„Mehr, als wir uns erträumt haben“
Panther-Klubchef Lothar Sigl über die Gründe für das Ja der Augsburger zu einem Saisonstart in der DEL, die Gespräche mit den Eishockey-Profis und die Höhe des Etats, der um mehr als die Hälfte gekürzt werden musste
Vor wenigen Wochen sah es noch nach einem Startverzicht der Panther in der Deutschen Eishockey Liga aus, weil eine Saison ohne Zuschauer nicht finanzierbar schien. Jetzt verkündet Augsburg, dass man am Spielbetrieb, der am 18. Dezember starten soll, teilnehmen kann. Was hat sich getan? Sigl: Ich hätte es vor ein paar Wochen für völlig ausgeschlossen gehalten, dass es in Augsburg ohne Zuschauer geht. Wir haben eine spezielle Situation durch Corona. Aber als Eishockey-Funktionär wird man ehrgeizig, um nicht als einer der wenigen Klubs an seinem Standort ein Jahr lang auszusetzen. Es sind ein paar günstige Faktoren zusammengekommen.
Die da wären?
Sigl: Durch die zweimalige Verschiebung des Saisonstarts und den Verzicht auf den Magenta Cup, den acht von 14 DEL-Klubs spielen, haben wir wertvolle Zeit gewonnen. Wir haben viele Ergänzungen oder Kürzungen im Etat vorgenommen. Wir haben mit dem Rotstift sämtliche Positionen abgegrast und alle Einsparungsmöglichkeiten genutzt, die es gibt. Zuerst haben wir die übernächste Saison 2021/22 abgesichert. In diese Gespräche ist eine unerwartete Dynamik gekommen. Unsere vielen kleinen und mittleren Sponsoren, die selbst gar nicht ins Stadion dürfen und auch die Zuschauer, die deren Werbung nicht zu sehen bekommen, haben uns ihre Unterstützung signalisiert. Das war mehr als wir uns im April oder Mai erträumt haben. Auch der Zuspruch der Fans, die wissen, dass sie lange Zeit nicht ins Stadion können, war groß: Kommt, probiert es doch, auch wenn wir nicht rein können. Zum Schluss sind auch die Spieler uns entgegengekommen.
Bisher verzichten alle DEL-Profis auf bis zu 25 Prozent ihres Gehalts. Aus Köln verlautet, dass die Spieler einem Verzicht von 60 Prozent zustimmten. Wie sieht es in Augsburg aus?
Sigl: Sie wissen: Wenn es ums Geld geht, werde ich in der Öffentlichkeit einsilbig. Es geht aber nicht an die 60 Prozent. Dazu muss ich sagen, dass die Spieler auf uns zugekommen sind. Sie haben uns den ganzen Sommer über signalisiert, dass sie spielen wollen. An ihnen wird es nicht scheitern, das haben wir gewusst. Wir hatten eine andere Herangehensweise als andere Klubs. Wir wollten erst unsere Hausaufgaben machen und alle Einsparmöglichkeiten ausloten, bevor es um die Profis ging. Wir haben wie schon im Mai alle Spieler an Bord. Wir haben uns über den Sommer viel Arbeit gemacht und die Mannschaft regelmäßig informiert. Vor zwei Monaten waren wir noch Lichtjahre von Lösungen entfernt. Inzwischen sind wir bei Newsletter Nummer elf angelangt, die Spieler wussten immer, wo wir stehen. Keiner ist nervös geworden. Wir mussten nicht bis zum letzten Cent pokern. Das zeigt den Charakter der Mannschaft. Die halten dermaßen zusammen: Da ist keiner dabei, der querschießt.
Ein Baustein der Finanzierung des Saisonbudgets sind die möglichen Corona-Hilfen der Bundesregierung. Die Panther haben den Höchstbetrag von 800000 Euro beantragt. Liegt eine Zusage inzwischen vor?
Sigl: Wir haben mittlerweile eine positive Bewilligung erhalten. Ohne über die Summe für uns zu reden ist der Betrag auf 800000 Euro gedeckelt. Das ist ein wichtiger Baustein für uns, reicht aber bei weitem nicht aus, um unsere Ausfälle bei den Zuschauereinnahmen auszugleichen. Wir hatten in 26 DEL-Heimspielen über 5500 Fans im Schnitt. Dazu vier gut besuchte Champions-LeaguePartien. Wir sind meilenweit von unseren sonstigen Einnahmen entfernt, wenn wir mit null Besuchern spielen. Wir hoffen, dass das Programm für die Profisportarten hinter dem Fußball auch 2021 fortgesetzt wird. Das wäre dringend nötig, um das abzufangen, was da noch alles auf uns zukommt. Man sieht ja, wie die Handballer in den Seilen hängen. Auch wenn wir jetzt starten können – es wird keine unbeschwerte Saison für uns alle werden.
