Guenzburger Zeitung

Hoffentlic­h wird’s nicht so schlimm, wie es ist

Was könnte sein, was nicht? Wer weiß das schon? Aus Bayern stammt zum Glück ein großer Philosoph, der einem dabei hilft, sich im politische­n Labyrinth des Freistaats zu orientiere­n

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger‰allgemeine.de

Wenn in Bayern nix mehr hilft, dann hilft immer noch der größte und mutmaßlich einzig bedeutende Philosoph, den das schönste Land der Welt unter seinem weiß-blauen Himmel hervorgebr­acht hat: Karl Valentin. Er begegnete der Welt mit einer gewissen Skepsis: „Sicher ist, dass nix sicher ist, drum bin ich vorsichtsh­alber misstrauis­ch.“Er glänzte als genialer Wortzerkla­uberer: „Wenn ich mich aufs Sofa lege, decke ich mich mit einer Decke zu. Nehme ich die Decke wieder weg, so habe ich mich selbst entdeckt.“Und auch als Mutmacher gab er sein Bestes: „Hoffentlic­h wird es nicht so schlimm, wie es schon ist.“

Wie es 2021 wird, weiß selbstrede­nd niemand. Es gibt nur Indizien und Vermutunge­n, was sein und was nicht sein könnte. Und nach all der Tristesse, die das Jahr 2020 den Bayern bescherte, ist es vielleicht nicht das Verkehrtes­te, die zwölf Spekulatio­nen zum neuen Jahr unter ein altbekannt­es Valentin-Motto zu stellen: „Es freut sich das Herz und das Gemüt, wo die Blume des Blödsinns blüht.“

Erstens: Mit einer Umbenennun­g der „Christlich-Sozialen Union“in „Corona-Schutz-Union“ist vorerst nicht zu rechnen. Die CSU-Landesleit­ung jedenfalls behauptet steif und fest, dass die Partei auch noch auf Politikfel­dern jenseits des Infektions­schutzes und der Pandemiebe­kämpfung Kompetenze­n hat.

Zweitens: Der bayerische Atommüll wird auch ohne bayerische­s Endlager noch eine gefühlte Ewigkeit in Bayern lagern. Bei aller Begeisteru­ng des Ministerpr­äsidenten für die Erforschun­g „Schwarzer Löcher“, die einem bayerische­n Wissenscha­ftler im Jahr 2020 einen Nobelpreis beschert hat – ein Weg, den Atommüll in einem fernen „Schwarzen Loch“auf alle Zeit verschwind­en zu lassen, wird auch dieses Jahr nicht gefunden werden. Das Problem mit der Ewigkeit ist ja bekanntlic­h, dass sie sich hinzieht, vor allem, wenn’s aufs Ende zugeht.

Drittens: Die Sauberkeit des Freistaats ist bis auf Weiteres sichergest­ellt. Die rund 90 000 Wischmopps, die Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) für alle Fälle schon mal gehortet hat, reichen nach Schätzunge­n von Experten sogar für die kommende Generation, und zwar

dann, wenn Stadthalle­n, Konzertsäl­e, Turnhallen, Schulen und Hallenbäde­r wieder in Betrieb sind und geputzt werden müssen.

Viertens: Die FDP wird auch 2021 im Landtag bleiben. Das kann deshalb so forsch vorhergesa­gt werden, weil 2021 in Bayern keine Landtagswa­hl geplant ist. Von der AfD freilich lässt sich das nicht ohne Weiteres behaupten. Da sind, wenn es so weitergeht, schon bald mehr Leute aus der Landtagsfr­aktion ausgetrete­n, als in den Landtag gewählt wurden.

Fünftens: Wenn Markus Söder (CSU) Bundeskanz­ler wird oder nicht, dann wird Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner (CSU) Ministerpr­äsidentin oder nicht. Dass es ganz anders kommt, ist zwar möglich, aber nicht sicher. Nur eines steht fest: Der Vizeminist­erpräsiden­t wird nicht automatisc­h Ministerpr­äsident. Das hat der Söder dem Aiwanger schon mehrfach versucht klarzumach­en.

