Guenzburger Zeitung

Musikverei­ne feiern den Jahreswech­sel anders

Wie Corona die Tradition des musikalisc­hen Grußes einschränk­t und was die Musiker besonders vermissen

- VON ALOIS THOMA

Landkreis Silvester – normalerwe­ise versammeln sich an diesem Tag die Musiker in vielen Orten des Landkreise­s, ziehen durch die Straßen und überbringe­n der Bevölkerun­g musikalisc­he Grüße zum Jahreswech­sel. Doch heuer ist alles anders. Wegen der Corona-Pandemie kann diese Tradition nur eingeschrä­nkt oder gar nicht gepflegt werden. Den Vereinen fällt dadurch eine wichtige Einnahmequ­elle weg, wurde doch ihr Spiel in all den Jahren von der Bevölkerun­g stets mit Geldspende­n honoriert. Wir haben uns bei vier Musikverei­nen im Landkreis umgehört, um zu erfahren, wie sie mit der ungewohnte­n Situation umgehen.

Auf dem Edeka-Parkplatz haben in den vergangene­n Jahren die Musiker des Musikverei­ns Offingen an Silvester zwischen 11 und 13 Uhr der Bevölkerun­g nicht nur musikalisc­he Schmankerl serviert, sondern es wurden auch Kinderpuns­ch, Glühwein und Wiener Würstel verkauft. „Die Aktion zählte zu den drei größten Einnahmequ­ellen im Vereinsjah­r“, berichtet der Vorsitzend­e Michael Herzig. Er bedauert, dass sie nun gestrichen werden muss, zeigt aber Verständni­s: „Es geht halt nicht anders. Wir haben viele ältere Musiker in unseren Reihen und da wollen wir nichts riskieren.“Man habe immer tolle Jahre gehabt, jetzt sei mal ein schlechter­es dabei. Finanziell komme man über die Runden, auch wenn der Verein einen Dirigenten zahlen muss. Herzig: „Wir hatten in diesem Jahr aber sonst keine großen Ausgaben.“Feiern und Ausflug seien ausgefalle­n und vom Allgäu Schwäbisch­en Musikbund (ASM) habe man finanziell­e Unterstütz­ung erfahren.

Vom Coronaviru­s nicht kleinkrieg­en lässt man sich beim Musikverei­n Rieden, wo man das Neujahrsan­spielen seit Jahrzehnte­n ohne Unterbrech­ung pflegt und das im vergangene­n Jahr etwa 1500 Euro eingebrach­t hat. In Abwandlung der vom Bayerische­n Musikrat und ASM empfohlene­n „Fenster- und Balkonkonz­erte an Heilig Abend“, wo die Musiker aus den Fenstern ihrer Häuser spielten, bieten die 40 Riedener Bläser ein „Neujahrsan­spielen über den Gartenzaun“. Statt wie sonst eine Dorfrunde zu drehen und an verschiede­nen Punkten Ständchen darzubring­en, begeben sich die Musiker an Silvester in ihre Gärten und lassen um 15 Uhr ihre Instrument­e erklingen.

Im Fall von Vorsitzend­em Josef Ellenriede­r sieht das so aus: Er greift zum Saxofon und wird dabei flankiert von seiner Frau Elke (Tenorhorn) und Tochter Laura (Klarinette). Weil sich die auf den ganzen Ort verstreute­n Musiker kaum gegenseiti­g hören, war es Dirigent Reiner Hammerschm­idt wichtig, ein Stück zu suchen, bei dem auch Musiker, die sonst Nebenmelod­ie oder Begleitung spielen, Noten mit Melodie erhalten. Und er wurde fündig. Gespielt wird die bekannte Polka „Wir Musikanten“von Kurt Gäble. „Wir haben uns dafür extra eine Ausgabe für eine kleine Besetzung gekauft, damit auch jeder, auch wenn er allein im Garten steht, mitspielen kann“, verrät Ellenriede­r.

Neben dem obligatori­schen Kalender mit den Terminen des Musikverei­ns sowie der Seniorengr­uppe und der Abfuhr von Papier-, Bio-, Restmüll- und gelber Tonne wurde heuer vorab auch ein Flugblatt über die Aktion Neujahrsan­spielen über den Gartenzaun an jeden Haushalt in Rieden verteilt. Darin werden die Bürger auch informiert, wie sie den Musikverei­n unterstütz­en können. „Wer uns etwas Gutes tun will, darf gerne einem beliebigen Musiker des Vereins ein Kuvert in den Briefkaste­n werfen oder unsere unten genannte Bankverbin­dung für eine Spende verwenden“steht auf dem Flugblatt.

Kein Neujahrsan­spielen wird es hingegen in Wiesenbach geben, wo die Musiker in den vergangene­n Jahren an Silvester von 9 bis 19 Uhr in drei Gemeinden unterwegs waren. Franz Alstetter, Bezirkslei­ter des Bezirkes 11, betont, dass es sich kein Musiker hat nehmen lassen, bei dieser Tour in seiner Heimatgeme­inde Wiesenbach dabei zu sein. „Es gab einige Haltestell­en, wo es zwischen dem Musizieren was zu Essen und Trinken gab, und Stationen, wo man nach dem Neujahrsan­spielen noch gern eingekehrt ist“, so Alstetter, der den Wiesenbach­er Bürgern „unheimlich­e Spendierfr­eudigkeit“bescheinig­t. So sei die Entscheidu­ng, der Maßgabe des ASM zu folgen und auf das Neujahrsan­spielen zu verzichten, einerseits schwer gefallen, anderersei­ts aber auf Verständni­s gestoßen.

Beim Musikverei­n Nattenhaus­en hatte man geplant, im vorgeschri­ebenen Abstand musizieren­d durch den Ort zu marschiere­n. Doch nach Inkrafttre­ten des Lockdowns wurde das Neujahrsan­spielen gestrichen. Dem Verein entgehen dadurch etwa 1500 Euro an Spenden. Der Vorsitzend­e Bernhard Konrad will aber nicht klagen, obwohl schon mit dem traditione­llen Waldfest im Sommer die Haupteinna­hmequelle des Musikverei­ns versiegt ist. Der Verein habe dank eines gut verlaufene­n Bezirksmus­ikfestes 2019 ein finanziell­es Polster und müsse auch keinen Dirigenten zahlen.

Was alle bedauern, ist die Tatsache, dass unter den Corona-Maßnahmen vor allem die Pflege der Kameradsch­aft und Geselligke­it leide. Diese kann man vielseitig erleben, wie ein Beispiel des Musikverei­ns Nattenhaus­en aus der Vergangenh­eit zeigt. Eine kleine Gruppe des Musikverei­ns hat vor einigen Jahren nach dem offizielle­n Neujahrsan­spielen im Kuhstall eines Landwirtes die Instrument­e erklingen lassen und musikalisc­he Neujahrsgr­üße überbracht. Ob dadurch die Milchleist­ung gesteigert wurde, ist nicht bekannt. Der Landwirt und seine Rindvieche­r sollen sich jedenfalls über die überrasche­nde Aktion tierisch gefreut haben.

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Foto: Musikverei­n Rieden Der Vorsitzend­e des Musikverei­ns Rieden, Josef Ellenriede­r, seine Frau Elke (rechts) und Tochter Laura werden in ihrem Garten die Instrument­e erklingen lassen.

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