Wie hoch fällt das Not-Budget aus? Sigl: Wir haben uns über die Jahre ohne einen Hauptsponsor hart nach
gearbeitet und sieben Millionen Euro wären unter normalen Bedingungen unser Ziel gewesen. Mehr als 2,5 Millionen trauen wir uns momentan nicht zu und hoffen, dass wir die Summe so schnell wie möglich fixieren können. Aber es sind wie immer im Eishockey ein paar Risikofaktoren dabei. Wenn aus der Liga das Signal für den Saisonstart kommt, gehen wir nicht in den Winterschlaf, sondern arbeiten daran, noch den einen oder anderen Euro akquirieren zu können.
Am Donnerstag will die DEL entscheiden, ob am 18. Dezember die Saison startet. Wie schätzen Sie als Mitglied des Aufsichtsrats die Lage ein: Sind alle 14 Klubs dabei?
Sigl: Ich bin mir relativ sicher, dass die DEL in den Spielbetrieb geht. Die Augsburger Panther spielen mit, aber ich kann nicht für die anderen 13 reden. Zuletzt gab es viele positive Nachrichten. Ich bin zuversichtlich, aber jeder Klub muss seine Zahlen anschauen und eine Entscheidung treffen. Ich hoffe, dass alle 14 dabei sind, trotzdem wird es eine außergewöhnliche Saison.
Wie könnte der Spielplan aussehen, sofern alle 14 DEL-Kubs ihre Teilnahme zusagen?
Sigl: Ein Modell sieht die Teilung der Liga in Nord und Süd vor. Die bayerischen Klubs mit uns, München, Nürnberg, Ingolstadt und Straubing sowie Schwenningen und Mannheim, bilden die Südgruppe, der Rest (Berlin, Iserlohn, Düsseldorf, Köln, Wolfsburg, Bremerhaven und Krefeld, Anm. d. Red.) den
Norden. Die Gruppen spielen eine Doppelrunde, um auch die Reisen und Hotelaufenthalte in CoronaZeiten in Grenzen zu halten. Gegen die Teams aus der anderen Gruppe wird eine Einfachrunde gespielt. Danach könnten Play-offs folgen. Aber es kommt auch darauf an, wie weit die Spiele durchgezogen werden können. Wenn keine Zeit bleibt, ermitteln nur die beiden Gruppenersten in Play-offs den Deutschen Meister. Man wird die Spieltage wohl über die gesamte Woche streuen, weil Zuschauer im Moment eh nicht erlaubt sind und man so die TV-Quoten erhöhen kann. Über Modus und Spielplan werden wir am Ende der Woche mehr wissen.
Werden die drei noch offenen Ausländerstellen bei den Panthern bis dahin besetzt?
Sigl: Ich erinnere an das Jahr 1987, damals war der AEV in einer finanziell schwierigen Situation. Wir haben mit dem Zusatz i. K. gespielt, im Konkurs. Bis Dezember haben wir ohne Ausländer angefangen, danach sind Ron Amyotte und Barry Burkholder verpflichtet worden. Zum Saisonauftakt werden wir jetzt keine Ausländer holen. Wir haben mühsam ein Budget aufgestellt unter dem Verzicht der bisher budgetierten drei Ausländerpositionen. Die Luft brauchen wir, um in den Spielbetrieb zu kommen. Wir haben eine spielfähige Mannschaft mit zwei Torhütern, acht Verteidigern und 13 Stürmern. Wir haben nur sechs statt neun Ausländer, aber wir geben unserer Mannschaft das Vertrauen. Sollten uns schwere Verletoben zungen treffen oder wir merken, dass wir sportlich reagieren müssen, werden wir schauen, ob wir nachbessern können. Der noch wichtigere Grund: Unsere Spieler waren jetzt neun Monate lang geduldig und haben auf Teile des Gehalts verzichtet. Dann kommt plötzlich ein neuer Profi in die Umkleidekabine und unser Spieler denkt: Hoppla, der wurde jetzt mit meinem Geld verpflichtet.
Sie haben vor 33 Jahren den Klub übernommen und viele Probleme gemeistert. Wie ordnen Sie die CoronaPandemie für den Sport und die Augsburger Panther ein?
Sigl: Das ist die größte Herausforderung in meiner Arbeit als Eishockey-Funktionär. Das Schlimmste ist: Man konnte sich nicht darauf vorbereiten. Bis jetzt sind wir gut durchgekommen, aber es ist noch lange nicht vorbei. Es schwebt immer eine schwarze Wolke über uns.
Das Interview führte Milan Sako.
Lothar Sigl nahm 1987 den Augsburger EV in wirt schaftlich schwie rigen Zeiten und führte den Klub als Hauptge sellschafter in die erste Liga. 1994 gehörten die Panther zu den DELGründungs mitgliedern. Der 63Jährige aus Re derzhausen bei Friedberg sitzt im Aufsichtsrat der Profiliga. über