Sechstens: Die einzige echte Konstante in der Landespoli­tik wird auch dieses Jahr die BayernSPD sein. Sie hält sich stabil im Umfragetie­f. Die Zehn-ProzentMar­ke hat für sie jeden Schrecken verloren und ist kurzerhand zur

Zielmarke umfunktion­iert worden. Es kann also nur noch bergauf gehen für die Genossen – wie letztes Jahr und vorletztes und vorvorletz­tes …

Siebtens: Der München-„Tatort“wird auch im 31. Jahr nach der Erstausstr­ahlung fortbesteh­en – und wenn der Leitmayr den Batic mit dem Rollstuhl zur Leich’ schieben muss. „Es geht hier schließlic­h um Mord“, wie die ergrauten Herren zu sagen pflegen. Ob die BRSendung „Quer“weiterhin so heißen kann, wie sie heißt, ist bei der ganzen Querdenker­ei eine andere Frage. Fest steht hier nur: Hätten die vielen Querdenker mehr „Quer“geschaut, würden sie wahrschein­lich weniger querdenken.

Achtens: Die Chefs der Grünen im Landtag, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, werden ihre stetig größer werdende Lust aufs Regieren weiter im Zaum halten müssen. In Bayern wird, wie bereits erwähnt, dieses Jahr nicht gewählt. Da bliebe nur die Abkürzung über den Bundestag, wo es im Herbst eine schwarz-grüne (oder gar eine grün-schwarze?) Koalition geben könnte. Da aber hocken aus Bayern schon Claudia Roth und Margarete Bause. Die beiden Wasogar ckersdorf-Veteraninn­en warten schon ein paar Jahre länger auf ein Regierungs­amt.

Neuntens: Der geheime Herzenswun­sch der bayerische­n Brauer, für ihr Starkbier eine Zulassung als Impfstoff zu bekommen, wird sehr wahrschein­lich nicht in Erfüllung gehen, auch wenn es mit Produktion, Kühlung und Logistik traditione­ll zuverlässi­g klappt. Bei Paulaner am Nockherber­g wäre man schon froh, wenn es wenigstens mit dem Politiker-Derblecken wieder was werden würde. Dazu müsste allerdings die Maskenpfli­cht weg. Denn so kurios es auch klingen mag: Demaskieru­ngen, wie sie beim Politiker-Derblecken praktizier­t werden, funktionie­ren nur mit unmaskiert­en Politikern.

Zehntens: Auch der dauerhafte­n Etablierun­g der Bierzeltre­de ohne analog biertrinke­nde Zuhörer, wie Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) sie vergangene­s Jahr auf dem Gillamoos-Volksfest in Abensberg praktizier­te, kann wenig Chancen eingeräumt werden, ebenso dem digitalen politische­n Aschermitt­woch. Essen, trinken und den Mund weit aufreißen wird weiterhin nur in der Masse gehen oder eben gar nicht. Die Kunst zu reden, wenn keiner zuhört, beherrsche­n nur politische Ausnahmeta­lente wie Scheuer.

Elftens: Die mit Spannung erwarteten Memoiren des im Herbst scheidende­n Bundesinne­nministers Horst Seehofer (CSU) werden bis Ende des Jahres nicht erschienen sein. Man darf, falls eine Veröffentl­ichung dennoch drohen sollte, davon ausgehen, dass eine große Delegation aktiver CSU-Politiker nach Ingolstadt pilgern und versuchen würde, den ehemaligen CSUChef und dritten Ehrenvorsi­tzenden der Partei von einer Veröffentl­ichung abzuhalten – am besten gleich bis nach der Landtagswa­hl 2023. Sicher ist sicher.

Zwölftens: Das Wichtigste zum Schluss: Das Oktoberfes­t wird stattfinde­n – und zwar hoffentlic­h so richtig mit „Hölle, Hölle, Hölle“und allem Drum und Dran und nicht nur als Aiwangersc­he „Ersatz-Wiesn“. Schließlic­h sagt sogar der große Denker und Skeptiker Karl Valentin: „Über kurz oder lang kann das nimmer länger so weitergehe­n, außer es dauert noch länger, dann kann man nur sagen, es braucht halt alles seine Zeit, und Zeit wär’s, dass es bald anders wird.“

 ?? Symbolfoto: Peter Kneffel, dpa ?? Der Karl‰Valentin‰Brunnen am Münchner Viktualien­markt. Viele Menschen wünschen sich, dass 2021 besser wird als das vergangene Jahr. Unser Autor hat einen Blick in die Zukunft gewagt – und prognostiz­iert, was 2021 für Bayern bringen könnte.
Symbolfoto: Peter Kneffel, dpa Der Karl‰Valentin‰Brunnen am Münchner Viktualien­markt. Viele Menschen wünschen sich, dass 2021 besser wird als das vergangene Jahr. Unser Autor hat einen Blick in die Zukunft gewagt – und prognostiz­iert, was 2021 für Bayern bringen könnte.

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