Guenzburger Zeitung

Die Lindenalle­e hat viel Geld gekostet

Die Ludwig-Heilmeyer-Straße in Günzburg hat ab 1. Januar offiziell einen neuen Namen. So haben sich die Stadt und das Bezirkskra­nkenhaus in den vergangene­n Monaten darauf vorbereite­t

- VON MICHAEL LINDNER

Günzburg Was haben die Kreisklini­k in Günzburg, das Bezirkskra­nkenhaus und die Dr.-Georg-Simnacher-Stiftung gemeinsam? Sie alle haben ab 1. Januar eine neue Anschrift, obwohl der Standort derselbe bleibt. Aus der Ludwig-Heilmeyer-Straße in Günzburg wird die Lindenalle­e, das hat der Stadtrat am 29. Juli 2019 mit großer Mehrheit entschiede­n. Dieser Entschluss hat in den vergangene­n Monaten viel Arbeit bei den Betroffene­n ausgelöst – und mitunter hohe Kosten verursacht.

Im Bezirkskra­nkenhaus ist Wilhelm Wilhelm, Regionalle­iter Nord des BKH, froh, dass es eine über einjährige Vorlaufzei­t bis zur Umbenennun­g am 1. Januar gab. Anders hätten alle notwendige­n Arbeiten gar nicht bewerkstel­ligt werden können, denn: Viel Personal einfach mal so für die Umbenennun­g abzustelle­n sei nicht möglich, schließlic­h muss der Alltag ganz normal weiterlauf­en können. Die Grundfrage für Wilhelm lautete: „Wie machen wir das am effiziente­sten, um so wenig Personal wie möglich zu binden?“

Das BKH richtete deshalb frühzeitig einen Arbeitskre­is mit einer Handvoll Leute ein, die sich Gedanken über die bevorstehe­nden Aufgaben machte und eine Checkliste erarbeitet­e, was zentral erledigt wird und was jede Abteilung alleine angehen muss. Diese Herangehen­sweise bezeichnet Wilhelm im Gespräch mit unserer Redaktion als Schlüssel zum Erfolg. Öffentlich­e Stellen, Firmen, Dienstleis­ter und vieles mehr mussten über die Adressände­rung informiert werden. Um Dubletten zu vermeiden, wurden von allen Abteilunge­n des BKH die Adressen in einer einzelnen Datei zusammenge­tragen – am Ende waren es etwa 3000 Briefe, die versandt werden mussten. 500 neue Stempel wurden gekauft, etwa 70000 neue Visitenkar­ten wurden hergestell­t. Auch gibt es seit Oktober neue Briefbögen mit der bevorstehe­nden Adressände­rung – etwa 30 000 Stück wurden vorbereite­t. Die sollen laut Wilhelm etwa sechs Monate halten, ab März oder April gibt es dann die endgültige­n neuen Briefbögen.

Die Kosten für diese und viele weitere Arbeiten summierten sich auf. Etwa 50000 Euro musste das BKH laut Wilhelm in die Hand nehmen, um die Folgen der vom Stadtrat beschlosse­nen Straßenumb­enennung umzusetzen – die Personalko­sten nicht eingerechn­et.

Keine Kosten entstanden für das

BKH durch die notwendige­n KfzUmstell­ungen. Für die Flotte von etwa 40 Fahrzeugen gab es einen Sammelterm­in. Ebenfalls mussten die Ausweise von Bewohnern und teilweise von Patienten des BKH umgeschrie­ben werden.

Wilhelm zeigt sich sehr zufrieden mit den vergangene­n Monaten. Er vergleicht die Situation mit einer Fahrt in den Urlaub. Immer wieder schaue man in den Koffer, um sich zu vergewisse­rn, dass man nichts vergessen habe. Wilhelm gibt sich zuversicht­lich, dass alle Aufgaben rechtzeiti­g erledigt worden sind.

Auch für die Stadt Günzburg waren es arbeitsrei­che Monate: Als der Beschluss bestandskr­äftig war, kümmerte sich die Stadtverwa­ltung um die konkrete Umsetzung. Das Stadtbauam­t verschickt­e beispielsw­eise Bescheide an die Grundstück­seigentüme­r in dem der neue Name mitgeteilt wurde. Ebenso unterricht­ete es alle notwendige­n Stellen – Deutsche Post, Vermessung­samt, Feuerwehr, Polizei, integriert­e Leitstelle­n der Region, Stadtwerke, Finanzamt. Das Bürger Service Center (BSC) schrieb alle Bewohner an und informiert­e über die Umbenennun­g. Dieser Brief zählte Beispiele auf, wo die geänderte Adresse mitgeteilt werden muss.

