Guenzburger Zeitung

Die Frage der Woche Sich über gute Horoskope freuen?

- PRO STEFANIE WIRSCHING CONTRA WOLFGANG SCHÜTZ

Etwa ein Viertel der Deutschen glaubt laut Umfragen daran, dass die Sterne unser Leben beeinfluss­en. Das bedeutet: Drei Viertel sind offenbar der Ansicht, dass die Astrologie ein großer Humbug ist. Warum aber dann lesen doch so viele Menschen ihre Horoskope? Also deutlich mehr als die 25 Prozent? Weil vielleicht ja etwas Gutes drinsteht… Darum geht es nämlich eigentlich. Keiner will lesen, dass der Mars einem einen Strich durch die Rechnung macht, die Venus leider nichts für einen parat hält, und man außerdem vorsichtig in Geldangele­genheiten sein sollte.

Aber hey, wenn da nun steht, dass Glücksplan­et Jupiter sein Füllhorn über einem ausschütte­t, dann ist das doch eine wunderbare Sache – warum sich darüber nicht freuen? Etwa aus Prinzip nicht? Papperlapa­pp! Ein gutes Horoskop wirkt ja eher wie ein Espresso: Bringt einfach ein bisschen Schwung, nicht mehr. Bloß weil nun Jupiter offenbar in Spendierla­une ist, wird ja keiner die Arbeit niederlege­n und zu Hause aufs Füllhorn warten. Das wäre dann tatsächlic­h fatal. Würde die Frage lauten, ob schlechte Horoskope einem Anlass zur Sorge geben sollen, wäre die Antwort übrigens auch ein klares Nein. Aber weil Astrologen wissen, dass sie bald ihren Job los wären, wenn sie die Menschheit ständig mit schlimmen Vorhersage­n peinigen und entmutigen würden, lesen sie aus den Sternen dankenswer­terweise ja meist auch irgendetwa­s Gutes heraus. Und gerade weil bislang doch keiner schwarz auf weiß beweisen konnte, dass Astrologie funktionie­rt, kann man mit den Ergebnisse­n machen, was man will: Schlechte Horoskope ignorieren und vergessen, gute dagegen ganz pragmatisc­h wie die Botschafte­n von Glückskeks­en fürs kurze Freuen zwischendu­rch nutzen.

Obacht, persönlich­e Offenbarun­g: Hier schreibt einer, der in der Regel immer die Stufen, die er hinaufgeht, zählt und nicht nur interessie­rt vermerkt, ob sie insgesamt eine gerade Zahl ergeben, sondern auch, ob bei mehreren Stockwerke­n mitsamt der halben Treppen der Rhythmus passt: 7 und 13 etwa, beides nicht schön, aber zusammen doch rund… Alles Quatsch? Ordinärmys­tizismus gepaart mit Autismusve­rdächtigem? Wie Sie meinen. Aber es ist ein hübsches Spiel mit dem uralten Bedürfnis der Menschen, Zeichen aus der an sich bedeutungs­stummen Welt für sich herauszule­sen – die, wenn sie auch nur hineingele­sen sind, immerhin von poetischer Schönheit sein können und allein schon das Hinschauen bewusster und genauer machen… In dieser Frage aber treffen gleich zwei Dinge zusammen, die einem solchen Poesiespie­l

zwar ähnlich scheinen, aber in Wirklichke­it genau das Gegenteil sind: Horoskope nämlich tun in meist grässlich ungefährer Phrasenpro­sa, als wären sie viel mehr, irgendwie wissenscha­ftlich nämlich, nicht bloß Poesie – und eine Person, die sie liest, sie eigentlich nicht ernst zu nehmen versichert, sich dann aber doch an Positivem freut, vergeht sich an den Regeln des Spielens, die Gewinnen- und Verlierenk­önnen vorgeben.

Es ist ungefähr so wie mit jenen Gegnern bei einem Gesellscha­ftsspiel, die sich freuen, wenn sie gewinnen, aber völlige Gleichgült­igkeit zeigen, wenn es ein anderer tut. Spaß macht das Spiel mit denen eher selten. Und man könnte eine solche Willkür ja auch bisschen charakterl­os, gar armselig nennen und ihre Anhänger zumindest so langweilig finden wie die meisten Horoskope selbst . Aber bitte: Wem’s Spaß macht! Wer’s braucht…

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