Armutsfalle Pflege?
Ein Heimplatz kann mehrere tausend Euro monatlich kosten. Das überfordert viele. Wie man vorsorgen kann, damit die letzte Etappe des Lebens nicht den Ruin bedeutet
Düsseldorf/München Bei der Finanzierung eines Pflegeheimplatzes kommt es darauf an, welches Einkommen und Vermögen die Betroffenen haben – das schließt Sachwerte ein. Die Einkünfte der Kinder spielen ebenfalls eine Rolle. Es gibt jedoch Grenzen bei Einkommen und Vermögen, zu denen man sich gegebenenfalls beraten lassen sollte. Ab wann Kinder für die Eltern unterhaltspflichtig sind, dafür gibt es seit Januar 2020 eine neue Bemessungsgrenze, erläutert Verena Querling, Expertin für Pflegerecht von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sie müssten nur dann anteilig für die PflegeheimKosten aufkommen, wenn sie mehr als 100 000 Euro pro Jahr verdienen. „Die Angst, dass Kinder Unterhalt zahlen müssen, war vorher der Grund für viele ältere Menschen, nicht in ein Pflegeheim zu ziehen. Jetzt zahlt unter dieser Grenze das Sozialamt in Form von Hilfe zur Pflege“, sagt Querling.
Die Eigenleistung, die Menschen für eine Unterbringung pro Monat aufbringen muss, variiert je nach
Pflegeheim. Im Bundesdurchschnitt lag diese Summe laut Daten des Verbandes der Ersatzkassen Mitte 2020 bei monatlich 2015 Euro. Man kann sich also ausmalen, was für Beträge zusammenkommen, wenn man mehrere Jahre in einem Pflegeheim lebt. Klar ist: Zunächst muss man dafür mit dem eigenen Vermögen einstehen, mit dem Geld auf dem Konto und mit Sachwerten wie etwa dem eigenen Haus. „Bei diesem Thema wird es häufig emotional“, sagt Querling. Denn vielleicht wollte man die Immobilie an die Kinder vererben und muss sie nun für die Unterbringung im Heim „opfern“. Allerdings gibt es Fälle, in denen das Haus Schonvermögen ist und nicht angetastet werden darf. Oder man erhält vom Sozialamt einen Vorschuss, den man mit einer Grundschuld auf dem Haus sichern muss.
Oft wird das Haus vorsichtshalber vorher noch an die Nachkommen verschenkt. Die Expertin warnt allerdings: Es gebe im Bürgerlichen Gesetzbuch einen Paragrafen, der Menschen das Recht einräumt, im Fall einer Verarmung die Schenkung zurückzuverlangen. Dieser Anspruch gehe, wenn man die Leistungen der Behörde in Anspruch nimmt, auf das Sozialamt über. Was am Ende bedeuten kann, dass das Sozialamt die verschenkte Immobilie zurückfordert.
Doch es geht längst nicht immer darum, dass Betroffene ihr Vermögen nicht an den Staat abgeben möchten. „Manche älteren Menschen empfinden Trauer und Scham, wenn sie vom Sozialamt Hilfe annehmen müssen, obwohl sie ihr Leben lang gearbeitet haben“, sagt Querling. Dabei sei es gar keine Schande angesichts der anfallenden Kosten. „Die Frage ist, ob man überhaupt so viel zurücklegen kann, damit es für die Finanzierung reicht?“Gerade wenn die Menschen immer älter werden oder länger in Heimen leben.
Dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Zuge der Pflegereform plant, den Eigenanteil für die reinen Pflegekosten im Heim zu deckeln (auf höchstens 700 Euro pro Monat für maximal drei Jahre, danach zahlt der Staat), hält die Expertin für einen guten Anfang. Doch es sei zu kurz gedacht. Denn die reinen Pflegekosten machten nur ungefähr ein Drittel der gesamten Kosten aus, so Querling. Wohnen und Verpflegung sowie sogenannte Investitionskosten und eine Umlage für die Ausbildungskosten der angehenden Pflegekräfte im Heim kommen noch dazu. „Daher müssten die Bewohner am Ende trotzdem oft noch Hilfe zur Pflege beanspruchen“, verdeutlicht sie.
Nur weil das Sozialamt einspringt, muss man übrigens nicht befürchten, große Abstriche bei der Qualität des Pflegeheims machen zu müssen. Grundsätzlich hat der Betroffene ein Wahlrecht, in welches Pflegeheim er einziehen will. Eine Luxus-Variante zahlten die Sozialhilfeträger zwar sicher nicht, so Querling. „Weil sie generell oft die Kosten übernehmen müssen und die Auswahl an Heimen nicht endlos ist, werden sie die gewünschte Einrichtung, zumindest im normalen Segment, aber relativ oft bewilligen.“
Zusammengefasst gilt also: Wer möglichst unabhängig für den Fall sein möchte, dass irgendwann mal eine Unterbringung im Pflegeheim im Raum steht, tut gut daran, dafür vorzusorgen. Querling rät, sich dazu auf jeden Fall fachlich beraten zu lassen. Ob das angesparte Vermögen am Ende auch reichen wird, um alle Kosten zu decken, lässt sich in der Regel aber nicht sicher vorhersehen.
Wer schließlich im Heim ist, kann über die Steuererklärung unter Umständen
Ein verschenktes Haus kann das Amt oft zurückfordern
Die Pflegeversicherung hat die Lücken nicht gestopft
noch gewisse Erleichterungen herausholen. Je nachdem, ob man aus Krankheitsgründen oder aus reinem Komfort in der Einrichtung lebt, lassen sich zum Beispiel Kosten für die Unterbringung unter Umständen von der Steuer absetzen, sagt Tobias Gerauer von der Lohnsteuerhilfe Bayern. Aber wirklich zum Tragen komme das meist nur bei Menschen mit relativ hohem Einkommen. „Bei vielen Pflegebedürftigen, die ich kennenlernen durfte, wurde durch die Heimkosten die Steuerlast auf null reduziert. Und da ist nichts mehr rauszuholen“, so Gerauer.
Gesetzlich Versicherte zahlen seit 1995 auch Beiträge für die Pflegeversicherung. Privatversicherte müssen indes eine private Pflegeversicherung abschließen. Bei vollstationärer Pflege im Heim zum Beispiel zahlt die Pflegeversicherung je nach Pflegegrad bestimmte Monatspauschalen. Die Kosten für die Pflege seien seit Einführung der Versicherung aber so gestiegen, sagt Verena Querling von der Verbraucherzentrale NRW, dass für Versicherte unterm Strich „dieselbe Finanzierungslücke besteht wie vor ihrer Einführung, sodass wieder viele Bewohner die Hilfe des Sozialamtes benötigen“.