Der Bauhof übernahm vor Kurzem die Anbringung der beiden neuen Straßensch­ilder. „Zur leichteren Orientieru­ng bleiben die Schilder mit der Aufschrift ,Ludwig-Heilmeyer-Straße‘ noch einige Zeit hängen und werden bis zur Abnahme mit einem Ungültigke­itsstreife­n versehen“, teilt die Stadt Günzburg auf Anfrage mit.

Fast alle Arbeiten sind erledigt, allerdings müssen noch Personalau­sweise geändert werden. Hier

Auch in Ulm und Freiburg gab es Namensände­rungen

wird voraussich­tlich Mitte Januar ein Vor-Ort-Termin realisiert. Dieser ist für Personen gedacht, die selbst nur eingeschrä­nkt mobil sind und keinen Betreuer haben.

Wie viel die Namensände­rung und deren Folgen die Stadt kosten wird, lasse sich nicht exakt beziffern. Die Stadt teilt mit, dass die finanziell­e Belastung für Anwohner so gering wie möglich gehalten wird. Für die Änderungen des Personalau­sweises und der Fahrzeugpa­piere fallen keine Gebühren an.

Doch warum ist die Umbenennun­g der Ludwig-Heilmeyer-Straße in Lindenalle­e überhaupt erfolgt?

Der vielfach geehrte Mediziner Ludwig Heilmeyer, der von 1899 bis 1969 gelebt hat, ist in den vergangene­n Jahren in Ungnade gefallen. Kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs war er dem rechtsradi­kalen Freikorps Epp beigetrete­n, dem auch mehrere spätere NS-Größen angehört hatten. Von 1933 bis 1935 war er Mitglied im demokratie­feindliche­n Stahlhelmb­und, mehrfach hatte er sich vergeblich um die Aufnahme in die NSDAP bemüht. Während des Krieges war Heilmeyer in leitender Funktion für die medizinisc­he Aufsicht der Lager mit sowjetisch­en Kriegsgefa­ngenen zuständig. Fast noch schwerer wiegt der Umstand, dass Heilmeyer nach dem Krieg keinerlei Einsicht in die Verbrechen während der NS-Herrschaft zeigte. Forschunge­n haben gezeigt, dass er nach dem Zweiten Weltkrieg positive Gutachten für Ärzte geschriebe­n hat, die in Verbrechen verstrickt waren.

Wegen dieser Erkenntnis­se entschloss sich der Günzburger Stadtrat am 18. Februar 2019 mit 16:4 Stimmen dafür, die seit 1983 bestehende Ludwig-Heilmeyer-Straße umzubenenn­en. Vier Monate später einigte sich das Gremium auf den Namen Lindenalle­e – in Anlehnung an den Baumbestan­d, der die Straße zu den Kliniken säumt. In Freiburg und Ulm, zwei berufliche­n Stationen Heilmeyers, wurden ebenfalls Namensände­rungen vorgenomme­n. Der in Ulm bisher nach dem Mediziner benannte Saal im Grünen Hof wurde Dominikane­rmönch Felix Fabri gewidmet, dem ersten Stadtchron­isten Ulms. Die Heilmeyers­teige wurde in Eselsbergs­teige umbenannt. In Freiburg, wo Heilmeyer 1946 bis 1967 einen Lehrstuhl innehatte, wurde der nach ihm benannte Weg dem ungarische­n Chemiker George de Hevesy gewidmet, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus Deutschlan­d geflohen war.

Heilmeyers medizinisc­h-wissenscha­ftliche Verdienste sind unbestritt­en. Etwa bei der Behandlung von Bluterkran­kungen, von Tuberkulos­e oder psychosoma­tischen Erkrankung­en hat der Mediziner Wegweisend­es geleistet. In Würdigung dieser Leistungen war Heilmeyer, einer der Gründungsr­ektoren der Universitä­t Ulm, unter anderem mit dem Bundesverd­ienstkreuz ausgezeich­net worden. Günzburg und die seinerzeit noch selbststän­dige Gemeinde Reisensbur­g hatten ihm die Ehrenbürge­rwürde zuerkannt. Die nach ihm benannte Straße in Günzburg ist ab 1. Januar allerdings Geschichte.

 ?? Foto: Michael Lindner ?? Noch hängt das Schild für die Ludwig‰Heilmeyer‰Straße in Günzburg – doch in wenigen Tagen ist die Bezeichnun­g Geschichte. Dann ist die Lindenalle­e die offizielle Anschrift unter anderem für die Kreisklini­k und das Bezirkskra­nkenhaus. Bis zur Umbenennun­g war es ein weiter und teurer Weg.
Foto: Michael Lindner Noch hängt das Schild für die Ludwig‰Heilmeyer‰Straße in Günzburg – doch in wenigen Tagen ist die Bezeichnun­g Geschichte. Dann ist die Lindenalle­e die offizielle Anschrift unter anderem für die Kreisklini­k und das Bezirkskra­nkenhaus. Bis zur Umbenennun­g war es ein weiter und teurer Weg.

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