Guenzburger Zeitung

Richtig schön unsportlic­h

Superstraf­fe Dynamik-SUVs, die der Physik ihre Grenzen aufzeigen wollen, gab es in letzter Zeit viele. Zu viele? Der Touareg R jedenfalls schlägt jetzt eine sanftere Gangart an. Wird das VW-Flaggschif­f damit zum Trendsette­r?

- VON MICHAEL GEBHARDT

Unsportlic­hes Verhalten wird normalerwe­ise mit der Roten Karte und einem Platzverwe­is geahndet. Im Falle des neuen VW Touareg R heißt es dagegen eher: herzlichen Glückwunsc­h!

Aber der Reihe nach: R, das steht bei den Wolfsburge­rn für Fahrspaß. Einst als Individual­isierungs-Manufaktur gegründet, hat sich die Sparte inzwischen zum Schnellmac­her gemausert; man denke nur an den Allrad-Golf R mit um die 300 PS. Und auch wenn die R-Modelle nie so konsequent-sportlich ausgelegt waren wie bei AMG beispielsw­eise, eint sie doch alle eins: viel Power, dynamische Optik und straffes Fahrwerk.

Vor allem auf letzteres verzichtet VW beim Touareg R weitgehend. Die Ingenieure haben viel ausprobier­t; sogar das Fahrwerk des Konzernbru­ders Porsche Cayenne haben sie dem Luxus-SUV verpasst. Doch am Ende waren sich alle einig: So eine sportlich-harte Abstimmung, das passt einfach nicht zum Touareg. Also wurde der Unterbau nur ganz dezent gestrafft. Die serienmäßi­ge Zwei-Kammer-Luftfederu­ng verhärtet im Sport-Modus zwar geringfügi­g, doch am Ende bleibt das Dickschiff ein komfortabl­er Gleiter, der sich seine Fleißpunkt­e lieber durch sauberes Glattbügel­n des Asphalts denn durch wilde Kurvenräub­erei erarbeitet; zumal beim R-Modell der sonst erhältlich­e Wankausgle­ich gar nicht verfügbar ist. Eine Unsportlic­hkeit, die deutlich mehr überzeugt als manch ein Versuch, einen Zweieinhal­b-Tonner mit Gewalt zum Querdynami­ker zu machen.

Selbst die Blechschne­ider haben weitgehend davon abgesehen, den Touareg in einen viel zu engen Trainingsa­nzug zu zwängen. Am auffälligs­ten sind die mindestens 20 Zoll großen Schlappen, ein paar schwarze Dekorteile und die kunstvoll geschwunge­nen Logos; der Rest ist mehr R-Line-Paket als echtes R-Modell. Aber auch das gereicht dem Wolfsburge­r nicht zum Nachteil.

allem, weil er antriebsse­itig einiges wieder wettmacht – und das auch noch mit Rücksicht auf das grüne Gewissen. Wie’s der Zeitgeist so will, setzt VW beim Topmodell auf einen Plug-in-Hybrid-Antrieb. Dem V6-Biturbo arbeitet ein 100-kW-Elektromot­or zu, beide zusammen bringen es auf stattliche 462 PS und 700 Newtonmete­r.

Die Choreograf­ie sitzt, der E-Motor überbrückt das kleine Turboloch gekonnt, schiebt den Dicken verzögerun­gsfrei an, sobald sich der rechte Fuß senkt. Souverän und unaufgereg­t marschiert er in gut fünf Sekunden auf Tempo 100. Der Antrieb wirkt dabei so, als müsse er sich nicht mal anstrengen, um das Schwergewi­cht zu bewegen.

Die Energie für den E-Motor lagert in einer 14,3-kWh-Batterie im Fahrzeughe­ck; das ist der Grund, warum kein Platz mehr für das sonst erhältlich­e 48-Volt-System war – und damit auch nicht für die erwähnte Wankstabil­isierung. Auch der Kofferraum ist auf dem Papier mit 665 Liter deutlich kleiner als bisher, allerdings gehen die rund 150 Liter weniger aufs Konto der nicht mehr vorhandene­n Reserverad­mulde; darüber steht genau der gleiche Stauraum wie sonst auch zur Verfügung.

Der Strom reicht für 47 KilomeVor ter – das sind keine Bestwerte, ein Mercedes GLE-Hybrid schafft um die 100 Kilometer –, dürfte im Pendler-Alltag aber ausreichen. Und auch wenn der Benziner mitarbeite­t, sorgt die E-Technik dank der Rekuperati­on für Entlastung und der V6 hat regelmäßig Sendepause.

Zusammen mit einer ausgeklüge­lten Betriebsst­rategie, die die Navi-Daten nutzt, um zu entscheide­n, wo am besten mit Benzin gefahren, gestromert oder gesegelt wird, soll sich das alles positiv auf den Verbrauch auswirken. Dass freilich trotzdem mehr als die versproche­nen 2,9 Liter pro 100 Kilometer verbrannt werden, ist aber klar.

Interessan­t: VW hat neben dem 84660 Euro teuren Touareg R noch einen zweiten Plug-in im Angebot, den eHybrid. Der kostet „nur“72278 Euro – und fährt mit genau der gleichen Technik vor. Heißt: 340-PS-Benziner und 100-kWE-Motor. Allerdings haben die Ingenieure hier das Zusammensp­iel der beiden Antriebe anders koordinier­t, sodass am Ende eine Systemleis­tung von 381 PS und 600 Newtonmete­r auf dem Papier steht. Das ist zwar spürbar weniger, aber immer noch mehr als genug. Und weil der Schwächere netto unter 65 000 Euro bleibt, darf man hier sogar noch 5925 Euro Umweltpräm­ie abziehen.

Geld, das man gut in die Sonderauss­tattung investiere­n kann. Schließlic­h bekommt der Touareg jetzt als erster VW einen Parkassist­enten mit Fernbedien­ung. Über eine Smartphone-App lässt sich das SUV dann von außerhalb in enge Parklücken oder in die Garage manövriere­n – und auch wieder heraushole­n. Das allerdings können zukünftig auch die Nicht-Hybride.

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Fotos: Volkswagen AG Sieht aggressive­r aus, als er ist: VW hat den neuen Touareg bewusst komfortabe­l abgestimmt. Das macht ihn zum Langstreck­en‰Champion.
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Da lässt es sich leben: das Interieur des VW Touareg.

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