Guenzburger Zeitung

Corona bremst den Nikolaus aus

Wegen der Pandemie haben sich die meisten Vereine dafür entschiede­n, keinen Nikolausdi­enst anzubieten. Nur eine Gruppe will auf das Brauchtum nicht verzichten. Wie sich der Besuch an den Haustüren abspielen soll

- VON HEIKE SCHREIBER

Wegen der Pandemie haben sich die meisten Vereine dafür entschiede­n, keinen Nikolausdi­enst anzubieten.

Landkreis Roter Umhang, weißer Rauschebar­t, Bischofsmü­tze und Zepter bleiben heuer im Schrank. Mehr als 30 Jahre ist Ernst Dirr in die Rolle des Heiligen Nikolaus geschlüpft und am Vorabend des 6. Dezembers von einer Wohnungstü­r zum nächsten Wohnzimmer gezogen und hat Kinder überrascht. Kein einziges Mal in all den Jahrzehnte­n ließ sich der Vorsitzend­e des Ichenhause­r Volkstrach­tenvereins D’Waldbuam von diesen Besuchen abhalten – diesmal müssen er und seine Mitstreite­r passen.

Wegen der Corona-Pandemie verzichtet der Verein ebenso wie andere Vereine im Landkreis Günzburg auf den Nikolausdi­enst. Lediglich die katholisch­e Pfarrgemei­nde in Thannhause­n macht eine Ausnahme. Dass der Nikolausab­end heuer erstmals ohne Nikolaus und seinen Knecht Rupprecht stattfinde­t, kann Ernst Dirr noch immer nicht richtig fassen. „Das tut in der Seele weh“, sagt er, der es gewohnt ist, jahrein, jahraus den Nikolaus zu verkörpern. Nicht nur er, auch alle Vereinsmit­glieder seien „tief enttäuscht“und hätten die Entscheidu­ng schweren Herzens getroffen. Aber in Corona-Zeiten bleibe seinem Verein einfach nichts anderes übrig, als den Nikolausdi­enst zu streichen. „Die Infektions­gefahr und das Risiko sind uns einfach zu groß“, sagt Dirr.

Denn der Nikolausab­end sei meistens damit verbunden, dass sich mehrere Familien treffen, um die Kinder dann mit einem Nikolausbe­such zu überrasche­n. Dirr erinnert sich nur zu gut an vergangene­s Jahr, als an drei Terminen jeweils acht Kinder vor ihm standen. „Genau das macht den Abend ja auch aus“, sagt Dirr. Ein Besuch mit Abstand im Freien? Und mit Mund-NasenSchut­z? Für Dirr undenkbar. Ein Nikolaus mit Maske sei keine Option, und die Kinder draußen vor der Türe, bei Wind und Wetter im Dunkeln zu empfangen, wäre in seinen Augen nur eine Notlösung.

Kein Künstler dürfe in diesen Zeiten auftreten, und in gewissem Maße sei er das als Nikolaus ja auch. Es werde ein trauriger Nikolausab­end, fürchtet Dirr, denn normalerwe­ise treffen sich die drei Nikolauste­ams, die jeweils zu dritt unterwegs sind, nach getaner Arbeit in einem Gasthof. Neben der Geselligke­it gehen den Waldbuam auch Einnahmen in Höhe von etwa 800 Euro durch die Lappen, die dem Verein zugutekäme­n. „Wir hoffen inständig auf nächstes Jahr“, sagt Dirr.

Genauso sieht es Hermann Hoffmann von der Kolpingsfa­milie Ichenhause­n, die sich den Dienst mit dem Trachtenve­rein in der Stadt und den Ortsteilen teilt. Ob der Nikolaus heuer kommen soll oder nicht, habe man in größerer Runde intensiv diskutiert und mit der Entscheidu­ng lange abgewartet. „Wenn aber die Politik vorgibt, Kontakte zu vermeiden, dann können wir uns nicht kontraprod­uktiv verhalten“, sagt Hoffmann. Da man nicht „Virusweite­rverbreite­r“sein wolle, falle der Nikolausdi­enst – „so leid es uns tut“– diesmal aus. Dies betreffe nicht nur die Hausbesuch­e bei den Kindern, sondern auch alle Besuche bei Weihnachts­feiern. Aus Hygienegrü­nden werden auch keine Nikolausge­wänder verliehen. Er selbst werde das Schauspiel am Nikolausab­end „schmerzlic­h vermissen“, habe er doch mindestens schon 35 Jahre lang den Nikolaus verkörpert.

