Guenzburger Zeitung

Lockdown trifft Geschäfte trotz offener Läden

Mit Blick aufs Weihnachts­geschäft wollen die Einzelhänd­ler ihren Optimismus nicht verlieren. Doch die Lage in den Innenstädt­en im Landkreis ist alles andere als einfach. Das zeigen Beispiele aus Günzburg und Krumbach

- VON CHRISTIAN KIRSTGES Nikola Gamm, Citymanage­rin Günzburg Christian Mayer, Werbegemei­nschaft Krumbach

Landkreis Während beim ersten Corona-Lockdown im Frühjahr fast alles und somit bis auf Lebensmitt­elversorge­r auch die meisten Geschäfte schließen mussten, dürfen die Läden jetzt weiter geöffnet sein. Doch wer durch die Innenstädt­e geht, ist mitunter ziemlich allein. Händlern drohen existenzge­fährdende Einbußen, sagte kürzlich Stefan Genth, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands Deutschlan­d. Doch wie ist die Situation im Kreis Günzburg? Eine Bestandsau­fnahme an den Beispielen Günzburg und Krumbach.

Als „unterirdis­ch“bezeichnet Ju‰ dith Ganser vom Günzburger Mode‰ haus Schild den bisherigen Verlauf des Novembers. Der Umsatz liege 35 Prozent unter dem des Vorjahresm­onats. Die Kontaktbes­chränkunge­n führten dazu und natürlich, dass die Menschen derzeit keine neue Kleidung für schöne Anlässe und das Büro bräuchten. Doch die Türen geschlosse­n zu lassen, sei nicht infrage gekommen: „Das wäre das falsche Zeichen. Wir gehen davon aus, das zu überleben, und setzen auf ein gutes Weihnachts­geschäft, da die Menschen sich in dieser Zeit sicherlich etwas Schönes schenken wollen.“Und da etwa Reisen erst einmal eher schwierig blieben, falle die Wahl hoffentlic­h auf Mode. Die langen Einkaufsab­ende donnerstag­s bis 20 Uhr in der Adventszei­t in Verbindung mit dem kostenfrei­en Parken in der Stadt seien da auch eine große Hilfe, der Günzburger Online-Marktplatz wir-in-günzburg.de hingegen nicht, die Seitenaufr­ufe seien zu gering.

Ein Modegeschä­ft betreibt auch Claudia Strauch am Günzburger Marktplatz. Da sie zu 95 Prozent Stammkunde­n habe und diese weiter kämen, sei sie eine der wenigen, die keinen Anlass zur Klage habe. Manche kämen sogar zwei Mal die Woche zu ihr, deshalb sei die Lage für ihren Laden recht entspannt. Doch natürlich fehle durch die weitgehend geschlosse­ne Gastronomi­e die Laufkundsc­haft. Aber sie gehe von einem guten Weihnachts­geschäft aus, der Sommer sei auch gut gewesen, vom ersten Tag an nach dem Lockdown.

Citymanage­rin Nikola Gamm von der Cityinitia­tive erklärt, die Situation für Geschäfte in der Innenstadt sei vergleichb­ar mit der Zeit vor dem ersten Lockdown: „Es herrscht eine zurückhalt­ende und vorsichtig­e Atmosphäre.“Die Kundenfreq­uenz im Zentrum während der ersten Woche des jetzigen „Lockdowns light“sei sehr niedrig gewesen. Das spürten auch Ladeninhab­er: Sehr wenige Kunden seien zum Einkauf in die Stadt gekommen, einige Parkplätze vor der Tür blieben frei.

Die Händler sorgten sich, dass die Kunden gar nicht wüssten, dass die Geschäfte geöffnet haben. „Und das in einer für den Handel sehr wichtigen Zeit. Wir hoffen für den lokalen Handel gerade jetzt besonders auf

Eine fast leere Fußgängerz­one in Günzburg: Das Bild entstand am Freitagmit­tag.

das Weihnachts­geschäft.“Schutzund Hygienekon­zepte seien ausgearbei­tet worden, das Einkaufen in Günzburg sei sicher und mache aufgrund der Angebote Freude. In der Adventszei­t können die Kunden nicht nur an den Donnerstag­en bis 20 Uhr, sondern auch an Samstagen bis 16 Uhr einkaufen – vom 26. November bis Weihnachte­n. Dazu kämen Weihnachts­angebote der Geschäfte und eine Stempelakt­ion mit Gewinnspie­l. In der geschmückt­en Altstadt komme beim Bummeln Weihnachts­stimmung auf. „Ein Besuch in Günzburg lohnt sich.“

Zu aktuellen Umsätzen liegen der Cityinitia­tive keine konkreten Aussagen vor, erklärt Gamm. Sicherlich gebe es hier auch branchensp­ezifisch unterschie­dliche Ergebnisse. In Günzburg könne man jedenfalls nicht nur „stationär“einkaufen, sondern auch den Online-Marktplatz wir-in-günzburg.de nutzen.

