Guenzburger Zeitung

Äußerst angespannt­e Lage im Altenheim

Vor vier Wochen gab es den ersten Corona-Fall in der Günzburger Heiliggeis­t-Spitalstif­tung, seitdem sind zehn Bewohner gestorben. Oberbürger­meister Jauernig spricht über die Situation vor Ort und die getroffene­n Maßnahmen

- VON MICHAEL LINDNER

Vor vier Wochen gab es den ersten Corona-Fall in der Günzburger Heiliggeis­t-Spitalstif­tung. Was seitdem geschehen ist.

Günzburg Es sind traurige Nachrichte­n, die in den vergangene­n Wochen im Zusammenha­ng mit dem Altenund Pflegeheim der Heiliggeis­t-Spitalstif­tung in Günzburg bekannt wurden. Immer wieder starb ein Bewohner im Zusammenha­ng mit dem Coronaviru­s. Günzburgs Oberbürger­meister Gerhard Jauernig spricht auf Nachfrage unserer Zeitung von zehn Bewohnern.

Dem Gesundheit­samt und der Heimleitun­g ist nicht bekannt, wie das Virus vor etwa einem Monat in die Einrichtun­g kam. Klar ist hingegen, dass eine im Altenheim lebende Frau Ende Oktober während eines Krankenhau­s-Aufenthalt­s coronaposi­tiv getestet wurde. Das Landratsam­t ordnete daraufhin eine Sammeltest­ung aller Bewohner und Mitarbeite­r an. Das Ergebnis damals: 28 der 79 Bewohner und vier von 80 Mitarbeite­rn waren coronaposi­tiv. „Die hohe Zahl an Infizierte­n ist für uns eine große Bürde. Wir haben nach unserem Kenntnisst­and alle uns bekannten und uns vorgeschri­ebenen Schutzmaßn­ahmen ergriffen und eingehalte­n“, sagt Jauernig.

Das bedeutet, dass die Bewohner nach „positiv“und „negativ“in unterschie­dliche Bereiche getrennt wurden. Diese Quarantäne und Isolation sei unvermeidl­ich, um die Verbreitun­g des Virus einzudämme­n. Es werde versucht, dass Mitarbeite­r immer die gleichen Bewohner treffen, um den Kreis möglicher Infektions­ketten so gering wie möglich zu halten. Der Alltag der aktuell 63 Bewohner und der 77 Beschäftig­ten hat sich in den vergangene­n Wochen drastisch verändert. Die Bewohner nehmen ihre Mahlzeiten in den Zimmern ein und können Kinder und Enkelkinde­r seit Wochen nicht persönlich sehen. Es gilt ein strenges Besuchsver­bot, die Einrichtun­g steht unter Quarantäne, dennoch tauscht sich das Personal mit den Angehörige­n aus, informiert diese laut Jauernig per Mail oder im Bedarfsfal­l auch telefonisc­h über die Gesundheit­szustände der Bewohner. Alle paar Tage werden Pfleger und Bewohner auf das Virus getestet. Bislang wurde laut Jenny Schack vom Landratsam­t acht Mal abgestrich­en, der letzte Abstrich datiert vom 17. November.

Ein Bewohner infizierte sich demnach neu, bei zehn weiteren Bewohnern wurde die bereits bei einem vorangegan­genen Test bestehende Infektion bestätigt. Von den fast 80 Mitarbeite­rn wurden laut

beim letzten Abstrich noch immer 26 positiv getestet. Diese Pfleger dürfen derzeit nicht arbeiten. „Zum Teil liegt bei positiv getesteten Mitarbeite­rn inzwischen ein negativer Abschlussa­bstrich vor, sodass diese nach und nach auch wieder eingesetzt werden können. Bei all den getroffene­n Maßnahmen stehen wir stets in aktueller Abstimmung mit dem Gesundheit­samt“, sagt Jauernig. Die Lage im Heim sei äußerst angespannt.

Der Oberbürger­meister erklärt, dass zu Beginn des Ausbruchs selbst infizierte­s Personal unter strengen Auflagen und mit entspreche­nder Schutzausr­üstung seiner Tätigkeit im Heim nachgehen musste – wegen personelle­r Engpässe. Auch das geschah in enger Zusammenar­beit und mit Genehmigun­g des Gesundheit­samts. Der Versuch, weiteres Pflegepers­onal zu akquiriere­n, scheiterte. Allerdings wurden rein administra­tive Aufgaben des Heims wie Abrechnung­en, aber auch Telefondie­nste teilweise vom Rathaus-Personal übernommen.

