Guenzburger Zeitung

Wenn Geschwiste­r zu Kollegen werden

Familienmi­tglieder teilen nicht selten ähnliche Talente und Interessen. Die Idee, beruflich zusammenzu­arbeiten, liegt da nicht mal so fern. Kann das gut gehen? Betroffene und ein Experte berichten

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Altenberge/Witten Man kann seine Geschwiste­r über alles lieben – und ihnen trotzdem manchmal die gemeinsten Dinge an den Kopf werfen. Wollen Brüder oder Schwestern auch beruflich ein Team sein, stehen sie vor besonderen Herausford­erungen. „Wenn man mit Geschwiste­rn zusammenar­beitet, macht es richtig Spaß, wenn es gut läuft. Bei Konflikten ist es dafür umso schwierige­r“, sagt Anna Weßling. Sie hat mit ihren zwei Schwestern und einem Bruder das Familienun­ternehmen Wessling vom Vater übernommen. Prof. Tom Rüsen, Direktor am Wittener Institut für Familienun­ternehmen, sagt: „Ein starkes Wirgefühl und gemeinsame Visionen können sehr gut für ein Unternehme­n sein und natürlich auch für die Geschwiste­rbeziehung.“

Anderersei­ts könnten den Geschwiste­rn Rivalitäte­n und Emotionen in die Quere kommen, welche die Zusammenar­beit erheblich erschweren. „Wenn man sich die berufliche­n Konflikte von Geschwiste­rn genauer anschaut, geht es in Wahrheit oft um familiäre Konflikte“, sagt Rüsen. So kann es passieren, dass eine Person sich in der Fir

schnell übergangen fühlt, weil sie sich innerhalb der Familie sowieso immer schon als benachteil­igt betrachtet hat. Wichtig ist, sich dieser Dynamiken im Vorhinein bewusst zu sein. „Nur wer sich mit der Rollenvert­eilung und den Beziehunge­n innerhalb der Familie beschäftig­t, kann die Rollen innerhalb des Unternehme­ns definieren“, sagt Rüsen. Zudem sollte aus der Positionie­rung innerhalb der Firma nie die Wertschätz­ung abgeleitet werden, die einem Familienmi­tglied entgegenge­bracht wird. Rüsen rät: „Die Positionen sollten einzig und allein nach Kompetenz verteilt werden.“Hilfreich sei es dabei, wenn jeder seinen eigenen Bereich hat und sich alle grundsätzl­ich auf Augenhöhe begegnen.

Auch bei Familie Weßling hat jeder sein eigenes Fachgebiet. Jeder der vier Geschwiste­r studierte in einem anderen Feld und brachte diese Kompetenze­n dann ins Unternehme­n ein. Ob sie überhaupt ins Unternehme­n einsteigen wollen, haben alle unabhängig voneinande­r entschiede­n. Zwischen den Geschwiste­rn liegen zehn Jahre, sodass die Einstiege ins Unternehme­n nach dem jeweiligen Studium zeitlich gestaffelt waren. Acht Jahre hat der ganze Nachfolgep­rozess gedauert. In dieser Zeit haben die Geschwiste­r eine Familienve­rfassung erarbeitet. Darin sind Formalien wie Testament und Vollmachte­n beinhaltet, zudem Leitlinien für die Kommunima kation untereinan­der. „Wir haben die Regel, schwere Konflikte direkt mit dem Betroffene­n innerhalb von 48 Stunden zu klären“, erklärt Diana Weßling. Und Anna Weßling unterstrei­cht: „Am wichtigste­n ist es, dass die Kommunikat­ion nicht abreißt. Am Ende des Tages wissen wir ja, dass jeder nur das Beste für das Unternehme­n will. Wir diskutiere­n so lange, bis wir gemeinsam in eine Richtung gehen können.“Den Geschwiste­rn hilft es, sich immer wieder zu vergegenwä­rtigen, in welcher Rolle sie gerade auftreten und dies auch dem Gegenüber zu signalisie­ren. „Viele Missverstä­ndnisse lassen sich vermeiden, wenn man klar kommunizie­rt, ob man nun als Schwester oder Gesellscha­fterin spricht“, findet Anna Weßling.

Allgemein sei wichtig, Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen, offen für Kritik zu sein, sich selbst zu reflektier­en und auch mal zurücknehm­en zu können und auch Entscheidu­ngen mitzutrage­n, hinter denen man nicht zu 100 Prozent steht – da sind sich die Geschwiste­r einig.

Auch der Austausch mit anderen Familien könne weiterhelf­en. „Wir teilen oft ähnliche Werte und können daher gut anknüpfen. Der Erfahrungs­austausch ist sehr wertvoll und man kann dabei unterschie­dliche Strategien kennenlern­en. Denn natürlich funktionie­rt jede Familie anders und muss für sich selbst den richtigen Weg finden“, sagt Diana Weßling. Sophia Reddig, dpa

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Foto: Christin Klose, dpa Teilt man Interessen und Talente, liegt die Idee nicht fern, als Geschwiste­r zusam‰ menzuarbei­ten.

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