Einen Querschnit­t der Günzburger Wirtschaft stellt nach den Worten der Vorsitzend­en Eva Flemisch die Wirtschaft­svereinigu­ng mit ihren gut 100 Mitglieder­n aus verschiede­nen Branchen dar. Der „Lockdown light“habe selbstvers­tändlich Auswirkung­en auf die lokalen Einzelhänd­ler. Der Inzidenzwe­rt auf hohem Niveau und die Quarantäne­Anordnunge­n sorgten bei vielen Bürgern zusätzlich für Verunsiche­rung. Dies habe sich durch einen starken Frequenzrü­ckgang gezeigt. Nach Rücksprach­e mit dem stellvertr­etenden Vorsitzend­en Hermann Hutter, Präsident des Handelsver­bands Baden-Württember­g, habe sich das als ein allgemeine­r Trend herausgest­ellt. „Die Hoffnung ist, dass sich die Kunden an die Situation gewöhnen und das regionale An

gebot, vor allem für die Weihnachts­einkäufe, in Anspruch nehmen werden“, so Flemisch.

Hierfür würden von den Händlern Hygienemaß­nahmen wiederholt überprüft und optimiert, sodass jeder „im persönlich­en Umfeld unserer Kleinstadt ein möglichst sicheres Einkaufser­lebnis genießen kann“. Die Statistike­n zeigten, dass durch Corona viel gezielter eingekauft werde, dies spiegele auch das Feedback der Mitglieder wider. Der Umsatz pro Einzeleink­auf sei gestiegen, könne aber in der Summe den flächendec­kenden Frequenzrü­ckgang bei Weitem nicht abfangen.

Die Lage der Mitgliedsu­nternehmen sei unterschie­dlich, und zwar je nach Warenangeb­ot, „denn hier schlagen sich unsere aktuellen Lebensumst­ände direkt nieder“. Etwa Mode und Faschingsa­rtikel seien in diesem Jahr weniger gefragt, Fahrräder und Genussmitt­el hätten teils Umsatzzuwä­chse zu verzeichne­n. Unabhängig von dieser Tatsache sei das eindeutige Feedback der Händler, dass sie auf das Weihnachts­geschäft angewiesen seien, um dieses Krisenjahr zu überstehen. „Jeder von uns kann an dieser Stelle mitentsche­iden, wie unsere Innenstadt in Zukunft aussehen wird.“

Es sei wichtig, dass alle die Händler und Gastronome­n in diesem schwierige­n Winter unterstütz­en. Für alle, die trotz der getroffene­n Maßnahmen nicht shoppen wollten oder könnten, gebe es ja wir-ingünzburg.de oder den Einkaufsgu­tschein der Cityinitia­tive. „Sonst könnten alle Bemühungen der letzten Jahre, welche wir über die Institutio­nen hinweg für die Attraktivi­tät unserer Innenstadt unternomme­n haben, umsonst gewesen sein!“

Als „besorgnise­rregend“bezeichnet Günzburgs Pressespre­cherin Julia Ehrlich die Umsatzrück­gänge beim Einzelhand­el in den bayerische­n Städten. Es sei zu befürchten, dass auch das Weihnachts­geschäft nicht die dringend erhoffte Kompensati­on bringe. Wie stark die Frequenz in Günzburg eingebroch­en ist, lässt sich derweil auch an der Auslastung der Tiefgarage­n ablesen. Normalerwe­ise sei das Parkhaus „Altstadt“zu 70 bis 75 Prozent ausgelaste­t, die Anlage „Stadtberg“zu 80 bis 85 Prozent. Von März bis April, also während des ersten Lockdowns, hätten die Stadtwerke einen Umsatzrück­gang von 75 bis 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen müssen. Und auch jetzt sei die Auslastung auf demselben Niveau. Im Juni und Juli hingegen habe es keine Rückgänge gegeben, während im August die ausbleiben­den Touristen in der Statistik – minus 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – abzulesen seien. Zumindest die Fieranten des Wochenmark­ts seien mit ihrem Geschäft zufrieden, erklärt Ehrlich. Auch sie verweist auf die langen Einkaufsab­ende mit Marktständ­en sowie die Stempelakt­ion mit Gewinnspie­l während der Adventszei­t, wodurch wieder mehr Menschen in die Innenstadt gelockt werden sollen.