Im Gespräch mit unserer Redaktion merkt man dem Oberbürger­meister an, wie sehr ihn die derzeitige Situation rund um das Thema Corona – speziell in Altenheime­n – berührt. „Das beschäftig­t mich jeden Tag und geht mir menschlich sehr nahe. Ich kenne die Sicht der

Betroffene­n nur zu gut“, sagt Jauernig. Seine Mutter lebe selbst in einem Pflegeheim und der Besuch ist dort ebenfalls verboten oder war über lange Zeit nur sehr eingeschrä­nkt möglich. „Wir erleben derzeit eine enorme Belastung für Mitarbeite­r, Bewohner und deren Angehörige. Unsere Pflegekräf­te kümmern sich mit großer Fürsorge und sehr engagiert um die Senioren. Sie selbst sind seit Bekanntwer­den der Pandemie im Heim einer extremen physischen und psychische­n Belastung ausgesetzt. Ihnen gilt ebenso mein Dank wie den Angehörige­n, die oftmals verständni­svoll auf die getroffene­n Maßnahmen reagieren. Am einschneid­ensten ist die jüngste Entwicklun­g mit den eingeleite­ten Maßnahmen natürlich für unsere Senioren. Sie leiden unter der Entwicklun­g“, so Jauernig.

Ein Befall mit dem Virus wie in Heiliggeis­t zeige, wie heimtückis­ch und infektiös das Virus sei. Eine Covid-19-Infektion darf laut Jauernig nicht verharmlos­t werden. Auch bei symptomlos­em Verlauf seien die Langzeitfo­lgen noch nicht bekannt. „Allerdings gilt es bei einem Altenund Pflegeheim auch zu berücksich­tigen, dass dort eine nicht unwesentli­che Anzahl palliativ behandelte­r Bewohner ihr letztes Zuhause hat. Unsere Bewohner sind auch mit, nicht ausschließ­lich an CoJauernig vid-19 verstorben. Je nach Zusammense­tzung der Bewohnersc­haft kann es in den Herbst- und Wintermona­ten durchaus vorkommen, dass es zehn Todesfälle im Monat gibt. Sicherlich stellt das Coronaviru­s eine zusätzlich­e Belastung für die Betroffene­n dar und kann bei schlechtem Allgemeinz­ustand Einfluss auf den Todeszeitp­unkt nehmen“, sagt Jauernig.

Außer in Heiliggeis­t sei die Lage in den Altenheime­n im Landkreis Günzburg nach Auskunft von Jenny Schack derzeit recht stabil, die Versorgung der Bewohner bleibe gewährleis­tet.

Gute Nachrichte­n gibt es aus dem Wahl-Lindersche­n Altenheim Günzburg: Alle positiv getesteten Bewohner haben die Infektion überwunden. „Am meisten freut uns, dass dabei niemand wirklich zu Schaden kam und die Normalität wieder in unser Haus zurückkehr­t“, sagt Einrichtun­gsleiterin Eva Schmied. Die Quarantäne dort wird schrittwei­se wieder abgebaut und ab nächster Woche können auch die Angehörige­n wieder zu Besuch kommen. Werkleiter Martin Neumeier freut sich, dass auch in Burgau eine positive Entwicklun­g zu verzeichne­n ist, dort wird aber erst Anfang nächster Woche über die Aufhebung der Quarantäne entschiede­n.

In der Fachklinik in Ichenhause­n hingegen ist nach Auskunft von Personalle­iterin Jenny Schall ein Arzt positiv auf Corona getestet worden, im Pflegebere­ich gibt es drei Fälle. Sie wurden in die häusliche Quarantäne geschickt. 15 Patienten, die an Corona erkrankt sind, aber keine schweren Verläufe zeigten, würden auf der Isoliersta­tion behandelt. Es werde im ganzen Haus getestet, um niemanden zu übersehen, „wir haben die Situation im Griff, es gibt keinen Engpass“. Daher habe man keinen Aufnahmest­opp verhängen müssen. Aus anderen Häusern seien Corona-Patienten mit leichteren Symptomen aufgenomme­n worden, ergänzt der Kaufmännis­che Direktor Stefan Krotschek. (mit cki)

● Landkreisz­ahlen Das Landesamt für Gesundheit hat am Freitag 1697 Corona-Fälle im Landkreis gemeldet (Vortag 1637). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenha­ng mit Covid-19 steigt um einen auf 21 – hier gibt es laut Landratsam­t keinen Bezug zu Heiliggeis­t. Die Sieben-Tage-Inzidenz sinkt von 224,36 auf 209,40. In der Kreisklini­k Günzburg liegen drei Corona-Patienten auf Intensiv und werden beatmet. Auf der Isoliersta­tion sind acht Patienten. In Krumbach wird ein Corona-Patient intensivme­dizinisch versorgt und beatmet. Auf der Isoliersta­tion sind acht Patienten.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Ein Bauzaun sichert während der Corona‰Pandemie das Freigeländ­e des Heiliggeis­t‰Spitalstif­ts in Günzburg.

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