Guenzburger Zeitung

„Es ist eine historisch­e Krise“

In ihrer letzten Neujahrsan­sprache als Kanzlerin schwört Angela Merkel die Menschen auf harte Monate ein und macht zugleich Hoffnung auf bessere Zeiten

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin Zum Schluss wird sie dann doch noch ein wenig persönlich. Sie, die so selten in ihr Innerstes blicken lässt. Der das Gefühlige so fernliegt. Doch die Corona-Krise hat auch Angela Merkel verändert. „Nie in den letzten 15 Jahren haben wir alle das alte Jahr als so schwer empfunden – und nie haben wir trotz aller Sorgen und mancher Skepsis mit so viel Hoffnung dem neuen Jahr entgegenge­sehen“, sagt die Kanzlerin in ihrer Neujahrsan­sprache. Es wird ihre letzte sein. In gut neun Monaten soll ein neuer Regierungs­chef ein Land übernehmen, das durch eine schwere Krise gegangen ist. Ein Land, das seiner Kanzlerin im Endspurt ihrer Karriere noch einmal alles abverlangt hat. So häufig wie nie zuvor in den vergangene­n Jahren hatte sich Merkel 2020 direkt an die Bevölkerun­g gewandt und auch mit ihrem ungewohnte­n Flehen dafür gesorgt, die Motivation allen Zumutungen zum Trotz hochzuhalt­en. Doch die Geduld lässt nach, die Kraft schwindet. Dabei soll schon in der kommenden Woche die Verlängeru­ng des Lockdowns beschlosse­n werden.

„Die Coronaviru­s-Pandemie war und ist eine politische, soziale, ökonomisch­e Jahrhunder­taufgabe“, sagt die Kanzlerin. „Sie ist eine historisch­e Krise, die allen viel und manchen zu viel auferlegt hat.“Ein Kraftakt sei es gewesen, durch diese Pandemie zu schreiten, gerade weil es kaum gesicherte­s Wissen über das neue Virus gegeben habe. „Wir mussten Entscheidu­ngen treffen, von denen wir zunächst nur hoffen konnten, dass sie sich als richtig erweisen würden“, betont die Bundeskanz­lerin und wendet sich auch deshalb an diejenigen, die einen Angehörige­n an die Krankheit verloren haben. „Ich kann nur ahnen, wie bitter es sich anfühlen muss für die, die wegen Corona um einen geliebten Menschen trauern oder mit den Nachwirkun­gen einer Erkrankung sehr zu kämpfen haben, wenn von einigen Unverbesse­rlichen das Virus bestritten und geleugnet wird“, sagt sie. Am Ende dieses atemlosen Jahres sei daher nun der Moment gekommen, innezuhalt­en und die Trauer zuzulassen. Ich kann Ihren Schmerz nicht lindern. Aber ich denke an Sie“, sagt Merkel.

Es sei die Haltung der großen Mehrheit der Bevölkerun­g gewesen, die dafür gesorgt habe, dass so manche Befürchtun­g nicht eingetrete­n sei. Viele seien über sich hinausgewa­chsen, Ärzte, Pflegekräf­te, Mitarbeite­r von Gesundheit­sämtern, Verkäuferi­nnen und Lehrer. Begeistert sei sie, dass so viele Menschen disziplini­ert die Maske tragen würden. „Darin drückt sich für mich aus, was ein Leben in einer menschenfr­eundlichen Gesellscha­ft erst möglich macht: Rücksichtn­ahme auf andere, die Einsicht, sich selbst auch einmal zurückzune­hmen, das Bewusstsei­n von Gemeinsinn.“

Und deshalb will Merkel Zuversicht verbreiten für 2021: „Seit wenigen Tagen hat die Hoffnung Gesichter: Es sind die Gesichter der ersten Geimpften, der ganz Alten und ihrer Pfleger und Pflegerinn­en, des medizinisc­hen Personals auf den Intensivst­ationen – nicht nur bei uns, sondern in allen europäisch­en und vielen anderen Ländern.“Täglich würden mehr Alters- und Berufsgrup­pen dazukommen. „Auch ich werde mich impfen lassen, wenn ich an der Reihe bin“, sagt die Kanzlerin.

Und doch kann auch Merkel nichts schönreden. „Diese Tage und Wochen, da gibt es nichts zu beschönige­n, sind schwere Zeiten für unser Land. Und so wird es auch noch eine ganze Weile bleiben“, erklärt sie.

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Foto: Markus Schreiber, dpa Angela Merkel bei ihrer Neujahrsan­spra‰ che.

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