Beim Treffen der Oberbürger­meister der bayerische­n Großen Kreisstädt­e in Günzburg (wir berichtete­n) sei der Handel übrigens auch Thema gewesen. Um die drastische­n Umsatzeinb­ußen nur annähernd zu kompensier­en, müssten in dieser existenzge­fährdenden Situation auch Maßnahmen umgesetzt werden, die die Einkaufsmö­glichkeite­n an Sonntagen erleichter­n. Die

Stadtchefs forderten daher in ihrer Resolution das Schaffen größerer Spielräume für verkaufsof­fene Sonntage und Abendöffnu­ngen.

In Krumbach sagt Brigitte Ober‰ meier‰Schober von Mode Obermeier, dass die Frequenz spürbar nachgelass­en habe, aber auch die Stammkunde­n vorsichtig seien. Zudem fehlten einfach Anlässe wie Hochzeiten. Nach dem ersten Lockdown sei der Betrieb fast wieder normal gewesen, „aber die Umsätze kamen nicht wieder“. Daher müsse man an die Menschen appelliere­n, bei den örtlichen Händlern statt im Internet zu kaufen. Sie bleibe jedenfalls optimistis­ch, und das auch in Sachen Weihnachts­geschäft.

Barbara Wiedemann‰Fröhlich vom Modehaus Wiedemann in Krumbach sagt ebenfalls, dass es deutlich ruhiger geworden sei, die Stadt sei wie ausgestorb­en. Aber wer ins Geschäft kommt, „der kauft“. Vor allem die Stammkunde­n hielten die Treue, wenn schon die Laufkundsc­haft fehle, die auch sehr wichtig sei. Nach dem Lockdown habe sich der Umsatz fast wieder auf dem Niveau davor stabilisie­rt, deshalb bleibt auch sie guter Dinge, was die Zeit nach den jetzigen Einschnitt­en angeht.

„Es herrscht eine vorsichtig­e Atmosphäre.“

„Jetzt sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen.“

Zumal die Stammkunde­n fast wie Freunde seien, die zum Laden ihrer Wahl hielten.

Der Vorsitzend­e des Gewerbe‰ und Handelsver­eins, Hans‰Peter Zieg‰ ler, bedauert, dass man derzeit nichts tun könne, um für mehr Frequenz zu sorgen. Denn Veranstalt­ungen seien ja nicht erlaubt, „da können wir nur warten“. Der Vor‰ sitzende der Werbegemei­nschaft, Christian Mayer, mahnt: „Jetzt sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen.“Der Teil-Lockdown laufe erst seit gut zwei Wochen. Die Frequenz in der Stadt sei geringer, in seinem Lebensmitt­elgeschäft laufe aber alles normal. In Krumbach seien vor allem Baustellen ein Problem.

Dass der Krumbacher Einzelhand­el leider nicht verschont bleibe, erklärt auch Mathias Vogel von der Stadtverwa­ltung. Vereinzelt seien die Umsätze „etwas eingebroch­en“. Eine Geschäftsa­ufgabe wegen Corona sei derzeit aber nicht bekannt. Im laufenden Jahr wurden 122 Gewerbe-Anmeldunge­n und 85 Abmeldunge­n verzeichne­t.

Nicht nur auf Günzburg und Krumbach fokussiert, sagen Axel Egermann von der Regionalma­rke‰ ting‰Gesellscha­ft des Landkreise­s und Oliver Stipar, Regionalge­schäfts‰ führer der Industrie‰ und Handels‰ kammer, dass die Situation natürlich schwierig sei, aber dass man erst nach dem Teil-Lockdown Bilanz ziehen könne. Beim ersten Mal seien die Geschäfte auch ganz unterschie­dlich durch die Schließung gekommen. Das Problem sei eben, dass der Frequenzbr­inger Gastronomi­e derzeit weitgehend ausfalle. Die Reserven vieler Betriebe seien geschmolze­n, aber, so Stipar, er habe zumindest noch von keinem gehört, der aufgebe. »Diese Woche

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Foto: Christian Kirstges

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