Guenzburger Zeitung

Von der Schönheit des Scheiterns VON FLORIAN EISELE

- eisl@augsburger‰allgemeine.de

Für gewöhnlich geht es im Sport um die Sieger – ist ja auch richtig so. Wer ein Spiel, am Ende noch einen Titel, gegen hochklassi­ge Konkurrenz gewonnen hat, hat es verdient, entspreche­nd gewürdigt zu werden. Aber mal ehrlich: Sind es nicht manchmal die knappen und schmerzhaf­ten Niederlage­n, die eher in der Erinnerung haften bleiben als ein furzlangwe­iliger und nie gefährdete­r 3:0-Sieg?

So sehr der FC Bayern etwa in dieser Saison in der Champions League dominierte und sie verdient gewann – das 1:0 im Finale gegen Paris war keine Partie, die besonders in der Erinnerung haften bleiben wird. Aber welche Spuren hat hingegen das legendäre 1:2 gegen Manchester United im Finale 1999 hinterlass­en! Noch heute weiß jeder, der die „Mutter aller Niederlage­n“damals live gesehen hat, alle Details dazu.

Und Peter Draisaitls Name wird auf ewig mit dem vergebenen Penalty im olympische­n EishockeyT­urnier 1992 in Erinnerung bleiben: Im Viertelfin­ale gegen die mit allen NHL-Stars angetreten­en Kanadier blieb der von Draisaitl geschossen­e Puck auf der Linie liegen. Kanada kam weiter, Draisaitl wurde zum tragischen Held. Zentimeter an der Sensation vorbei – wie unfair! Und wie dramatisch.

Am Dienstagab­end schickte sich ein der Öffentlich­keit bislang kaum bekannter Darts-Spieler an, für das nächste große Sport-Drama zu sorgen. Gabriel Clemens hatte zuvor bei der WM in London bereits Weltmeiste­r Peter Wright ausgeschal­tet, als er am Dienstag auf Krzysztof Ratajski traf. Beide lieferten einen Nerven-Krimi ab und vergaben reihenweis­e die Chancen auf den Sieg, weil es ihnen nicht gelang, einen Pfeil in eines der äußeren Felder der Darts-Scheibe zu werfen. Nach 16 (!) vergebenen Siegchance­n auf beiden Seiten saß der 17. Versuch von Ratajski. Auch der Pole war mit den Nerven völlig am Ende, stützte sich an der Wand ab, an der die Dartscheib­e hing.

Gabriel Clemens, der als erster Deutscher ins Achtelfina­le der WM gekommen war, hätte ganz offenkundi­g liebend gern auf diese Erfahrung verzichtet und befand nach dem Spiel, dass er „nichts Positives“sagen könne. Vielleicht ändert sich das mit dem Abstand einiger Wochen oder Monate noch.

Vielleicht aber auch nicht. Peter Draisaitl antwortete unlängst in einem Interview auf die Frage hin, ob der vergebene Penalty nicht auch sein Positives hatte, weil er damit auch zu einiger Berühmthei­t gekommen war, zerknirsch­t: „Glauben Sie mir, ich hätte tausendmal lieber das Halbfinale genommen statt der Berühmthei­t.“

Wir lassen das jetzt mal so stehen.

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Foto: dpa Ein vergebener Penalty macht ihn be‰ rühmt: Peter Draisaitl.

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