwischen 2007 und 2011 berücksichtigen würden, habe sich lediglich ein Steuerschaden in Höhe von 388 000 Euro ergeben.
Dies wollte die Steuerfahnderin so nicht gelten lassen: „Unsere Werte sind eine Schätzung, aber es bleibt uns wegen der fehlenden Unterlagen nichts anderes übrig. Und wir haben sie recht wohlwollend im Sinne der Angeklagten angesetzt.“
Zum Vergleich nannte sie Erfahrungswerte der Finanzbehörde. Demnach seien für Diskotheken Rohgewinnaufschläge zwischen 280 bis 600 Prozent üblich. „Die angesetzten 350 Prozent liegen da eher am unteren Rand“, betonte die Beamtin. Die Angeklagte, die die über Landkreisgrenzen hinaus bekannte Disco mittlerweile nicht mehr betreibt, habe sich indes auch nach der Betriebsprüfung nicht einsichtig gezeigt, sagte die Fahnderin: „Sie hat so weiter gemacht wie zuvor.“
Die 53-Jährige äußerte sich zu den Vorwürfen bereits im Sommer 2017 in einer schriftlichen Erklärung. In der Zeit von 2007 bis 2017 sei sie nicht die tatsächliche Betreiberin der Disco gewesen, heißt es darin. Stattdessen habe sie im Auftrag ihres Schwagers gearbeitet und den größten Teil des Gewinns an ihn weitergegeben. Ob das so stimmt, das kann offenbar auch die Steuerfahnderin nicht beantworten. Bei ihrem Besuch in der Disco seien sowohl die Angeklagte als auch ihr Schwager anwesend gewesen. Beide seien teilweise als Chef aufgetreten, was sich auch bei den Befragungen der Mitarbeiter nach der Razzia so bestätigt habe. „Wer genau nun der Chef ist, das kann ich nicht sagen“, berichtete die Fahnderin.
Gespräche mit den Mitarbeitern führte auch der zuständige Zollbeamte, der wegen der hinterzogenen Sozialversicherungsbeiträge ermittelt hatte. Zumindest hier herrscht offenbar Klarheit: „Bei keiner einzigen Person war alles korrekt gemeldet“, berichtete der Zollbeamte. Teils seien die Mitarbeiter gar nicht gemeldet gewesen und teils hätten sie mehr Lohn bekommen, als gegenüber den Behörden angegeben.
Die Möglichkeit, sich selbst dazu zu äußern, sollen mehrere Angestellte beim nächsten Verhandlungstermin am Donnerstag, 19. November, bekommen. Dann sollen sieben Zeugen vor Gericht aussagen, darunter auch ein weiterer Steuerfahnder. Das Urteil soll am 22. Dezember fallen.
Es ist wie ein Mantra: Kaufen Sie lokal statt bei Internetriesen, wenn Sie wollen, dass es auch künftig so etwas wie eine lebendige Innenstadt und generell Fachgeschäfte gibt. Während der Online-Handel boomt, kämpfen die alteingesessenen Läden – aber zunehmend auch Ketten – um ihre Zukunft. Das war vor der Corona-Pandemie so, und das wird danach noch stärker zu spüren sein. Beispielsweise in der Günzburger Innenstadt hängen im Schaufenster eines Geschäfts Plakate, die es auf den Punkt bringen: Die Zeiten sind bedrohlich, aber man kämpft weiter – doch damit es überhaupt eine Aussicht auf Erfolg gibt, müssen die Kunden nun einmal unbedingt mitmachen.
Während die Einkaufsstraßen fast leer sind, fahren gefühlt noch mehr Paket-Fahrzeuge über die Straßen, stapeln die Auslieferer noch mehr Kartons.
Natürlich: Im Teil-Lockdown soll wieder möglichst auf Kontakte verzichtet werden. Wie passt es dann zusammen, dass Geschäfte geöffnet bleiben? Schlüssige Hygienekonzepte hat schließlich unter anderem auch die Gastronomie erarbeitet, wird betont, und sie darf doch nur für den Abholservice öffnen – und liefern kann sie auch. Manche staatliche Regel ist eben nicht gerade schlüssig.
So oder so: Viele Läden bieten auch Kunden etwas, die nicht vorbeikommen wollen. Also warum nicht dort auf der Homepage oder telefonisch kaufen? Abgesehen davon, dass es auch unter dem Aspekt des Müll-Vermeidens besser ist, lokal zu kaufen, statt sich dutzende Pakete schicken und sie dann fast alle wieder auf die Rückreise gehen zu lassen: Ein gutes Fachgeschäft sollte den Kunden kennen und passgenau geben, was er braucht. Und um das Mantra ein weiteres Mal zu wiederholen: Nur wenn alle mitmachen, können Fachgeschäfte und Innenstädte lebendig sein.