Günzburg erhält barocke Stadtansicht zurück
Der Schlossturm bekommt nach mehr als 150 Jahren wieder sein altes Dach. Warum die Symmetrie damals zerstört wurde und wie es nun weitergeht
Günzburg Karlheinz Treimer vom Staatlichen Bauamt Krumbach und Bauleiter der Schlossbaustelle ist begeistert: „Nach über 150 Jahren provisorischem Blech-Spitzdach sitzt die Turmspitze mit der goldenen Kugel wieder auf ihrem ursprünglichen barocken Mansardwalmdach. Damit unterstreicht das Turmdach die grundsätzlich barocke Schlosssilhouette und gibt der westlichen Stadtansicht von Günzburg ihre ursprüngliche Symmetrie zurück.“Damit ist ein weiterer Teil der jahrelangen Sanierungsarbeiten des Günzburger Schlosses geschafft.
Seit wenigen Tagen ragt aus all den Gerüstplanen das neue Turmdach stolz hervor. Auf ihm thront die goldene Kugel. „Von unten wirkt die Spitze klein und filigran, doch hat sie immerhin eine Gesamtlänge von 2,50 Meter und die Kugel einen Durchmesser von 50 Zentimetern, sagt Bauleiter Treimer.
Der Schlossturm ist der älteste Teil des Schlosses. Er entstand bereits als Stadtmauereckturm mit der spätmittelalterlichen Gründung der Günzburger Oberstadt im 14. Jahrhundert. Als das erste spätgotische Burgschloss in der südwestlichen Ecke der Stadtbefestigung entstand, wurde der Stadtmauerturm in die Anlage integriert – so überstand er die Jahrhunderte.
Er war Teil einer prächtigen Renaissance-Residenz, bis ihn Joseph Dossenberger bei der großen Schlosssanierung der Barockzeit 1768 um ein weiteres, fünftes Geschoss erhöhte und ihm, wie auch dem Hauptgebäude, ein Mansardwalmdach aufsetzte. Doch dieses hatte nur knapp 100 Jahre Bestand.
Um 1866 erhielt der ehemalige Stadtturm aus funktionalen Gründen anstatt seines Mansardwalmdaches einen blechgedeckten Spitzhelm, der die Silhouette des Schlosses erheblich beeinträchtigte. Man zerstörte dadurch die bis dahin aus
Ursulaturm, Stadtturm und Schlossturm bestehende symmetrische Westansicht der Stadt.
Bei der Planung der aktuellen Generalsanierung ergab sich die Möglichkeit, der westlichen Stadtansicht ihre barocke Symmetrie wiederzugeben. In Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege entschied das Staatliche Bauamt Krumbach, das sowohl für die Planung wie auch für die Umsetzung der Maßnahme verantwortlich ist, den bis dahin blechgedeckten Turm wieder in seiner barocken Gestalt auszuführen. Ausschlaggebend dafür war, wie die intensiv durchgeführte Bauforschung ergab, dass der untere Bereich des Dachstuhles in tadellosem Zustand erhalten war. Die zur Barockzeit vorhandene Laterne wurde nachgebildet. Auf der Spitze des wieder mit Biberschwanzdachziegeln gedeckten Turmes thront nun wieder die noch vorhandene barocke Turmspitze mit der goldenen Kugel.
Seit Juli 2017 wird mittlerweile auf der Baustelle des Schlosses Günzburg gearbeitet. Der erste Bauabschnitt umfasste den Westflügel, welcher im September 2019 nach mehr als zweijähriger Bauzeit eröffnet wurde. In ihm befindet sich das neue Servicezentrum des Finanzamtes. Seitdem ist der zweite Bauabschnitt an der Reihe, welcher das Hauptgebäude und den Südflügel beinhaltet. Hinter Gerüsten und Bauzäunen war kaum zu erkennen, wie intensiv auf der Baustelle in den vergangenen Monaten gearbeitet wurde. Denn wie bereits beim Westflügel, sind auch beim zweiten Bauabschnitt der Schlosssanierung, dem Hauptgebäude mit dem hoch
aufragenden Mansardwalmdach und dem Südflügel, massive statische Reparaturen notwendig, bevor es an den Innenausbau gehen kann, teilt die Behörde mit. Fertig sollen die Arbeiten nach Auskunft des Staatlichen Bauamts im Herbst 2021
sein. Die Kosten für die ersten beiden Bauabschnitte sollen mehr als 14 Millionen Euro betragen. Wenn diese Arbeiten alle abgeschlossen sind, sind der Nordflügel des Schlosses sowie das benachbarte Minholzhaus dran.