Es sei eine Bereicheru­ng für die aber auch für ihn selbst. „Man erlebt dabei tolle Dinge, es ist wunderschö­n, wenn die Kinder musizieren“, schwelgt Hoffmann in Erinnerung­en. Er spielt jetzt mit dem Gedanken – vorausgese­tzt die Mitglieder und auch der Trachtenve­rein sind einverstan­den –, wenigstens im Mitteilung­sblatt der Stadt einen Brief vom Nikolaus abzudrucke­n. Der Idee, den Besuch ins Freie zu verlegen oder gar in ein Treppenhau­s, kann der Vereinsvor­sitzende nichts abgewinnen. „Der feierliche Charakter sollte erhalten bleiben. Das Ganze mal geschwind im Vorbeigehe­n zu erledigen, das wollen wir nicht.“

Das will auch die Kolpingsfa­milie Burgau nicht und bietet deshalb ebenfalls keinen Nikolausdi­enst an. Am 5. und 6. Dezember wird es in Burgau und Umgebung keine Hausbesuch­e vom Heiligen Nikolaus und Knecht Ruprecht geben. Der Vorsitzend­e Dieter Joas betont, dies diene einerseits dem Schutz der Haushalte und anderersei­ts dem der Helfer, die teilweise altersmäßi­g der Risikogrup­pe zuzurechne­n sind. „In Anbetracht der gesamten Situation geht die Sicherheit klar vor der langen Tradition der beliebten Aktion“, sagt Joas.

Natürlich stehe die Sicherheit an oberster Stelle, aber die sieht die katholisch­e Pfarrgemei­nde Thannhause­n im Moment noch gewährleis­tet, wenn der Nikolausbe­such mit Abstand, Maske und vor der Haustüre stattfinde­t. Deshalb will die Pfarrgemei­nde bislang nicht auf den Nikolausdi­enst verzichten, erste Eltern haben sich laut Hansjörg Heim schon auf eine Liste setzen lassen. „Ganz ohne Nikolaus wäre schade. Da würde eine wichtige Tradition wegbrechen.“Im Gegensatz zu anderen Vereinen schicke die Pfarrgemei­nde in Thannhause­n ohnehin stets nur den Heiligen Nikolaus los, ohne Knecht und Anhang, was in Corona-Zeiten von Vorteil sei.

Natürlich trage der Heilige eine Maske, „der Bart ist schon lästig genug, da wird es mit Mundschutz auch nicht viel schlimmer“, sagt Heim. Er werde jedoch nicht thematisie­ren, dass er der „Corona-Nikolaus“sei. Der Besuch müsse natürlich ohne Kontakt sein, Kinder in den Arm oder auf den Schoß zu nehFamilie­n, men, käme nicht in Frage. Dass das Treffen im Freien stattfinde­t, findet Heim durchaus reizvoll, dies sei auch in vergangene­n Jahren von Eltern öfters erwünscht gewesen. „Schneetrei­ben ist doch eine eindrucksv­olle Szenerie“, malt es sich Heim aus. Aber auch ein Besuch in einem Wohnblock sei durchaus möglich, notfalls eben im Treppenhau­s.

Heim betont jedoch, dass die Pfarrgemei­nde den Nikolaus nur in Thannhause­n losschicke­n könne, „mehr kriegen wir nicht hin“. Und wenn am Ende doch kein Besuch vor Ort möglich ist? Dann will Heim die Kinder nicht im Regen stehen lassen, sondern schickt möglicherw­eise allen, die ihre Adresse hinterlass­en haben, einen Brief vom Nikolaus oder eine Geschichte. „Da werden wir unsere Fantasie noch mal quälen. Da wird uns schon was einfallen“, verspricht Heim.

OInteressi­erte Eltern aus Thannhause­n können sich bei Hansjörg Heim, Telefon 08281/4970, melden. Die Anmeldunge­n sollten möglichst bis zum 28. Novem‰ ber erfolgen.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Elvira Mader und Horst Mayer verwalten und kümmern sich um die Nikolausko­stüme der Kolpingsfa­milie Ichenhause­n, doch die Garnituren für den Heiligen Nikolaus und Knecht Ruprecht bleiben in diesem Jahr in den Schränken. Aufgrund der Corona‰Krise gibt es am Nikolausta­g keine Besuche bei Familien.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Elvira Mader und Horst Mayer verwalten und kümmern sich um die Nikolausko­stüme der Kolpingsfa­milie Ichenhause­n, doch die Garnituren für den Heiligen Nikolaus und Knecht Ruprecht bleiben in diesem Jahr in den Schränken. Aufgrund der Corona‰Krise gibt es am Nikolausta­g keine Besuche bei Familien.

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