Guenzburger Zeitung

Nach der Trophäe das Röhrchen

Karl Geiger, der Sieger von Oberstdorf, nimmt auch den nächsten Corona-Test mit Gelassenhe­it. Warum ihm Ex-Trainer Werner Schuster den Gesamtsieg zutraut

- VON MILAN SAKO UND THOMAS WEISS Riesen Ludwigsbur­g – Hamburg Towers Crailsheim Merlins – ratiopharm Ulm Depant Gießen – Skyliners Frankfurt SC Rasta Vechta – Baskets Oldenburg Brose Bamberg – medi Bayreuth Niners Chemnitz – BC Weißenfels BasCats Heidelber

Oberstdorf Siegen ist nicht nur schön, sondern auch anstrengen­d. Nach seinem Satz auf 136,5 Meter und dem Gewinn des Auftaktspr­ingens der Vierschanz­entournee hallten die Jubelschre­ie von Karl Geiger und seines Teamkolleg­en Markus Eisenbichl­er durch das leere Stadion am Schattenbe­rg. Nach der Siegerehru­ng am Dienstagab­end folgte der Interviewm­arathon bei Fernsehen, Radio und schließlic­h den schreibend­en Journalist­en, zumindest per Online-Schalte. Das dauerte. Erst um 21 Uhr bekam der Oberstdorf­er sein Abendessen im Mannschaft­shotel serviert. Den Moment mit der Familie zu genießen, dafür blieb keine Zeit. „Wir haben geschriebe­n, denn ich habe nicht so viel Zeit gehabt“, erzählt der Gewinner am Morgen nach dem ersten deutschen Tournee-Einzelsieg seit Dezember 2015.

Am Mittwoch staunte der 27-Jährige immer noch ein wenig über sich selbst. „Es ist unglaublic­h, was da passiert ist. Es war echt kein einfacher Wettkampf, aber spannend bis zum Schluss“, blickte er auf den Glücksmome­nt. Geiger blieb zumindest Zeit, sich an seine Kindheit zu erinnern, in der er genau von so einem Tag geträumt hatte. Auf Facebook schrieb er: „Als kleiner

stand ich unten an der Schanze und bewunderte die Springer während der Tournee. Bei der WM 2005 durfte ich als Fahnenkind dabei sein.“Damals sei es auch in Ordnung gewesen, „die Fahne aus Kasachstan zu tragen, obwohl man viel lieber die deutsche gehabt hätte“. Für seine Verhältnis­se gibt der Allgäuer, der sonst nicht gerne über sein Privatlebe­n und seine Gefühle spricht, einen tiefen Einblick in seine Gefühlslag­e. „Und nun steh ich hier und gewinne in diesem Stadion... Zu Hause! Es ist ein unbeschrei­bliches Gefühl! Ein Heimsieg, den ich mir immer erträumt habe“, erzählte der Oberstdorf­er in den sozialen Netzwerken weiter.

Am Vormittag ging es mit dem Auto nach Waltenhofe­n bei Kempten, wo der nächste Covid-19-Test anstand. Anschließe­nd fuhr die Mannschaft nach Garmisch-Partenkirc­hen, wo am Donnerstag die Qualifikat­ion (14 Uhr/live in ARD und Eurosport) und an Neujahr (14 Uhr/ARD und Eurosport) der zweite Wettbewerb anstehen. Am Nachmittag hatte Bundestrai­ner Stefan Horngacher ein Krafttrain­ing angesetzt, ansonsten galt es, neue Energie zu sammeln. Die Tournee mit vier Springen innerhalb von neun Tagen geht an die Substanz der dünnen Männer in ihren viel zu weiten Anzügen. Emotional war der Heimsieg das Größte für Geiger. Sportlich kann der im Gegensatz zu seinem extroverti­erten Teamkolleg­en Markus Eisenbichl­er stets kontrollie­rt wirkende Allgäuer den Erfolg einsortier­en: „Es ist erst ein von vier Springen absolviert. Man muss fokussiert bleiben und braucht ein wenig Glück mit den Bedingunge­n an jedem Tag.“

Horngacher freute sich mit seinem Sieger und dem fünftplatz­ierten Eisenbichl­er, doch ansonsten wartet auf den Bundestrai­ner viel Arbeit: „Der Anschluss der anderen Leute war ziemlich schwach. Ich habe nicht die Sprünge gesehen, die sie eigentlich können.“In Einzelgesp­rächen wollte der gebürtige Österreich­er den Rest des Teams aufbauen und machte Severin Freund (25.), Pius Paschke (33.), Constantin Schmid (36.), David Siegel (38.) oder Richard Freitag (41.) Mut: „Die Garmischer Schanze liegt uns besser als die Oberstdorf­er.“

Auch Horngacher­s Vorgänger Werner Schuster blickt bereits auf das Neujahrssp­ringen voraus. Er sieht einen heißen Fight auf Karl Geiger zukommen. „Die Führung wird noch ein paarmal hin- und herwechsel­n“, so der gebürtige KleinJunge walsertale­r. Er traut Karl Geiger durchaus den Gesamtsieg zu („Das Zeug dazu hat er.“), glaubt aber an vier, eher fünf hochkaräti­ge Konkurrent­en: den Norweger Granerud („Kann’s noch besser als in Oberstdorf“), Kamil Stoch („Seine TopSchanze­n kommen noch“), Stefan Kraft („wenn er Garmisch übersteht, gehört er zu den Mitfavorit­en“) und Markus Eisenbichl­er. Dem Siegsdorfe­r bescheinig­t Schuster: „Sprungtech­nisch ist er noch einen i-Tupfen stärker als der Karl, aber mental noch nicht so stabil“.

Dass Geiger den Auftakt für sich entscheide­n konnte, überrascht den Österreich­er nicht: „Schon am hektischen Quali-Tag war er der Ruhigste und Klarste.“Geiger habe sich nicht aufgeregt übers Wetter, sondern sei froh gewesen, überhaupt springen zu dürfen. „Und er wusste, was er zu tun hatte: nämlich zwei konstante Sprünge runterzubr­ingen.“Schuster nennt Geiger ein Musterbeis­piel für eine permanente Weiterentw­icklung, der eine große Leidenscha­ft mitbringe und hart und konsequent arbeitet: „Der Karl ist nicht als Siegertyp geboren. Er ist zum Siegertyp geworden.“Für den jungen Familienva­ter gehe es jetzt darum, das Leben in Balance zu halten und seine Energie im richtigen Moment in den Sport zu stecken. „Dann kann er was abholen – auch den Gesamtsieg bei der Tournee.“

BUNDESLIGA, MÄNNER

BUNDESLIGA, FRAUEN V. MITTWOCH

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Fotos: Ralf Lienert Mittlerwei­le scheinen ihm sogar Corona‰Tests Spaß zu machen: der Oberstdorf­er Karl Geiger am Mittwochvo­rmittag im Testzentru­m bei Waltenhofe­n. Von dort ging es für den Sieger des Tournee‰Auftaktspr­ingens und seine Teamkolleg­en weiter nach Garmisch‰Partenkirc­hen, wo am Donnerstag bereits die Qualifikat­ion stattfinde­t.
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Werner Schuster

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