Explosionspause in Bibertal
Das sagt der Feuerwerker Dominic Weinstein von Effectart zur Pandemie
Bibertal Ein Pyrotechniker ist weit mehr, als der Kerl, der die Lunte anzündet. Um den nötigen Befähigungsschein nach dem Sprengstoffgesetz vom Bezirk Schwaben zu bekommen, sind nicht nur erfolgreiche Praxis- und Theorieprüfungen notwendig, sondern auch die Vollendung des 21. Lebensjahres.
Seit vier Jahren erfüllt Dominic Weinstein alle Voraussetzungen und ist bei Effectart als Feuerwerker im Einsatz. Der Bibertaler Betrieb wurde von seinem Vater Jürgen Weinstein gegründet.
„Wir choreografieren Feuerwerke zur Musik“, sagt der 25-Jährige. Die Begeisterung in seiner Stimme ist unüberhörbar, während er schildert, wie er in einer speziellen Software anhand der Audiowellen passende Effekte unter Berücksichtigung der sogenannten Steigzeit platziert. „Die Explosion erfolgt dann genau auf den Bass und synchron zur Musik.“
Das ermöglicht eine perfekte Synchronisation und erinnert durchaus an die Arbeit eines Tontechnikers oder eines Regisseurs. Tatsächlich ist die Feuerwerkswelt ein Teil der Kultur- und Veranstaltungsbranche. Viele der 3000 bundesweit aktiven Existenzen in der Pyrotechnik-Branche sind im Jahreslauf auf Veranstaltungen angewiesen. „Besonders hart trifft es natürlich jene Kollegen, die hauptberuflich als Pyrotechniker arbeiten“, sagt der Junior-Chef. Während Gastronomen immerhin noch einen Abholservice anbieten können und so manch findiger Musiker mit zahlungspflichtigen Onlinekonzerten den einen oder anderen Euro verdienen, bricht für Unternehmen wie Effectart der gesamte Jahresumsatz weg. „Wir haben dieses Jahr keinen einzigen Feuerwerkauftrag. Auch an Silvester nicht.“
Das ist bitter, denn gerade an Silvester macht der Familienbetrieb sonst 90 Prozent des Jahresumsatzes. „In den 15 Jahren, die mein Vater das Unternehmen führt, gab´s das noch nie“, stellt Weinstein fest. Seinen Optimismus lässt er sich aber nicht nehmen. Sowohl er als auch sein Vater müssen dank weiterer Standbeine nicht bangen.
Hauptberuflich arbeitet Dominic Weinstein als Architekt, während sein Vater Jürgen Weinstein parallel in der Baubranche tätig ist. Auch die vier freien Mitarbeiter – allesamt staatlich geprüfte Pyrotechniker und Großfeuerwerker – sind anderweitig beschäftigt, einer von ihnen im Baubetrieb der Weinsteins. „Für uns alle ist das Feuerwerken eine Liebhaberei, die sehr viel Spaß macht.“
Weitere Standbeine helfen sicher auch manchem Mitbewerber. „Für die Branche im gesamten ist die Lage aber verheerend“, resümiert der Feuerwerker. Es bleibt die Hoffnung auf staatliche Hilfen, „…damit die Leute nicht am langen Arm verhungern. Da muß es einfach
Unterstützung geben.“Bei allen Problemen sieht der ehemalige Student aber auch die Notwendigkeit der Einschränkungen. „Man kann nicht darauf plädieren, die Pforten für Großveranstaltungen zu öffnen. Der Erhalt der Gesundheit ist oberstes Gebot.“
Kritischer sieht Weinstein das bundesweite Verbot, Feuerwerkskörper zu verkaufen. Die Regierung und das Bundesamt für Materialprüfung drängen darauf, dieses Jahr auf Silvester-Feuerwerke zu verzichten, um das Gesundheitssystem mit Verletzungen nicht zusätzlich zu belasten. „Wir hatten in Bayern letztes Jahr zu Silvester lediglich 100 Verletzte“, gibt Weinstein zu bedenken. „Viele Leute kaufen sich jetzt ihr Material im Ausland“, sagt er. „Da weiß man nicht, was drin ist. So landen die Leute dann doch wieder im Krankenhaus.“
Unverbesserliche Hobby-Pyromanen, die trotzdem Feuerwerke aus fragwürdiger Produktion abbrennen und sich nicht vom drohenden Bußgeld abschrecken lassen, ermahnt Dominic Weinstein zur Vorsicht. Er gibt einen Rat, der in diesen Tagen, Wochen und Monaten in einem anderen Zusammenhang häufig zu hören ist: „Unbedingt Abstand halten!“